Politik und Social Media Warum die Regierung auf Facebook bleibt
Die Bundesregierung will ihren Facebook-Auftritt nicht beenden - entgegen der Forderung des Datenschutzbeauftragten. Worum geht es in dem Streit und welche Rollen spielt Social Media in der politischen Kommunikation?
In einem kurzen Video bekommt man auf Facebook einen Eindruck von der Kabinettsklausur auf Schloss Meseberg. Das prunkvolle, schneebedeckte Schloss ist zu sehen und die Ministerinnen und Minister an einer langen Tafel. An einem anderen Tag postet die Regierung eine bunte Grafik in der Timeline, die Auswirkungen der Energiepreisbremsen werden in knappen Sätzen erklärt.
Mehr als eine Million Followerinnen und Follower hat die Facebook-Seite der Bundesregierung. Doch wenn es nach Ulrich Kelber geht, dann könnte bald damit Schluss sein. Mitte Februar hat der Bundesdatenschutzbeauftragte ein Schreiben an die Bundesregierung gesendet. Darin fordert er die Regierung auf, die Facebook-Fanpage innerhalb von vier Wochen einzustellen. Dahinter stecken Datenschutzbedenken und die Frage, wer wofür verantwortlich ist.
"Eine Geißel des Internets"
Das Grundproblem sieht Kelber darin, dass Userinnen und User bei Facebook Daten preisgeben - und damit auch, wenn sie die Fanpage der Bundesregierung aufrufen. "Diese Überlegung, dass private Konzerne Nutzungsdaten erheben, wenn Sie als Bürgerinnen und Bürger auf Informationen der Bundesregierung zugreifen - von Standortdaten, über die Frage, was Sie sich als Letztes angeschaut haben, ob Sie heute mehr Tippfehler machen und ähnliches mehr - das ist wirklich eine Geißel des Internets."
Diese Situation sollte dringend überwunden werden, so der Datenschutzbeauftragte. Er sieht dabei nicht nur den Facebook-Mutterkonzern Meta in der Verantwortung, sondern auch die Bundesregierung. Doch die könne ihrer datenschutzrechtlichen Pflicht nicht nachkommen, so Kelber: "Die Bundesregierung hat keine klare Information darüber, welche Daten für welchen Zweck verarbeitet werden." Das sei so nicht rechtskonform.
"Zentrale Informationsquelle"
Die Bundesregierung ist anderer Meinung. Sie sieht Facebook allein in der Verantwortung dafür, was mit den Daten passiert. Vize-Regierungssprecher Wolfgang Büchner kündigte an, dass die Regierung deshalb rechtliche Fragen prüfe und unter Umständen auch gegen den Bescheid klagen wolle. Der Facebook-Auftritt sei ein wichtiger Bestandteil der Öffentlichkeitsarbeit, an dem die Regierung zunächst einmal festhalten wolle. "Soziale Medien sind für viele, gerade auch jüngere Menschen, eine zentrale Informationsquelle", so Büchner. "Sie ermöglichen zudem einen unmittelbaren und schnellen Kontakt, der gerade in Krisenzeiten besonders wichtig ist."
Dem schließt sich auch der Politikberater Martin Fuchs an. Der Rückzug wäre ein herber Rückschlag. "Facebook ermöglicht es, direkt an die Bürgerinnen und Bürgern zu kommunizieren, kontinuierlich zu kommunizieren und auch einen Rückkanal aufzumachen", sagt Fuchs. Das bedeutet: Fragen und Bedürfnisse können direkt an die Regierung gesendet werden. Zudem sei über die Jahre eine große Community aufgebaut worden und die Bürgerinnen und Bürger würden sich auf das Angebot verlassen.
Fuchs glaubt, dass mit Facebook nur ein Exempel statuiert werden soll: "Das gilt dann als Grundlage, um auch gegen andere staatliche Behörden vorzugehen - und auch nicht nur auf Facebook." Datenabfluss gebe es schließlich auch auf anderen Plattformen, beispielsweise auf Instagram oder TikTok.
Mögliches Druckmittel
Tatsächlich gibt es auch bei anderen Kanälen Bedenken. Das Grundproblem ist: Staatliche Akteurinnen und Akteure kommunizieren über private Plattformen. Auch TikTok, hinter dem der chinesische Konzern ByteDance steckt, steht momentan wegen Sicherheitsbedenken im Fokus. So wies die EU-Kommission beispielsweise ihre Beschäftigten an, die App von ihren Diensthandys zu löschen.
Es bleibt ein schwieriger Spagat zwischen öffentlichem Interesse und Datenschutz. Tabea Rößner kann die Position des Bundesdatenschutzbeauftragten nachvollziehen. Sie leitet den Digitalausschuss im Bundestag und fordert, den Druck auf die sozialen Netzwerke zu erhöhen.
Wenn ein wichtiger Akteur wie die Bundesregierung und in der Folge auch andere Behörden sich von Facebook zurückzögen, sei das für das Netzwerk relevant, sagt Rößner. Ein mögliches Druckmittel, um Unternehmen wie Meta stärker in die Pflicht zu nehmen. Außerdem weist die Grünen-Politikerin auf Alternativen hin: "Zum Beispiel Mastodon, also dezentral organisierte Netzwerke, die keine Datenverarbeitung haben. Die kann man dadurch auch stärken." Mastodon gehört einem deutschen Unternehmen und wird als Alternative zu Twitter gehandelt.
Abwägung zwischen Information und Datenschutz
Auch Politikberater Fuchs schätzt Mastodon - allerdings sei es schwierig, Bürgerinnen und Bürger umzugewöhnen. Er fordert deshalb einen Bestandsschutz für Social-Media-Plattformen: Plattformen, die teilweise seit mehr als zehn Jahren am Markt sind, sollten bleiben dürfen. Fuchs versteht die Bedenken des Bundesdatenschutzbeauftragten und würde ihm bei der Analyse nicht widersprechen.
Es gehe aber um die Interpretation, für wie gefährlich man die Bedenken halte, sagt er: "Es ist eine Frage der Abwägung, welches Recht mehr wiegt: das Grundrecht der Information oder das Grundrecht des Datenschutzes." Fuchs tendiert eher zum Recht auf Information.
Wie es mit der Bundesregierung auf Facebook weitergeht, bleibt offen. Der Datenschutzbeauftragte Kelber erklärt: "Am Ende dieser vier Wochen muss es entweder eine Umsetzung geben, oder Rechtsmittel müssen eingelegt werden." Das heißt: Entweder die Regierung verlässt Facebook oder sie reicht Klage ein. Etwa Mitte März läuft die Frist ab - doch der Streit könnte noch lange weitergehen.