Baerbock-Besuch Werben um Indien
Außenministerin Baerbock will auf ihrer Indien-Reise die Partnerschaft mit dem Land vertiefen - auch weil die wirtschaftliche Abhängigkeit von China verringert werden soll. Doch nicht nur beim Thema Russland gehen die Meinungen auseinander.
Reisen, bei denen Russland und dessen Angriffskrieg gegen die Ukraine keine gewichtige Rolle spielen, gibt es für Annalena Baerbock nicht mehr. Die Zwei-Tages-Visite in Indien bildet da keine Ausnahme. Doch beim Besuch im bald bevölkerrungsreichsten Land der Erde geht es um weit mehr: Deutschland versucht gerade, sich strategisch gegenüber China neu aufzustellen und wirtschaftlich die Abhängigkeit von Peking zu verringern.
Da liegt es nahe, die strategische Partnerschaft mit Indien zu vertiefen. Indien ist längst selbst Wirtschaftsgigant und betrachtet China als Rivalen.
Schon deshalb wurde es aus Sicht von Beobachtern höchste Zeit, dass die deutsche Außenministerin als erstes Kabinettsmitglied ihren Antrittsbesuch in Neu-Delhi absolviert. Im Mittelpunkt ihrer Gespräche würden "die dringendsten Aufgaben unserer Zeit stehen", erklärte Baerbock vor ihrer Abreise und benannte "die Eindämmung der Klimakrise und die Wahrung unserer auf Regeln basierenden internationalen Ordnung". Gleichzeitig lobte die Ministerin das Land, das gerade den Vorsitz der G20-Staaten übernommen hat, als "gefestigte Demokratie" und "natürlichen Partner" Deutschlands.
Aufstrebende Wirtschaftsmacht
Was den russischen Angriffskrieg in der Ukraine betrifft, so liegen die Sichtweisen in Neu-Delhi und Berlin indes auseinander: Indien hatte sich bei UN-Abstimmungen, die den Einmarsch verurteilen, stets enthalten und trägt die westlichen Sanktionen nicht mit.
Vielmehr bezieht die aufstrebende Wirtschaftsmacht mehr als zuvor verbilligtes Öl aus Russland und weiterhin Rüstungsgüter. Gründe gibt es neben dem gigantischen indischen Energiebedarf viele: Für Neu-Delhi scheint der Krieg in Europa weit weg zu sein. Seit jeher ist man bemüht, sich nicht in ein Lager ziehen zu lassen. Auch die geschichtlich bedingt guten Kanäle nach Moskau dürften noch eine Rolle spielen.
Mobilitätsabkommen soll unterzeichnet werden
Gleichzeitig bemüht man sich in Berlin seit Kriegsbeginn sehr, die Länder der sogenannten südlichen Hemisphäre nicht zu stark in den Einflussbereich Russlands driften zu lassen. "Die klarere Positionierung der G20 gegen den russischen Angriffskrieg in der Ukraine ist letztlich auch Indien zu verdanken", lobte Baerbock mit Blick auf den Gipfel in Bali vor wenigen Wochen.
Auch das Thema Klima spielt beim Besuch der Grünen-Politikerin eine wichtige Rolle, geht es doch darum, die Zusammenarbeit mit Indien bei erneuerbaren Energien zu vertiefen. Baerbock plant, entsprechende Projekte im ländlichen Umland der Hauptstadt Neu-Delhi zu besuchen. Auch kündigte sie an, bei ihrem Besuch ein Mobilitätsabkommen zu unterzeichnen, das es den Menschen erleichtern werde, "im jeweils anderen Land zu studieren, zu forschen und zu arbeiten".
Kurze Verstimmung
Für kurzzeitige Verstimmung hatte die deutsche Außenministerin bei der indischen Regierung mit Bemerkungen zur Kaschmir-Frage gesorgt, auf das sowohl Indien als auch Pakistan Ansprüche erheben. Bei einer Pressekonferenz in Berlin warb sie für eine friedliche Lösung des Konflikts "mithilfe der Vereinten Nationen" und erklärte, auch Deutschland habe dabei eine Rolle.
Neu-Delhi, das die Kaschmir-Frage als seine eigene Angelegenheit betrachtet, reagierte empört. Nach einer Klarstellung durch den deutschen Botschafters in Indien, Philipp Ackermann, und nach einem Baerbock-Telefonat mit ihrem Amtskollegen Subrahmanyam Jaishankar scheint die Sache jedoch bereinigt.