Bundestag und Bundesrat Fristverkürzungsbitten auf niedrigstem Stand seit 2019
Werden immer mehr Gesetze im Eilverfahren durch Bundestag und Bundesrat gejagt? Eine Auswertung zeigt: Im ersten Jahr der Ampel gab es besonders viele Fristverkürzungen. Mittlerweile ist die Zahl zurückgegangen.
Bundestag und Bundesrat haben heute das sogenannte Solarpaket verabschiedet. Die Abstimmung in beiden Häusern erfolgte damit am selben Tag. Dafür war es nötig, dass der Bundesrat einer sogenannten Fristverkürzung zustimmt. Laut übereinstimmenden Quellen aus dem Bundesrat hat die Ländervertretung dieser Fristverkürzung aber mit deutlicher Mehrheit zugestimmt.
Über das Mittel der Fristverkürzung gab es aber in der Vergangenheit immer wieder Konflikte zwischen Bund und Ländern. Die Länder fühlten sich durch die Fristverkürzungsbitten von Bundesregierung und Bundestag oft unter Druck gesetzt, Entscheidungen schnell treffen zu müssen, ohne ausreichend Zeit zu Prüfung und Meinungsbildung zur Verfügung zu haben. Immer wieder kommt auch der Vorwurf auf, die Zahl Fristverkürzungsbitten nehme stetig zu. Doch stimmt das?
Dem ARD-Hauptstadtstudio liegt eine interne Auswertung des Bundesrates vor. Die Statistik reicht zurück bis ins Jahr 2010. Das Papier unterscheidet zwischen den sogenannten Zuleitungen aus dem Bundestag und denen von der Bundesregierung.
Wenn die Bundesregierung Fristverkürzungsbitten an den Bundesrat richtet, geht es meistens um Gesetzentwürfe. Dabei hat die Länderkammer das Recht, sich noch vor dem Deutschen Bundestag in einer Stellungnahme zu äußern. Dafür hat der Bundesrat normalerweise sechs Wochen Zeit. Oft würde die Bundesregierung dieses Verfahren aber gerne abkürzen und stellt eine Fristverkürzungsbitte.
Bei Zuleitungen des Bundestages geht es um vom Parlament beschlossene Gesetze. Zum Beispiel das Solarpaket. Normalerweise braucht so ein Gesetz drei Wochen bis der Bundesrat darüber entscheidet. Hier kann aber der Bundestag eine Fristverkürzungsbitte stellen und diesen Zeitraum mit Zustimmung des Bundesrates verkürzen.
Kontinuierliche Steigerung unter Merkel
Aus dem Papier des Bundesrates geht hervor, dass es auch in den vergangenen Jahren immer eine große Anzahl von Fristverkürzungsbitten gab. Zu den Zeiten der schwarz-gelben Koalition im Jahr 2011 zum Beispiel bei 9,68 Prozent der Zuleitungen von Bundesregierung und Bundestag.
Im weiteren Verlauf der Kanzlerschaft von Angela Merkel steigerte sich die Zahl kontinuierlich. Im Jahr 2017 waren 25,33 Prozent der Verfahren mit einer Fristverkürzungsbitte versehen. Zum Ende der Ära Merkel im Jahr 2021 stieg der Anteil auf 27,52 Prozent. Insgesamt gab es 2021 136 Bitten auf Fristverkürzung.
Höhepunkt im ersten Jahr der Ampelregierung
Die meisten Fristverkürzungsbitten stellten Bundestag und Bundesrat aber im ersten kompletten Jahr der Ampelkoalition. Bei rund 43 Prozent aller Verfahren wollten Regierung oder Koalition eine Fristverkürzung. Aus Länderkreisen heißt es aber, das sei erklärbar. 2022 habe der russische Angriffskrieg in der Ukraine begonnen. Deutschland sei dadurch auch in eine Krisenlage gekommen, auf die es oft nur kurzfristige Antworten gegeben habe.
Im Jahr 2023 hat sich die Zahl der Fristverkürzungsbitten wieder deutlich reduziert. Mit 19,75 Prozent lag der Wert wieder unter dem Durchschnitt der letzten Merkel-Regierung, und auch im laufenden Jahr 2024 gibt es bisher keine Hinweise auf stark steigende Zahlen. Besonders die Anzahl der Bitten der Bundesregierung ist deutlich kleiner geworden.
Aus Länderkreisen heißt es, Bundesregierung und Bundestag gingen inzwischen sehr sensibel mit dem Thema um und nähmen wieder mehr Rücksicht auf die Länder.
Wer entscheidet darüber?
Entschieden wird über die Fristverkürzungsbitten immer im ständigen Beirat des Bundesrates. Dieses Gremium setzt sich aus den sogenannten Bevollmächtigten der Länder beim Bund zusammen.
Hier wird abgewogen, ob beim anstehenden Verfahren wirklich eine Fristverkürzung alternativlos ist oder ob die Länder sich doch die ihnen zustehende Zeit nehmen können. Denn nicht jeder Bitte auf Fristverkürzung stimmen die Länder auch automatisch zu.