Faeser zu Sylt-Video "Aufpassen, dass sich Werte nicht verschieben"
Bundesinnenministerin Faeser hat in der ARD-Sendung Caren Miosga den rassistischen Inhalt des "Sylt-Videos" erneut kritisiert. Gleichzeitig moniert sie, dass Beteiligte in den sozialen Medien namentlich genannt werden.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat die ausländerfeindlichen Parolen im sogenannten Sylt-Video als "menschenverachtend" und "rassistisch" bezeichnet und vor einer Eskalation in der Gesellschaft gewarnt: "Wir müssen aufpassen, dass sich Werte nicht verschieben. Deswegen ist es auch sehr wichtig, dass man dort die Grenzen aufzeigt", sagte Faeser in der ARD-Sendung Caren Miosga. "Das ist etwas, was mir große Sorge bereitet. Es gibt Dinge in unserer Gesellschaft, wo wir wieder mit viel mehr gegenseitigem Respekt und Wertschätzung reagieren sollten. Das muss zurückkommen, auch in politischen Diskussionen."
In dem Video, das seit Ende vergangener Woche in den sozialen Medien im Umlauf ist, sind mehrere Beteiligte dabei zu sehen, wie sie vor dem bekannten Club "Pony" in Kampen auf Sylt feiern und zur Melodie des Techno-Songs "L'amour toujours" des italienischen DJs Gigi D’Agostino die Worte "Deutschland den Deutschen, Ausländer raus" singen. Dabei wird von einem der Beteiligten ein Hitler-Gruß angedeutet und ein Hitler-Bart imitiert.
Das Video sorgte für Entsetzen über die Parteigrenzen hinweg. Der CDU-Parteivorsitzende Friedrich Merz bezeichnete das Gegröle als "völlig inakzeptabel." Auch Bundeskanzler Olaf Scholz verurteilte das Video als rassistisch. Bei der Staatsanwaltschaft Flensburg wurde mehrfach Anzeige wegen Volksverhetzung gegen die Beteiligten in dem Video erstattet.
Faeser kritisiert namentliche Nennung der Beteiligten
Zahlreiche Nutzer haben derweil online versucht, die Protagonisten in dem Video zu identifizieren und auch deren Klarnamen veröffentlicht. Mehrere Arbeitgeber wie die Werbe-Agentur Serviceplan sollen sich von ihren Mitarbeitern getrennt haben, nachdem öffentlich wurde, dass sie in dem "Sylt-Video" zu sehen sind.
Dieses Vorgehen kritisierte Innenministerin Faeser: "Das geht von der einen extremen Richtung in die nächste. Dass man dann Leute offen an den Pranger stellt und dass man das nicht denjenigen überlässt, die dafür da sind, nämlich Strafverfolgungsbehörden, die dann der Anzeige ja auf jeden Fall nachgehen werden und dann auch Täterin oder Täter ermitteln", so Faeser.
Gefahr durch islamistische Anschläge
Zur Gefahr durch islamistische Anschläge während der Fußball-Europameisterschaft in Deutschland, die am 14. Juni beginnt, erklärte Faeser: "Wir nehmen das sehr ernst, was wir hier aktuell sehen." Man habe nie die absolute Sicherheit, wie man 2015 beim Anschlag auf das Bataclan in Paris gesehen habe. Aber eine liberale Demokratie müsse dieses Risiko aushalten, auch wenn alles getan werde, um Anschläge zu verhindern.
Die in Afghanistan ansässige ISPK, ein Ableger der Terror-Miliz "Islamischer Staat", hatte in den vergangenen Monaten mehrfach zu Anschlägen auf Fußball-Stadien während der Europameisterschaft aufgerufen. "Wir erleben eine sehr hohe abstrakte Gefährdung seit den letzten Monaten und das ist leider noch mehr gestiegen seit dem furchtbaren Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober in Israel", so Faeser. "Die Stadien werden sehr stark geschützt. Es gibt nie eine absolute Sicherheit. Aber offene Demokratien müssen in der Lage sein, solche Großveranstaltungen durchzuführen."
Streitpunkt "Muslim Interaktiv"
Ein Streitpunkt der Gesprächsrunde bei Caren Miosga war der Verein "Muslim Interaktiv" und die Debatte um dessen Verbot. Der Verein fordert unter anderem die Einführung eines Kalifats in Deutschland. Sie könne nicht verstehen, warum "Muslim Interaktiv" bisher nicht verboten sei, erklärte die Integrationsbeauftragte von Berlin-Neukölln, Güner Yasemin Balcı, in der Sendung. Die Organisation sei eine Untergruppierung der politischen Partei "Hizb ut-Tahrir", die 2003 bereits verboten worden war, weil sie Gewaltanwendung befürwortet und zum Töten von Juden aufgerufen hatte. Balcı, machte klar, dass von diesen Gruppen eine reale Gefahr ausgehe: "Wir bekommen regelmäßig Anrufe von besorgten Eltern."
Es sei bisher noch nicht so einfach, "Muslim Interaktiv" zu verbieten, entgegnete Faeser. Aktuell werde geprüft, "wenn wir so weit sind, verbieten wir auch", so die Bundesinnenministerin. Für sie sei der Maßstab, ob es juristisch tragbar sei, einen Verein dauerhaft zu verbieten. "Meine Aufgabe ist es zu prüfen, und deshalb kann ich nicht vorher über Vereinsverbote sprechen."
Der Jurist und Journalist Ronen Steinke kritisierte die abwartende Haltung der Bundesregierung zum radikalen Islamismus. Bereits nach dem Massaker der Hamas in Israel am 7. Oktober 2023 sei zu lange gewartet worden, um Vereine wie "Samidoun" zu verbieten, welcher die Hamas öffentlich mit Solidaritätsbekundungen und Demonstrationen unterstützt hatte.
Faeser entsetzt über Hass an Universitäten
Bezüglich der Besetzung der Humboldt-Universität in Berlin durch pro-palästinensische Demonstranten, welche vergangenen Freitag geräumt wurde, erklärte die Innenministerin: "Ich bin zum Teil überrascht darüber, was wir an den Universitäten sehen. Was für ein Hass dort auftaucht." Gleichzeitig müsste aufgepasst werden, dass bei der Reaktion hierauf nicht überzogen werde. "Die Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut." Die SPD-Politikerin sprach sich für mehr Prävention an den Schulen aus, um Antisemitismus vorzubeugen.
"Das ist ein Teil von Wohlstandsverwahrlosung und gipfelt in Personen wie Judith Butler", so die Integrationsbeauftragte Güner Yasemin Balcı. Sie kritisierte die Argumentationsstruktur, in der die Israelis als weiße Kolonialisten bezeichnet und damit den Diskurs an vielen Universitäten bestimmt würden: "Wenn man nicht die Hamas befürwortet, dann hat man schon sehr wenig Spielraum in den Debattenräumen an den Universitäten." Balcı befürchtet eine Gefahr für die Meinungsfreiheit an deutschen Unis.