Nach Militärputsch Frankreich zieht endgültig aus Niger ab
Alle französischen Soldaten werden das Land verlassen, hatte die Militärregierung in Niger vor wenigen Tagen verkündet. Das macht es Deutschland weder militärisch noch politisch leichter.
So schnell wird aus einem "strategischen Partner" ein erbitterter Gegenspieler: Als sich die Präsidialgarde in Niger Ende Juli an die Macht putschte, verbrannten Pro-Regime-Demonstranten auf den Straßen französische Flaggen und schwenkten stattdessen russische.
Tagelang campierten vor dem französischen Militärstützpunkt am Stadtrand - der direkt neben dem deutschen liegt - Protestierende, um dem offen formulierten Rauswurf der Truppen Frankreichs von Seiten der neuen Machthaber Nachdruck zu verleihen. "Der Nationale Rat zum Schutz des Vaterlands hat entschieden, jegliche Zusammenarbeit im Bereich Sicherheit und Verteidigung mit dem Staat zu beenden", tat schon kurz nach dem Putsch ein Offizier und Sprecher der Militärregierung, Amadou Abdramane, kund.
Militärregierung facht antifranzösische Stimmung an
Die Militärregierung fachte von Tag eins ihrer Machtübernahme die antifranzösische Stimmung im Land an. Sie spielte sich fortan als Befreier von den vermeintlichen Fesseln der ehemaligen Kolonialmacht auf. "Wir wollen ihre Hilfe nicht. Wir wollen, dass sie unser Land verlassen!", rief ein Mann in der Hauptstadt Niamey bereits im Oktober den nun abziehenden Franzosen hinterher.
Auch wenn den Deutschen solch offene Feindseligkeit nicht entgegenschlägt - dass die neue Regierung wichtige Sicherheits- und Migrationsabkommen mit der EU aufkündigte, ließ auch bei der Bundesregierung die Alarmglocken schrillen.
Deutschland verliert Partner in Niger
Szenen wie diese wirken angesichts dessen jedenfalls, als würden sie aus einem anderen Zeitalter stammen: Im April dieses Jahres hatten sich Verteidigungsminister Boris Pistorius und sein nigrischer Amtskollege Alkassoum Indattou stolz vor einer Reihe geländegängiger Fahrzeuge ablichten lassen, die Deutschland den Streitkräften des Niger soeben übergeben hatte. Sie überhäuften sich mit gegenseitigem Lob für die jahrzehntealten und vorzüglichen Beziehungen: "Die Art und Weise, wie wir zusammenarbeiten, hat Vorbildcharakter für andere Regionen in der Welt", gab Pistorius damals zu Protokoll. Das ist noch kein dreiviertel Jahr her.
Heute ist die Lage eine gänzlich andere: Verteidigungsminister Indattou ist nach dem Militärputsch im Juli seinen Job los - und Deutschland seinen als so verlässlich gepriesenen Partner in der von islamistischem Terror gepeinigten Region.
Pistorius will im Gespräch bleiben
In der Woche vor Weihnachten nun reiste Boris Pistorius zum zweiten Mal in seiner Amtszeit nach Niger - um die Chancen einer vorsichtigen Wiederannäherung an die Militärmachthaber auszuloten. "Ich glaube fest, dass es immer besser ist, miteinander im Gespräch zu bleiben", stellte der SPD-Politiker anschließend fest.
Die Deutschen wollen einen Lufttransportstützpunkt am Rande der Hauptstadt mit derzeit rund 120 Bundeswehr-Soldaten gern behalten - und damit auch einen Fuß in der Tür. In Zeiten der nigrischen Annäherung an Russland. "Die Stationierung fremder Truppen in Niger wird von jetzt an immer von der Zustimmung der Menschen in Niger abhängen", ließ der neue Verteidigungsminister Modi wissen - und damit zunächst alles offen, was die Zukunft der deutschen Soldaten in Niamey angeht.
Franzosen fügen sich ihrem Schicksal
Was die Zukunft der französischen Truppen betrifft, ist dagegen so ziemlich alles klar: Gab es in den ersten Tagen und Wochen nach dem Putsch noch Gerüchte, die Franzosen könnten militärisch einschreiten, fügte sich die Truppe letztendlich ihrem Schicksal. Sie verlässt nun das Land. "Sehr sehr sehr glücklich" sei er, bekundete ein Bewohner der Hauptstadt schon nach der Ankündigung des Abschieds vor wenigen Wochen und fügte ein. "Merci" - vielen Dank - an die Adresse der Franzosen noch an.
Abzug wirft Schwierigkeiten für Deutschland auf
Der Abzug der Franzosen macht es den Deutschen aber weder militärisch noch politisch leichter. Denn einerseits wagt Berlin - ähnlich wie die US-Amerikaner - erste vorsichtige Schritte auf einem anderen Pfad im Umgang mit dem Regime als Paris. Denn die Region ist von Flüchtlingsrouten durchzogen.
Die auf Hilfe dringend angewiesenen Menschen sich selbst zu überlassen, hält man für fahrlässig. Man will aber zum anderen auch nicht den wichtigen Partner Frankreich verprellen. Gilt es doch, auf EU-Ebene eine neue, gemeinsame Sahel-Strategie auszutüfteln. Ohne Paris wird das kaum möglich sein.