Mutmaßliche Spionage für Russland Wie sich der BND vor Maulwürfen schützt
Es ist passiert, was nicht passieren soll. Ein Mitarbeiter des BND hat wohl spioniert - für Russland. Noch wird ermittelt. Und es stellt sich die Frage, wie sich der Geheimdienst gegen Maulwürfe schützt. Antworten gibt ein Ex-BND-Mitarbeiter.
Der Generalbundesanwalt hält sich bedeckt. Er will offenbar aus taktischen und Sicherheitsgründen keine Zwischenergebnisse zu den Ermittlungen im Fall des mutmaßlichen Landesverrats beim BND veröffentlichen. Viele Fragen tauchen auf, etwa zu den Abläufen beim BND: Wie kann der Auslandsnachrichtendienst verhindern, dass geheime Infos, die die Bedeutung eines Staatsgeheimnisses haben, den BND verlassen und in russische Hände gelangen?
Eine Rund-um-die-Uhr-Überwachung könne es beim Bundesnachrichtendienst nicht geben, erklärt der frühere hochrangige BND-Mitarbeiter Gerhard Conrad im Gespräch mit dem ARD-Hauptstadtstudio. Diese würden auch gegen die Persönlichkeitsrechte von BND-Mitarbeitern verstoßen und ein destruktives Klima des Misstrauens schaffen.
Dokumentenklau über "tote Briefkästen"
Conrad verweist jedoch auf Sicherheitsvorkehrungen. So falle im BND zum Beispiel grundsätzlich auf, wenn Informationen von dieser Qualität auf einen USB-Stick gezogen würden. Auch dann, wenn es sich bei dem Verdächtigen um einen hochrangigen Beamten mit weitergehenden Befugnissen handeln sollte. Solche Vorfälle würden protokolliert.
Dass der Verdächtige die Unterlagen als E-Mail-Anhang weitergereicht hätte, sei unwahrscheinlich. Denkbar sei eher, dass die Dokumente aus dem Haus getragen worden sind und wie in Spionagefilmen in sogenannten "toten Briefkästen" konspirativ hinterlegt worden sind - für den russischen Adressaten.
Blick nach innen und nach außen
Um Innentäter beim BND zu verhindern, veranlasst der Dienst bei Bewerbern seit jeher Sicherheitsüberprüfungen. Diese sind gesetzlich geregelt. Eine eigene Abteilung mit dem Namen "Eigensicherung" hinterfragt hierbei nicht nur, ob die Anwärter stabile Persönlichkeiten sind, sondern auch wie ihr persönliches Umfeld aussieht. Im Laufe einer BND-Karriere würden solche Überprüfungen wiederholt, so Conrad. Offenbar in größeren Abständen von bis zu zehn Jahren oder aus gegebenem Anlass.
Der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums, Konstantin von Notz von den Grünen, hatte vorgeschlagen, zu klären, ob diese Sicherheitsüberprüfungen verbessert werden müssten. BND-Experte Conrad stimmt zu. Es lohne sich zu schauen, "wo man nachschärfen kann". Er plädiert jedoch für ein besonnenes Vorgehen: Weder eine Hexenjagd sei empfehlenswert - noch, sich in einer Scheingewissheit zu wähnen.
Wichtig ist für Conrad, dass nicht nur der BND den Blick nach innen und im Rahmen von Gegenspionage nach außen richtet, sondern dass auch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) russische Spionage in Deutschland erkenne. Immer wieder gelingt das auch. Aufgrund der Erkenntnisse des BfV konnte Deutschland im April 40 russische Diplomaten ausweisen. Es gelte, wachsam zu sein und zu prüfen, ob russische Spione sich Mitarbeitern des BND oder zum Beispiel auch Politikern annäherten und diese womöglich anwerben wollten.
Maulwurf in den eigenen Reihen
Welche Informationen der Verdächtige im aktuellen Fall konkret an Russland weitergegeben hat, ist zwar unklar. Aber nach Ansicht von Conrad war es "etwas, das die Russen interessiert hat", also vermutlich die deutsche Wahrnehmung des Kriegsverlaufs in der Ukraine.
WDR, NDR und Süddeutsche Zeitung hatten veröffentlicht, dass ein befreundeter Nachrichtendienst den BND auf einen Maulwurf in den eigenen Reihen hingewiesen hat. Sollte sich das bewahrheiten, hat dieser Geheimdienst offenbar Kommunikation im Ausland abgehört, vermutet Conrad. Solche Maßnahmen der Satellitenaufklärung und Kommunikationsüberwachung sind mit Beginn des Ukraine-Krieges bekanntlich in großem Stil hochgefahren worden.
Conrad schätzt, dass diesem befreundeten Geheimdienst dann - quasi nebenbei - aufgefallen sein müsse, dass Informationen aus dem BND in russische Hände gelangt seien. "Beifang" heißt das in der Geheimdienstsprache. Wie es sich für befreundete Geheimdienste gehört, hat dieser dann den BND gewarnt. Eine klassische Zusammenarbeit, "burden sharing", sagt Conrad - Lastenteilung.
Erpressung ist möglich
Entscheidend für die Frage, wie gravierend dieser Fall nun ist, sei, in welchem Umfang und welcher Qualität der Verdächtige Informationen aus dem BND nach Russland verraten hat, und auch, wie lange diese Doppelagententätigkeit angedauert hat. Das könnten erst die Ermittlungen zu Tage fördern.
Derzeit prüfen die Ermittler wohl auch, ob der Verdächtige von Russland erpresst worden ist, bevor er möglicherweise ein Staatsgeheimnis an Moskau verraten hat. In der Welt der Spione ist das durchaus denkbar. Von Erpressung bis hin zur Bedrohung der Familie könne man nichts ausschließen, erklärt Conrad. Für Moskau sei entscheidend, die Verletzlichkeit einer Zielperson zu kennen und daraufhin die Maßnahmen abzustimmen.
Sollten Mitarbeiter des BND in die Situation kommen, dass sie von ausländischen Geheimdiensten angesprochen oder gar erpresst würden, könnten sie sich ihrer Sicherheitsabteilung gegenüber eröffnen. Das sollten sie dann auch so schnell wie möglich tun, rät Conrad.