Rassistische Parolen Sylter Bar stellt nach Rassismus-Eklat Strafanzeige
Junge Menschen feiern auf Sylt - und grölen dabei rassistische Parolen. Der Fall sorgt für Empörung. Die Bar, in der die Party stieg, verteidigt ihr Verhalten und stellt Strafanzeige.
Nach dem rassistischen Vorfall mehrerer Partygäste an Pfingsten haben die Betreiber der betroffenen Bar auf Sylt Strafanzeige gestellt.
Gleichzeitig verteidigten sie ihr Verhalten zum Zeitpunkt des Eklats: "Hätte unser Personal zu irgendeinem Zeitpunkt ein solches Verhalten mitbekommen, hätten wir sofort reagiert. Wir hätten umgehend die Polizei verständigt und Strafanzeige gestellt. Das haben wir mittlerweile tun können", schrieben die Betreiber des bekannten Lokals Pony im Nobel-Urlaubsort Kampen auf Instagram.
Die besagten Personen seien identifiziert und gemeldet worden. "Dieses zutiefst asoziale Verhalten dulden wir nicht. Haben wir nie und werden wir nie. Deshalb gehen wir jetzt mit allen Mitteln dagegen vor." Man sei immer noch geschockt und zutiefst bestürzt. "Rassismus und Faschismus haben keinen Platz in unserer Gesellschaft."
Staatsschutz ermittelt
In der nur wenige Sekunden langen Aufnahme, die sich seit Donnerstag online verbreitet, stimmten die Beteiligten zur Melodie des mehr als 20 Jahre alten Partyhits "L’amour toujours" von Gigi D'Agostino nationalistische und rassistische Parolen an. Ein Mann scheint mit seinen Fingern auf der Oberlippe einen Hitlerbart anzudeuten und wedelt mit der Hand des ausgestreckten rechten Arms im Takt - ein Hitlergruß?
Von den Umstehenden scheint sich niemand daran zu stören. Der Staatsschutz ermittelt wegen Volksverhetzung und des Verwendens verfassungswidriger Kennzeichen.
Der Nachrichtenagentur dpa hatte der Inhaber der Bar, Tim Becker, gesagt, ähnliche Vorfälle habe es dort bisher nicht gegeben. Als Konsequenz wolle man "L'amour toujours" künftig nicht mehr spielen. Die fünf Beteiligten bekommen nach Beckers Überzeugung nicht nur im Pony lebenslanges Hausverbot. "Auf Sylt brauchen die sich gar nicht mehr blicken lassen. Wir haben ganz viele befreundete Gastronomen."
Politiker schockiert
Politikerinnen und Politiker zeigten sich nach dem Bekanntwerden des Vorfalls empört und schockiert. Bundeskanzler Olaf Scholz nannte die Parolen "eklig" und "nicht akzeptabel".
Bundesinnenministerin Nancy Faeser sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: "Wer Nazi-Parolen wie 'Deutschland den Deutschen - Ausländer raus' grölt, ist eine Schande für Deutschland."
Die Antirassismusbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan, nannte die Vorkommnisse "widerlich und unerträglich". Es mache sie fassungslos, dass keiner der anderen Gäste einschreite. "Es zeigt deutlich, dass Rechtsextremismus und Rassismus sich durch alle gesellschaftlichen Gruppen ziehen und eben kein sogenanntes Randphänomen sind. Sie reichen bis tief ins bürgerliche Milieu", so Alabali-Radovan.
Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, zeigte sich gegenüber dem dem Redaktionsnetzwerk Deutschland ebenfalls schockiert: "Nicht etwa, weil mich die Existenz solch menschenfeindlicher Ideologie überrascht, sondern weil sie ganz offensichtlich Teil der Popkultur und in einem Milieu salonfähig geworden ist, dem klar sein müsste, dass Ausländer maßgeblich zu unserem Wohlstand beitragen."
Weiterer Vorfall in Niedersachsen
Sylt ist kein Einzelfall. Am Freitag wurde bekannt, dass es ebenfalls an Pfingsten in Niedersachsen zu einem ähnlichen Fall kam. Auch auf dem Schützenfest in Löningen wurden rassistische Parolen gegrölt, auch zu "L’amour toujours". Zeugen, die das Geschehene gefilmt hatten, zeigten den Vorfall bei der Polizei an. Auch dort ermittelt der Staatsschutz.
Der Schützenverein Bunnen distanzierte sich in einem Beitrag auf der Plattform Instagram von dem Vorfall. Erst am folgenden Dienstag habe der Vorstand davon erfahren und daraufhin gegenüber Besuchern des Schützenfests die Parolen verurteilt. Der Verein sei vielfältig und heiße jeden willkommen. Der Vorfall solle noch weiter aufgearbeitet werden.
Auch in den vergangenen Monaten gab es mehrfach rechtsextremistische Zwischenfälle, bei denen Feierende zu dem Partyhit öffentlich die Textzeilen "Deutschland den Deutschen, Ausländer raus" sangen.
So soll im April bei einer Party nach einem Landeskongress der Jungen Liberalen (Julis) Bayern mindestens ein Mitglied des FDP-Nachwuchses die rassistische Parole "Deutschland den Deutschen, Ausländer raus" skandiert haben. Gegen diesen und ein weiteres Mitglied wurden demnach umgehend Ordnungsmaßnahmen mit dem Ziel eines Juli-Ausschlusses eingeleitet - der Erste von beiden ist inzwischen selbst ausgetreten.
Bei einem Faschingsumzug im bayerischen Landsberg am Lech gab es im Februar einen ähnlichen Vorfall: Dort sollen Mitglieder der Landjugend die rassistischen Parolen gerufen haben, als das Lied auf einem Wagen gespielt wurde. Ebenso am Rande eines AfD-Landesparteitags im Januar im bayerischen Greding, wo Feiernde in einer Diskothek rassistisch mitgegrölt haben sollen - darunter nach BR-Recherchen auch AfD-Mitglieder.
Expertin sieht Normalisierung rechtsextremer Inhalte
Für die Rechtsextremismusexpertin Pia Lamberty zeigen der Fall Sylt und ähnliche eine Normalisierung rechtsextremer Inhalte in der Gesellschaft. "Ohne dass es irgendeine Form von Widerspruch gibt, werden die sozialen Normen einfach gebrochen", sagte die Co-Geschäftsführerin des Centers für Monitoring, Analyse und Strategie (Cemas), das Radikalisierungstendenzen und Verschwörungserzählungen im Netz untersucht, der Nachrichtenagentur dpa. "Menschen können ohne Scheu in der Öffentlichkeit extreme Parolen äußern."
Der Song von Gigi D'Agostino sei mittlerweile immer mehr mit den rassistischen Parolen verknüpft, sagt Lamberty. "Das macht ja auch was im Gehirn." So schafften Rechtsextreme eine Akzeptanz solcher Parolen in der breiten Gesellschaft. Für die Cemas-Expertin verdeutlicht der Fall: "Rechtsextremismus ist nicht nur ein Problem, das man in Ostdeutschland sieht oder bei Menschen, die ein geringeres Einkommen haben, sondern auch bei höheren Schichten."