Generaldebatte im Bundestag Regierungskurs "beherzt" oder "miserabel"?
Bei der Generaldebatte im Bundestag haben sich Regierung und Opposition einen Schlagabtausch geliefert. Kanzler Scholz lobte die Arbeit seiner Regierung, um Deutschland krisenfest zu machen. Die Union sieht schwere Versäumnisse.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat den Kurs der Ampelkoalition gegen Kritik der Opposition verteidigt. "Diese Bundesregierung hat in zwölf Monaten mehr in Gang gebracht, umgesetzt und aufgeräumt, als in den Regierungen der vergangenen zwölf Jahre möglich war", sagte er in der Generaldebatte zum Haushalt 2023 im Bundestag.
Unionsfraktionschef Friedrich Merz hatte der Koalition "handwerklich miserables Regierungshandeln" vorgehalten. Die Lage für Millionen Menschen und Unternehmen werde von Tag zu Tag schwieriger. Er verwies auf Unklarheiten bei Hilfen für Rentner und Studierende und bei der geplanten Gaspreisbremse.
Scholz wiederum warf Merz eine verzerrte Darstellung der Wirklichkeit vor. Dessen Rede zum Auftakt der Debatte habe ihn an "Alice im Wunderland" erinnert, sagte der SPD-Politiker. "Was in Wahrheit groß ist, das reden Sie klein. Und umgekehrt. Was eigentlich passiert ist und wer dafür verantwortlich war, das alles verschwimmt. Und was zunächst logisch klingt, ist in Wahrheit blanker Unsinn."
Bartsch: "Verarmungslawine" droht
Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch sprach bei der Debatte von Chaos und unzureichenden Hilfen in der Energiekrise. "Viele Menschen fühlen sich nicht beschützt und unterstützt", sagte Bartsch. Der Haushalt sei "Wellness für die Wohlhabenden und unterlassene Hilfeleistung" für die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger. Im Winter drohe eine "Verarmungslawine".
Der Kanzler dagegen sieht Deutschland mit Blick auf die Energiekrise nach eigenen Angaben gut gewappnet für den Winter. Scholz verwies auf volle Gasspeicher, Flüssiggasterminals, neue Lieferverträge, das Wiederanlaufen der Kohlekraftwerke und den Weiterbetrieb von Kernkraftwerken. Die Bundesregierung habe "beherzt umgesteuert", sagte Scholz. Die Bundesregierung könne den Anstieg der Energiepreise zwar nicht vollständig wegsubventionieren. "Aber wir reduzieren ihn auf ein verträgliches Maß."
Er verwies darauf, dass die Umsatzsteuer auf Gas- und Fernwärme abgesenkt wird sowie auf die Dezember-Einmalzahlung für Gas- und Wärmekunden. Außerdem stünden nun die Rahmenbedingungen für die Gas-, Wärme- und Strompreisbremsen für Privathaushalte sowie für Unternehmen. Diese sollen zum 1. März in Kraft treten. Ausgezahlt werden solle dann nicht nur eine Entlastung für den Monat März, sondern rückwirkend auch für die Monate Januar und Februar.
Scholz: "'Weiter so' ist keine Option"
Scholz sagte, es sei richtig, dass die Bundesregierung einmalig die große Summe von 200 Milliarden Euro aufbringe. Ziel sei es, Strukturbrüche, energiepreisbedingte Firmenpleiten und den Verlust Hunderttausender Arbeitsplätze zu verhindern.
Wenn die "Zeitenwende" und die globalen Krisen eines gelehrt hätten, sei es dies: "Unser Land braucht Veränderung. Ein bloßes 'Weiter so' ist keine Option", sagte Scholz. Mit Blick auf Unionsfraktionschef Merz ätzte er: "Die Partei des 'Weiter so' sitzt jetzt in der Opposition. Und da gehört sie auch hin."
Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge mahnte bei der Generaldebatte mehr Bemühungen beim Klimaschutz an: "Wer die Klimakrise ernst nimmt, der weiß, dass wir uns deutlich mehr werden anstrengen müssen." Vor allem im Verkehrssektor müsse das Tempo deutlich zunehmen, so Dröge. Der Kohleausstieg im Osten müsse umgesetzt und eine Solarpflicht auf allen Dächern eingeführt werden.
Merz wittert Wortbruch
CDU-Chef Merz hatte dem Kabinett von Scholz zuvor auch schwere Versäumnisse nach Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine vorgeworfen. Die Regierung halte ihre verteidigungspolitischen Zusagen nicht ein. Entgegen der Ankündigung von Scholz, die Verteidigungsausgaben ab sofort auf mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen, werde der Verteidigungshaushalt von diesem auf das nächste Jahr schrumpfen, sagte Merz. "Das ist ein grober Wortbruch gegenüber dem Parlament und vor allem gegenüber der Bundeswehr."
Auch mit dem Verfahren rund um das Sondervermögen für die Bundeswehr von 100 Milliarden Euro zeigte sich der CDU-Chef unzufrieden. "Es ist bis zum heutigen Tag nicht ein einziger neuer Auftrag erteilt und nicht eine einzige Ausschreibung veröffentlicht worden", sagte Merz. "Ein solcher Umgang mit Ihren eigenen Zusagen, Herr Bundeskanzler, und der Umgang mit unseren Partnern in der NATO und in der Europäischen Union löst zu Recht Befremden und erhebliches Misstrauen aus."
"Ständiger Streit der Minister"
Merz beschuldigte den Bundeskanzler, eine Chance vertan zu haben. Scholz habe am 27. Februar, drei Tage nach Kriegsbeginn, eine "wirklich bemerkenswerte Regierungserklärung" gehalten. Mit dem Begriff der "Zeitenwende" habe der Kanzler eine "große Veränderungsbereitschaft" im Land ausgelöst. Stattdessen aber befasse sich die Regierung "immer noch" mit dem "Klein-Klein Ihres Koalitionsvertrages" und versinke im "ständigen Streit" der Ministerinnen und Minister.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hielt der Bundesregierung unter anderem in der Haushalts- und Verteidigungspolitik Versagen vor. "Mir fällt ehrlich bei dieser Bundesregierung nur eins ein: Jim Knopf und der Scheinriese", so Dobrindt. "Je näher man Ihrer Bundesregierung kommt, umso kleiner werden Ihre politischen Leistungen."
FDP-Fraktionschef Christian Dürr warf der Union wiederum jahrelanges Versagen in der Handelspolitik vor. "Nichts haben Sie erreicht beim Freihandel, gar nichts!", rief er in Richtung Unionsfraktion. Die Union habe in 16 Jahren keinem einzigen Freihandelsabkommen im Bundestag zugestimmt. Dabei gehöre der freie Handel zum Geist der Zeitenwende, die Scholz im Frühjahr ausgerufen hatte. "Deutschlands wirtschaftliche Stärke muss basieren auf Diversifizierung, freiem Handel, Kooperation, Weltoffenheit und Demokratie. Denn was wir jetzt brauchen, ist doch mehr Austausch und Handel mit den Demokratien der Welt."