Treffen mit Premier Kobachidse Scholz kritisiert "Agenten-Gesetz" Georgiens
Kanzler Scholz hat Georgiens Premier Kobachidse empfangen - eigentlich ein Routinetermin. Doch Kobachidses Partei gefährdet mit einem Gesetz über "ausländische Agenten" Georgiens EU-Integration.
Der Gast aus Georgien sprach Deutsch. Premierminister Irakli Kobachidse, der einst in Düsseldorf studiert hat, betonte wortreich und gekonnt, wie eng und wichtig die Beziehungen der Südkaukasusrepublik zu Deutschland seien.
Bundeskanzler Olaf Scholz ließ es sich dennoch nicht nehmen, in seinem Statement auch deutlich Kritik zu äußern. Konkret geht es um einen Gesetzentwurf, den Kobachidses Partei "Georgischer Traum" Anfang der Woche ein zweites Mal ins Parlament eingebracht hat. Im vergangenen Jahr hatte sie es nach wochenlangem Protest zurückgezogen - und auch diesmal ist die Kritik heftig.
Parlamentswahl im Herbst
Der georgische Premier nannte es das "Transparenzgesetz". Er betonte, es habe lediglich zum Ziel, Klarheit über die Finanzierung der Zivilgesellschaft und der Medien in Georgien zu schaffen. Es stehe im Einklang mit Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.
Dem Gesetzentwurf zufolge sollen sich Medien und Organisationen beim Justizministerium registrieren, wenn sie mehr als 20 Prozent ihres Budgets aus dem Ausland erhalten. Das Ministerium würde sie dann alle sechs Monate überprüfen, was auch die Herausgabe vertraulicher Informationen und Quellen beinhalten könnte, wie Anwälte in Georgien befürchten. Bei einer Weigerung drohen hohe Geldstrafen.
Betroffen von dem Gesetz wären auch lokale Wahlbeobachterorganisationen wie ISFED, die bei der Parlamentswahl 2020 Manipulationen beklagt hatten - im Herbst steht die nächste Parlamentswahl an.
Scholz widerspricht
"Solche Gesetze braucht es nicht", sagte hingegen der Kanzler in seiner ruhigen Art, aber doch mit Nachdruck. "Wir hoffen, dass auch dieses Gesetz nicht beschlossen wird." Die Kritik bleibe die gleiche wie im vergangenen Jahr. Im Gespräch mit Kobachidse habe er auch noch einmal die Bedeutung der Zivilgesellschaft unterstrichen.
Zudem widersprach Scholz dem georgischen Premier, der behauptet hatte, die EU-Kommission habe ebensolche Regelungen beschlossen, und es gebe vergleichbare Gesetze in EU-Staaten.
Scholz verneinte beides auf Nachfrage einer Korrespondentin des regierungsnahen Senders Imedi: Pläne in der EU zur Bekämpfung ausländischer Einflussnahme verfolgten ein anderes Konzept und würden voraussichtlich auch nicht umgesetzt. Ein entsprechendes Gesetz in Ungarn habe der Europäische Gerichtshof zurückgewiesen.
Diskreditierungskampagne gegen Oppositionelle
Kobachidse wollte nicht einlenken. Darüber hinaus betonte er, dass seine Regierung eine "mittelfristige Perspektive" für Georgiens EU-Mitgliedschaft anstrebe und man die gestellten Bedingungen erfüllen werde, damit Ende des Jahres die Beitrittsverhandlungen eröffnet werden können.
Dazu im starken Kontrast steht die Rhetorik, die Kobachidse und seine Partei daheim verwenden. Dort werfen sie der EU und den USA vor, in Georgien mit liberalen Organisationen und Medien als Handlangern eine "Revolution" lostreten zu wollen und das Land in eine "zweite Front" gegen Russland zu treiben.
Die Einbringung des Gesetzentwurfs ins Parlament geht einher mit einer neuerlichen Diskreditierungskampagne gegen prominente Oppositionspolitiker. Außerdem berichten lokale Medien, dass Regierungsmitarbeiter angehalten würden, in sozialen Medien für das Gesetz zu werben.
Kein Vergleich zum US-Gesetz
Doch auch die Gegenseite ist aktiv. Internationale Geldgeber wie die US-Organisation USAID und deren Empfänger in Georgien halten der Regierung entgegen, dass sie bereits transparent handelten. Die Budgets seien auf den jeweiligen Websites einsehbar.
Ein weiteres Argument weisen sie zurück: dass der Entwurf der Regierung einem Gesetz zur "Registrierung ausländischer Agenten" (FARA) in den USA entspreche, das 1938 zur Abwehr von Einflussnahme Nazi-Deutschlands und der Sowjetunion eingeführt wurde.
Als einer von mehreren Unterschieden wird dabei der Aspekt genannt, dass das US-Gesetz für die Benennung als "ausländischer Agent" weit mehr Kriterien voraussetzt als nur die Finanzierung wie im georgischen Gesetzentwurf.
Dieser weise eher Parallelen zu einem Gesetz in Russland auf und gehe sogar noch einen Schritt weiter als dieses: In Georgien soll auch die Finanzierung durch religiöse Organisationen aus dem Ausland einbezogen werden. Dies könnte die ohnehin schon allmächtige orthodoxe Kirche vor Konkurrenz bewahren.
Überwältigende Mehrheit für EU-Beitritt
Die Opposition in Georgien setzt auf Unmut in der gesamten Bevölkerung und darauf, dass die EU der Regierung klar die Grenzen aufzeigt - so wie Scholz‘ SPD-Parteigenosse Michael Roth, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag. Er hatte bereits erklärt, dass das Gesetz unvereinbar mit einer EU-Mitgliedschaft Georgiens sei.
Auch deutsche Grünen-Politiker äußerten sich in diese Richtung: Die Regierung in Tiflis setze mit ihrem Vorgehen die Zukunft Georgiens in der EU aufs Spiel, sagte etwa Anton Hofreiter, Vorsitzender des Europa-Ausschusses im Bundestag, dem Tagesspiegel.
Seit Jahren ergeben Umfragen, dass eine überwältigende Mehrheit der Menschen in Georgien für eine Mitgliedschaft ihres Landes in der EU ist - weshalb die Regierung an diesem Versprechen festhalten will, während sie auch sonst alles zu unternehmen versucht, um an der Macht zu bleiben.