Energiekrise Zweifel an der Gasumlage wachsen
Immer lauter werden die kritischen Stimmen an der Gasumlage - auch in den Reihen der Ampelkoalition. Der Knackpunkt: Auch Konzerne, die Gewinne machen, könnten profitieren. Das müsste aus Sicht viele Kritiker verhindert werden.
Erst vor kurzem hat die Bundesregierung die Einführung der Gasumlage zum 1. Oktober angekündigt - doch die Zweifel und die Kritik an der Umlage und deren Ausgestaltung wachsen noch vor deren Start. Auch in den Reihen der Ampelkoalition mehren sich die kritischen Stimmen. Denn von der Gasumlage könnten auch Firmen profitieren, denen es finanziell gut geht.
Grüne werben erneut für Übergewinnsteuer
"Natürlich stört es auch mein Gerechtigkeitsempfinden, wenn Unternehmen, die an anderen Stellen große Gewinne machen, jetzt ihre Kosten frühzeitig auf die Verbraucherinnen und Verbraucher umlagern wollen", sagte die Grünen-Co-Vorsitzende Ricarda Lang.
Zugleich aber sei es rechtlich ziemlich schwierig, die Datenlage nur auf einzelne Unternehmen, die systemrelevant oder insolvenzbedroht seien, zu beschränken. In Situationen, in denen Recht und Gerechtigkeit auseinanderklafften, brauche es politische Lösungen.
Deshalb bringt Lang wieder die Übergewinnsteuer ins Spiel. Die logische Konsequenz sei eine Übergewinnsteuer für Energiekonzerne, sagte Lang. Zweck der Gasumlage sei es, die Versorgungssicherheit sicherzustellen, Insolvenzen von Versorgern zu verhindern und dafür zu sorgen, dass es nicht zu Gasmangellagen im Herbst und Winter komme.
SPD: "Nur für Unternehmen, die bedroht sind"
Auch der SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch sieht offene Fragen bei der umstrittenen Gasumlage. Er sagte der Nachrichtenagentur dpa: "Die SPD-Fraktion wird darauf dringen, dass nur Anträge auf finanzielle Entlastung von den Unternehmen erfolgreich sein können, die durch die aktuelle Preisentwicklung in ihrer Existenz bedroht sind. Das muss sichergestellt sein."
Nicht umsonst habe der Bundestag im Energiesicherungsgesetz ein zweimonatiges Interventionsrecht des Parlaments verankert, so Miersch. "Zugleich ergeben sich Fragen, inwieweit wir alternative Wege der Entlastung für diese Unternehmen gehen können - jenseits einer Umlage, wie durch den Einsatz von Steuergeldern."
Auch SPD-Chefin Saskia Esken drängt auf eine gerechte Verteilung der dadurch erzielten Hilfen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck müsse "dafür sorgen, dass Leistungen aus der Gasumlage der wirtschaftlichen Gesamtsituation der Konzerne gerecht werden". Unternehmen, die in anderen Sparten abseits des Gasimports "mehr als gutes Geld verdienen", müssten sich selbst helfen, mahnte Esken in der "Rheinischen Post".
Erhoben wird die Gasumlage bei allen Verbrauchern, die mit Gas heizen: Sie müssen ab dem 1. Oktober 2,4 Cent mehr pro Kilowattstunde bezahlen, egal von welchem Versorger sie ihr Gas beziehen. Es müssen also auch Kunden derjenigen Unternehmen die Umlage zahlen, die sie gar nicht Anspruch nehmen.
Die Einnahmen aus der Umlage werden an die Gasimporteure verteilt, um ihre höheren Kosten bei der Gasbeschaffung auszugleichen, weil die russischen Lieferungen so stark gedrosselt sind - und sie das Erdgas anderswo einkaufen müssen. Die Firmen mussten sich im Vorfeld bei der Trading Hub Europe registrieren lassen - aktuell sind zwölf Unternehmen registriert. Wie viel die einzelnen Unternehmen ausgezahlt bekommen, hängt von der Höhe der geltend gemachten finanziellen Ausgleichsansprüche ab.
FDP: Regelungen müssen nachgeschärft werden
Der Knackpunkt der Kritik an der Gasumlage ist die Frage: Wer wird und sollte von ihr profitieren? Michael Kruse, energiepolitischer Sprecher der FDP, beantwortete die Frage im Gespräch mit der "Rheinischen Post" so: "Die Gasumlage ist ein Instrument, das in Schieflage geratene Unternehmen stabilisieren soll. Es sollten damit ausschließlich Unternehmen unterstützt werden, die sich in einer marktgefährdenden Schieflage befinden."
Andere Energiekonzerne wie RWE oder Shell haben bereits angekündigt, die Gasumlage nicht nutzen zu wollen. Doch prinzipiell hat jeder Versorger die Möglichkeit, sie in Anspruch zu nehmen. Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums ist eine drohende Insolvenz keine Voraussetzung, um Finanzmittel aus der Umlage zu erhalten.
Bundesjustizminister Marco Buschmann hatte bereits Mitte der Woche vor "Mitnahmeeffekten" gewarnt und an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck appelliert, sich auf dieses "potenzielle Problem" vorzubereiten. Auch FDP-Mitglied Kruse drängte nun erneut darauf, dass die Regelungen rund um die Gasumlage nachgeschärft werden müssten.
Union will Umlage wieder abschaffen
Bisher war vor allem aus den Reihen der Union scharfer Widerstand gegen die Gasumlage gekommen. Unions-Fraktionsvize Jens Spahn nannte sie eine "Chaos-Umlage", die eine "Umverteilung von unten nach oben" zur Folge haben werde.
CDU-Vize Carsten Linnemann sagte den Zeitungen der Mediengruppe Bayern, die Gasumlage habe "mit Sozialer Marktwirtschaft nicht mehr viel zu tun". Die Konzerne sollten "wie seinerzeit die Lufthansa in der Corona-Krise das Geld zurückzahlen müssen".
Auch CDU-Generalsekretär Mario Czaja lehnte die Gasumlage als "unsozial" ab und forderte, sie umgehend wieder abzuschaffen. Das will die Unionsfraktion demnach durch einen Antrag im Bundestag erreichen, mit dem sie die Gasumlage erneut zur Abstimmung stellen will.
Bundesnetzagentur warnt
Vor vorschnellen Urteilen warnte hingegen der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller. "Ich kann den Ärger verstehen, es geht aber nur ein kleiner Teil der Umlage an Unternehmen, die das nicht wirklich benötigen, um eine Insolvenz abzuwenden", sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (NOZ). Er glaube, die Umlage sei "zielgenauer als ihr Ruf, auch wenn das so bisher nicht offen nachvollziehbar ist".