Kanzler Scholz im Bundestag.
Kommentar

Generaldebatte im Bundestag Scholz auf Sparflamme

Stand: 23.11.2022 13:57 Uhr

Was war es doch für ein leidenschaftlicher Auftritt des Kanzlers, damals im September im Bundestag. Heute dagegen redete wieder der alt-bekannte Olaf Scholz: viel Klein-Klein, viel Rückblick. Chance vertan.

Ein Kommentar von Tina Handel, ARD-Hauptstadtstudio

Psychologen empfehlen oft, sich nicht zu sehr mit anderen zu vergleichen. Ob man sich ab und zu mit sich selbst vergleichen sollte - dazu sind die Aussagen nicht so klar. Olaf Scholz könnte man nach dieser Generaldebatte im Bundestag durchaus vorschlagen, es einmal zu probieren: den Vergleich mit sich selbst. Mit "Scholz on fire" nämlich, also dem erstaunlich leidenschaftlichen Bundeskanzler, der Anfang September am Pult stand - und eine Rede hielt, die ihm so, nach zahlreichen eher trockenen Auftritten, wenige zugetraut hatten.

Kurz gesagt: Dieses Mal war es wieder der alte Olaf Scholz. Nicht on fire. Eher auf Sparflamme. Einer, der sehr viel in den Topf wirft und dabei teils im Klein-Klein verhaftet wirkt. Der dann dieselben Zutaten wieder und wieder umrührt. Noch mal nachschmeckt. Und dabei doch irgendwie fad bleibt.

Bei seiner Rede im September hat Scholz seinen politischen Kontrahenten, Oppositionschef Friedrich Merz, noch oft direkt angeschaut und bissig kommentiert. Dieses Mal zeigte schon ein kleiner Moment zu Beginn der Rede, dass ein anderer Scholz spricht: "Als ich Ihnen gerade zugehört habe, musste ich an Alice im Wunderland denken", sagte er. "Was in Wahrheit groß ist, reden Sie klein und umgekehrt." Scholz liest diese Sätze vom ausgedruckten Manuskript ab. Fast wirkt es so, als sei selbst diese Reaktion, die doch Spontaneität, Dialog und den Kampf der Argumente vermitteln soll, schon länger durchgeplant. Als gäbe es gar keinen Raum für echten Schlagabtausch.

Noch ein anderer Vergleich Scholz versus Scholz: Von "Zeitenwende" hat der Kanzler in seiner Regierungserklärung im Februar, kurz nach Kriegsbeginn, gesprochen. Nun klingt dieser Umbruch bei Scholz deutlich kleiner: Ein "geordneter Pfadwechsel" sei beispielsweise die politische Konsequenz, die man in der Verteidigungspolitik ziehe. Deshalb dauere es eben, bis die Bundeswehr neu aufgestellt ist und sinnvolle Investitionen für das 100-Milliarden-Sondervermögen gefunden sind, so die Kanzlerargumentation.

Insgesamt schaute Scholz viel zurück. In dieser Rede dominierten Perfekt und Präteritum. Es gab wenig Präsens und Futur. China-Reise, Deutschlandticket, Kohlekraftwerke, Kindergeld - er hakte viel ab, was die Koalition als Erfolge der vergangenen Monate ins Schaufenster stellen will. Dabei wäre diese Rede die Chance gewesen, zu Beginn des Winters auf die nächsten Monate zu schauen. Und Antworten zu geben auf die vielen Fragezeichen, die viele Menschen haben, die gerade Briefe von ihren Energieversorgern erhalten.

In zwei Wochen wird die Ampel ein Jahr alt. Natürlich war es ein wahnsinniger Ritt. Gesetze im Eiltempo und immer neue Herausforderungen. Ein bisschen Müdigkeit vor der Adventszeit wäre nicht überraschend. Und doch wäre der erste Geburtstag ein guter Moment für neuen Schwung - denn Schulterklopfen allein wird die Koalition nicht über den Winter bringen.

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Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete MDR Aktuell am 23. November 2022 um 13:05 Uhr.