Das Bundeskanzleramt am Morgen, gesehen vom Reichstagsgebäude.
analyse

Koalitionsausschuss am Abend Endspiel für die Ampel?

Stand: 06.11.2024 02:03 Uhr

Am Abend kommen die Spitzen von SPD, Grünen und FDP im Kanzleramt zum Koalitionsausschuss zusammen. Es gibt viel zu besprechen. Vor allem müssen sie aber klären: Wollen sie überhaupt gemeinsam weiterregieren?

Eine Analyse von Philipp Eckstein, ARD-Hauptstadtstudio

Die Latte könnte kaum höher liegen. Beim Koalitionsausschuss geht es am Abend um die Frage: Können und wollen SPD, Grüne und FDP weiter gemeinsam regieren? Zuletzt haben die drei Ampel-Partner vor allem mit Streit für Schlagzeilen gesorgt. Der dreht sich aktuell vor allem um die Frage, was die Bundesregierung tun kann und sollte, um der schwächelnden Wirtschaft in Deutschland zu helfen. Zudem müssen sich SPD, Grüne und FDP beim Haushalt für das kommende Jahr einigen und klären, welche Projekte sie noch gemeinsam umsetzen wollen.

Dabei steckt die Ampelkoalition in ihrer bislang größten Krise. Führende Politikerinnen und Politiker von SPD, Grünen und FDP sprechen das auch offen aus. So räumt der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck ein: Die "letzten Tage waren schlecht für Deutschland". SPD-Co-Chefin Saskia Esken sagt, in der Koalition "brennt gerade die Hütte". Und FDP-Chef Christian Lindner kündigt mit Blick auf die zähen Diskussionen über die richtige Wirtschaftspolitik an: Diese Situation, "die werden wir schnellstmöglich klären".

Das kann auch bedeuten, dass die Ampelkoalition zerbricht. Daran lassen Lindner und seine FDP seit Wochen nur wenig Raum für Zweifel. Die von SPD-Chef-Lars Klingbeil angekündigte "Woche der Entscheidungen" steuert damit auf einen möglichen Höhepunkt zu.

Scholz: "Wenn man will, kann man sich einigen"

Bis zum Koalitionsausschuss werde es keine "spontane Entscheidung" geben, hat FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai Anfang der Woche angekündigt. Das hätten sich Bundeskanzler Olaf Scholz und Finanzminister Lindner gegenseitig versichert. Es werde jetzt "intensiv beraten und dann am Mittwoch Abend dem Koalitionsausschuss berichtet", so Djir-Sarai.

Die Aussage deutet bereits darauf hin, dass der Koalitionsausschuss, also die rund zwanzigköpfige Gruppe mit Regierungs-, Partei- und Fraktionsvertretern von SPD, Grünen und FDP, an Bedeutung verloren hat. Denn die entscheidenden Gespräche, die Vorarbeiten, finden in kleinerer Runde statt.

Bereits die ganze Woche über hat Kanzler Scholz mit Wirtschaftsminister Habeck und Finanzminister Lindner Dreiergespräche im Kanzleramt geführt. Auch vor dem Koalitionsausschuss soll es im Tagesverlauf weitere Treffen geben. Dabei hat Scholz zuletzt mehrfach deutlich gemacht, dass er weiterregieren will. So kündigte er an, die Regierung werde "ihre Aufgabe erledigen". Mit Blick auf die laufenden Gespräche betonte er: "Wenn man will, kann man sich einigen."

FDP-Vorschläge für SPD und Grüne wie eine Provokation

Scholz, Habeck, Lindner - SPD, Grüne, FDP: Sie alle sind sich zumindest bei einem Punkt einig. Die schwächelnde Wirtschaft in Deutschland braucht dringend weitere Hilfen. Nur was sollte genau die Bundesregierung tun, um die Wirtschaft anzukurbeln? Da gehen die Vorstellungen weit auseinander.

Vor allem die FDP hat dabei zuletzt Druck gemacht und sich einmütig hinter das Positionspapier von Christian Lindner zu einer Wirtschaftswende gestellt. Darin fordert er einen grundlegenden Richtungswechsel in der Wirtschafts-, Steuer-, Sozial- und Klimapolitik.

Für SPD und Grüne lesen sich viele der Vorschläge hingegen wie eine bewusste Provokation. Die Ablehnung fällt entsprechend deutlich aus.

Milliardenschwere Lücke im Haushalt

Insofern ist fraglich, inwieweit ein Kompromiss überhaupt möglich und gewollt ist. Denn auch wenn weiter um eine gemeinsame Lösung gerungen wird: Es ist unübersehbar, dass sich alle drei Parteien auch auf die Option einstellen, dass die Ampelkoalition scheitert. In diesem Fall würde es dann auch um die Frage gehen: Wer trägt die Schuld? Wie ernsthaft hat sich jeder noch einmal bemüht?

Die Diskussion über die richtige Wirtschaftspolitik ist unmittelbar mit den Diskussionen über den Haushalt für das Jahr 2025 verknüpft. Auch hier muss die Koalition noch eine gemeinsame Lösung finden. Wirtschaftsminister Habeck hat zuletzt Kompromissbereitschaft signalisiert. Mehrere Milliarden Euro, die ursprünglich als Subvention für eine Chipfabrik von Intel vorgesehen waren, sollen dabei helfen, Haushaltslöcher zu stopfen

Doch auch so klafft weiterhin eine milliardenschwere Lücke im Haushalt, die in den kommenden Tagen geschlossen werden muss. Bereits am 14. November soll laut aktuellem Zeitplan bei der sogenannten Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses im Bundestag der Finanzplan für das kommende Jahr final aufgestellt werden.

Ampel-Fortsetzung oder Ampel-Ende?

Dazu kommen noch Debatten über das Rentenpaket 2 und das Tariftreuegesetz. Die SPD fordert hier schnelle Entscheidungen, die FDP im Bundestag hält aber von beiden Vorhaben wenig. Zugleich heißt es aus der FDP, dass die Ampel-Partner andere gemeinsame Gesetzesvorhaben wie das zur Privaten Altersvorsorge ausbremsen. Auch das Ergebnis der US-Wahl dürfte für Gesprächsstoff sorgen.

Es gibt also viel zu besprechen und für die Ampelkoalition zu klären. "Hängepartie oder Handlungsfähigkeit, das ist hier die Alternative", hat Habeck am Montag gesagt. Ampel-Fortsetzung oder Ampel-Ende, das ist hier die Frage, könnte man wohl auch sagen. Der Koalitionsausschuss sollte darauf eine klare Antwort geben.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 06. November 2024 um 06:22 Uhr.