CSU-Landesgruppe in Seeon Zwischen Wahlen und K-Frage
Die CSU-Landesgruppe im Bundestag trifft sich im Kloster Seeon zur Jahresauftaktklausur. Nach der überstandenen Landtagswahl in Bayern könnte die CSU eigentlich entspannt nach vorn schauen. Tut sie aber nicht.
Das neue Jahr - es ist ein Schaltjahr. Der Aberglaube sagt: Es wird ein Unglücksjahr. Nichts, woran man in der CSU derzeit glauben möchte, zumindest was die eigene Zukunft angeht. Denn was soll denn jetzt noch passieren? Das herausfordernde Jahr 2023 mit der Landtagswahl in Bayern liegt hinter der Partei. Wie erhofft ist die neue Landesregierung die alte. Eine Koalition mit den Freien Wählern hat eine komfortable Mehrheit. Sogar der Skandal um den Freien Wähler-Vorsitzenden Aiwanger wegen eines antisemitischen Briefes aus dessen Schulzeit scheint mittlerweile in weiter Ferne.
Beim traditionellen Jahresauftakt der CSU-Landesgruppe im Kloster Seeon könnte man also entspannt auf das kommende Jahr schauen. Ein Unglücksjahr? Für die Ampelkoalition werde es das ganz sicher, so die Überzeugung in der CSU. Doch auch für CSU und CDU hält 2024 einige Fallstricke bereit.
Europawahl im Juni
Da ist zum einen Anfang Juni die Europawahl. Es ist der erste bundesweite Stimmungstest nach der Bundestagswahl vor zweieinhalb Jahren. Alle Meinungsumfragen belegen derzeit zwar die Unzufriedenheit mit der Ampelkoalition, nur müssen es die Unionsparteien auch schaffen, gefrustete Wähler an sich zu binden.
So ist es nicht verwunderlich, dass die CSU-Landesgruppe in Seeon auch die europäische Zuwanderungspolitik zum Thema macht. Schließlich ist die Migrationsfrage eine, die viele Bürger umtreibt. In dem Beschlusspapier, das dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt, plädiert die Bundestagsfraktion für eine härtere Gangart. Die CSU will ein sogenanntes Drittstaatenmodell für Schutz suchende Flüchtlinge. Also Asylverfahren außerhalb der Grenzen Europas. Die Idee ist nicht neu und wird auch innerhalb Europas seit Monaten diskutiert, zum Beispiel in Großbritannien. Doch es gibt auch zahlreiche Bedenken, ob der Umsetzbarkeit dieses Vorgehens.
Allerdings sind CSU und ihre größere Schwesternpartei CDU im Bund derzeit noch in der Opposition. Sie können so viele Vorschläge machen, wie sie wollen. Die Gesetze macht immer noch die Ampel-Regierung. Deswegen am besten Neuwahlen, findet man in der CSU. Parteichef Markus Söder hat bereits vor ein paar Wochen einen Termin ins Auge gefasst: der 9. Juni, parallel zu den Europawahlen.
Zehn-Punkte-Plan zum Regieren
Auch wenn in der Union nur sehr wenige an eine vorgezogene Bundestagswahl im Frühsommer glauben, will man doch vorbereitet sein. So lesen sich auch die Zehn-Punkte des CSU-Beschlusspapiers wie ein Steinbruch für einen Koalitionsvertrag. Darin ist die Rede von zehn "bürgerlichen Wohlstandsprojekten", wie Entlastungen für den Mittelstand, steuerfreie Überstunden und Steuererleichterungen für Immobilienbesitzer, die energetisch sanieren. Neu ist die Idee eines "Zukunftskontos", durch das der Bundesfreiwilligendienst attraktiver werden soll. Jeder Bundesfreiwillige soll bis zu 5.000 Euro bekommen, um damit sein Studium oder seine Weiterbildung zu finanzieren.
Die CSU diskutiert in Seeon allerdings auch, was sie nicht will. Und zwar zahlreiche Projekte, die die Bundesregierung in den vergangenen Monaten auf den Weg gebracht hat. Auf der Liste stehen zum Beispiel das Bürgergeld und das Heizungsgesetz. Rote Linien für die CSU, die es der Union allerdings auch erschweren, im Fall der Fälle, also dem Scheitern der Ampel, in eine Koalition mit SPD oder Grünen einzutreten.
Es ist ein Dilemma für CSU und CDU. Sie müssen anschlussfähig bleiben, sich aber gleichzeitig klar von der Politik der Ampel-Parteien abgrenzen, um bei den anstehenden Wahlen, die Protestabstimmungen zu werden drohen, zu punkten. Das gilt nicht nur für die Europawahl, sondern insbesondere für die anstehenden Wahlen in Ostdeutschland im Herbst.
Was die Ostwahlen mit der K-Frage zu tun haben
Am Osten und der dort weiter erstarkenden AfD wird man auch in Seeon thematisch nicht vorbeikommen. Sachsens CDU-Landeschef Michael Kretschmer reist am Sonntag an, wohl auch, um sich Rückenwind für seinen Wahlkampf abzuholen. Auch in München wird man gespannt darauf schauen, wie die Sitzverteilung im Landtag in Dresden ausfallen wird.
Das Abschneiden der sächsischen CDU dort könnte einige Auswirkungen auf das Machtgefüge innerhalb der Union haben. Denn die Frage, die immer wieder im Zusammenhang mit den Ostwahlen aufkommt, ist die nach dem Zeitpunkt, zu dem man die Kanzlerkandidatenfrage klärt. Der CSU-Vorsitzende Söder will eine Entscheidung erst nach Landtagswahlen. Einige in der Union spekulieren, Söder setze darauf, dass für ein mögliches schlechtes Abschneiden der CDU deren Vorsitzender Friedrich Merz verantwortlich gemacht werden könnte und sich dann für den CSU-Chef wieder ein Fenster öffne.
Merz der natürliche Kandidat
Für andere in der Partei wie Kretschmer ist die Frage längst entschieden: Merz sei der Favorit. Vor allem die Ost-Verbände haben offenbar wenig Interesse an einer öffentlichen Debatte um die K-Frage während ihrer Wahlkampfzeit und wollen sie deswegen bereits früher im Jahr abräumen. Sollte es aber zu Neuwahlen kommen, wie sie sich auch Söder wünscht, wäre Merz wohl der natürliche Kandidat, da kaum Zeit für Personaldebatten bliebe. Dessen ist sich auch der bayrische Ministerpräsident bewusst. Viele in CSU und CDU graut es noch bei den Gedanken an die zurückliegende Kanzlerkandidatenkür, an das Hin- und Her zwischen Armin Laschet und Söder. Das will niemand mehr.
Doch sollte die AfD in Sachsen, Thüringen und Brandenburg der CDU den Rang ablaufen, dürften sich Debatten in der Union wieder angespannter geführt werden. Mit dem Aberglauben um das Schaltjahr hat es also wenig zu tun, ob das Jahr 2024 für CSU und CDU ein glückliches wird: Es hängt wohl eher von den kommenden Wahlen ab.