Thorsten Frei und Friedrich Merz stimmen im Bundestag per Handzeichen ab
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Bundestag beschließt Finanzpaket Milliarden da, Glaubwürdigkeit beschädigt

Stand: 18.03.2025 21:21 Uhr

An Geld dürfte es einer neuen schwarz-roten Regierung nicht fehlen. Doch der Weg zu einer Mehrheit für das Finanzpaket war vor allem für Friedrich Merz schmerzhaft. Der wohl künftige Kanzler hat ein Glaubwürdigkeitsproblem.

Eine Analyse von Torben Ostermann, ARD-Hauptstadtstudio

Den Besuchergruppen, die zufällig eine Besichtigung des Deutschen Bundestages für diesen 18. März gebucht hatten, wurde einiges geboten. Statt den Handwerkern dabei zuzusehen, wie sie die markanten blauen Stühle abschrauben und umstellen, wurden die Besucher Zeugen einer historischen Entscheidung.

Nach mehr als drei Stunden Debatte, in der viele bereits bekannte Argumente noch mal ausgetauscht wurden, stand schließlich die Mehrheit. Die Mehrheit bestehend aus den Stimmen von CDU/CSU, SPD und der Grünen. Der Deutsche Bundestag in seiner alten Besetzung hat auf den letzten Drücker, in einer Sondersitzung, das Grundgesetz geändert, um zusätzliche Schulden in Milliardenhöhe aufzunehmen. Zusätzliches Geld für Infrastruktur, Verteidigung und mehr Geld für Investitionen der Länder.

Schmerzhafter Weg zur Mehrheit

Doch der Weg hin zur Mehrheit war vor allem für einen Mann ziemlich schmerzhaft. Dieser Mann heißt Friedrich Merz (CDU), ist 69 Jahre alt und will der zehnte Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland werden. Es ist jener Friedrich Merz, der im Wahlkampf stets gegen solche Milliardenprogramme argumentierte und sich sogar lustig machte über die, die genau das forderten, was er nun mit Mühe und Not zustande brachte.

Merz musste sich in der ungewöhnlichen Sitzung allerhand anhören. Die teilweise wüsten Beschimpfungen der anwesenden AfD-Abgeordneten dürften ihn dabei noch am wenigsten gestört haben. "Pinnocchio-Fritze" rief einer, "Wahlbetrüger" ein anderer.

Doch auch die anderen Parteien, mit Ausnahme des künftigen Koalitionspartners SPD, gingen mit Merz hart ins Gericht. Von Johannes Vogel (FDP) musste er hören, dass er mit alten Mehrheiten genau das Gegenteil dessen machen würde, was er vor der Wahl versprochen habe.

Haßelmann legt den Finger in die Wunde

Und auch die Co-Vorsitzende der Grünen, Britta Haßelmann, legte den Finger erneut und gleich mehrfach in die Wunde. Anders als Merz stets behaupte, habe sich die Lage eben nicht plötzlich verändert. Auch im Wahlkampf sei schon erkennbar gewesen, welche Auswirkungen die Wahl Donald Trumps für Europa habe, so Haßelmann.

Ebenfalls erkennbar sei auch gewesen, wie groß der Investitionsbedarf in Kitas, Brücken und Krankenhäuser ist. "All das haben Sie mit so viel Überheblichkeit abgelehnt, dass einem schlecht werden konnte", so Haßelmann in Richtung Merz. Das sitzt. Es sitzt, weil da was dran ist.

Es waren nämlich vor allem Vertreter von CDU und CSU, die den Grünen und der SPD Ahnungslosigkeit vorwarfen. Die gleichen Vertreter der Union, die nun für die massive Neuverschuldung gestimmt haben. Allein deswegen müssten Merz die Sätze Haßelmanns ziemlich unangenehm sein.

Union und SPD mit neuem Umgangston

Vieles an dieser Sitzung wirkte schräg. Vorne saßen die Reste der Ampel-Regierung, inklusive Noch-Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Im Plenum hunderte Abgeordnete, die am Wahltag rausgewählt wurden und nun noch über Grundgesetzänderungen abstimmen dürfen oder müssen.

Auffällig war aber auch, wie geschmeidig Union und SPD bereits im Umgang miteinander sind. Lars Klingbeil lobte den "historischen Kompromiss" und betonte, dass dieser nicht selbstverständlich sei. Applaus dafür kam auch aus den Reihen der Union.

Auch Friedrich Merz probierte es mit großen Worten, keine Spur mehr vom angriffslustigen Oppositionsführer. Der Sauerländer übt dieser Tage, Kanzler zu sein. Merz zeichnete das große Bild und zog historische Parallelen. Auf Deutschland komme es jetzt an. Jetzt, wo ein Krieg gegen Europa stattfinde.

Startschuss für harte Verhandlungen mit der SPD

So richtig diese Sätze, so schwierig war der Weg dahin, die großen Aufgaben angemessen zu finanzieren. Merz startet mit einem Wortbruch in die Regierungsbildung. Seine Partei erwartet, dass er sich in den wesentlichen Punkten gegen die SPD durchsetzt. Die von Merz im Wahlkampf angekündigte Wende in den Bereichen Migration und Wirtschaft muss er nun in konkrete Verhandlungsergebnisse überführen.

Das wird schwierig genug. Denn die SPD weiß, dass nur mit ihnen eine Koalition innerhalb der demokratischen Mitte gebildet werden kann. Das macht die Verhandlungen nicht einfacher.

Nächste Hürde: Bundesrat

Doch nun richtet sich der Blick erstmal in Richtung Bundesrat. Denn die Zustimmung im Bundestag ist nur der erste Schritt. Auch die Länderkammer muss mit einer Zweidrittelmehrheit zustimmen.

Nach der Meldung aus Bayern, dass Söder seinen Koalitionspartner, die Freien Wähler, überzeugen konnte, ist das Aufatmen im Konrad-Adenauer-Haus förmlich zu hören gewesen. Und so könnte diese Woche für Friedrich Merz versöhnlich zu Ende gehen.

An Geld dürfte es seiner schwarz-roten Koalition vorerst nicht fehlen. Aber Glaubwürdigkeit lässt sich nicht mit Milliardenbeträgen zurückkaufen. Glaubwürdigkeit muss man sich erarbeiten. Vor allem, wenn man Kanzler sein will.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 18. März 2025 um 16:00 Uhr.