Gerhard Schröder wird 80 Das schwarze Schaf der deutschen Sozialdemokratie
Der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder wird heute 80. Aus seiner Partei wird dem Sozialdemokraten wohl kaum einer gratulieren. Die SPD hat sich wegen seiner Freundschaft zu Russlands Machthaber Putin distanziert.
Der Machtmensch, der erste Medienkanzler und derzeit sicher umstrittenste Sozialdemokrat Gerhard Schröder feiert seinen 80. Geburtstag. Seine Partei allerdings dürfte heute offiziell nicht gratulieren. Die SPD und Schröder liegen seit dessen Weigerung, sich von Putin und dessen Ukraine-Kurs zu distanzieren, über Kreuz. Dem Basta-Kanzler von einst dürfte das ziemlich egal sein.
"Ich warte noch heute auf die Überschrift: Danke Kanzler." So klang der typische Schrödersound. Auf dieses "Danke Kanzler" dürfte Gerhard Fritz Kurt Schröder heute trotz seines 80. Geburtstags erneut vergeblich warten. Aber vielleicht gibt es ja wieder singende Kosaken wie zu seinem 60. Geburtstag. Damals, vor 20 Jahren, erschien Wladimir Putin samt Kosakenchor im niedersächsischen Hannover.
"Man hat natürlich lieber Lob als Kritik"
Aber auch die Zeiten haben sich geändert. Putin dürfte zum 80. nicht auftauchen. Er steht als mutmaßlicher Kriegsverbrecher auf der Fahndungsliste und Schröder seit längerem auf dem Index zumindest weiter Teile einer SPD, die wie Bundestagspräsidentin Bärbel Bas eher Mitleid empfindet. "Am Ende ein politisches Erbe selbst zu zerstören, finde ich einfach nur traurig", so die Sozialdemokratin.
Einen Schröder aber kümmert auch an seinem 80. Geburtstag vermutlich wenig, was andere über ihn denken. Das jedenfalls sagte Schröder einst in einer ARD-Dokumentation auf die Frage, ob es ihm wichtig sei, wie andere Menschen ihn sehen würden: "Nicht unbedingt. Aber man hat natürlich viel lieber Lob als Kritik. Keine Frage. Aber das bestimmt nicht mein Leben", sagt Schröder.
Sein Leben, das teilt sich mittlerweile in ein Davor und ein Danach. Spätestens nach Beginn der russischen Invasion in der Ukraine nämlich ist aus dem angesehenen Agendakanzler, dem Nein-zum-Irakkrieg-Sozi, dem Kosovo- und Afghanistan-Kriegskanzler ein vermeintlicher Russlandversteher geworden.
Er bleibt sich und Putin treu
Unlängst beschrieb Schröder seine SPD als Schafstall. Von außen rieche es ein wenig streng. Drinnen aber sei es schön warm. Der Altkanzler allerdings ist heute das schwarze Schaf der deutschen Sozialdemokratie.
Schröder ist das zumindest öffentlich egal. Er bleibt, was seine Freunde entschlossen und seine Kritiker starrsinnig nennen. Er bleibt sich und Putin treu.
"Das muss an mir liegen. Nach dem, was ich alles hinter mir habe, überrascht mich wenig." Sowohl was Lob als auch was Kritik angehe, sagte Schöder einmal im Gespräch mit Reinhold Beckmann. Dabei ist dieser Gerhard Schröder doch niemand, der von sich sagt, er verändere sich nie. "Das wäre doch komisch, wenn sich Menschen im Laufe eines langen Lebens nicht veränderten."
Der Agenda-2010-Kanzler
Der 27. Oktober 1998 war auch so ein Datum, als sich der Niedersachse Schröder und seine Welt nachhaltig veränderten. "Gerhard Schröder ist neuer Bundeskanzler. Guten Abend meine Damen und Herren", verlas tagesschau-Sprecherin Ellen Arnhold am Tag der Vereidigung um 20 Uhr.
Die Damen und Herren dieser Republik erlebten seither einen Schöpfer der Hartz-Gesetze, den Agenda-2010-Kanzler, einen Machtmenschen, der seinen Brecht gut kennt und auch die Geschichte von Herrn Keuner, dem ein Freund einmal sagte, er habe sich ja gar nicht verändert. "Oh, sagte Herr K und erbleichte", zitiert Schröder die Brecht-Erzählung.
"Natürlich verändert ein Mensch sich im Laufe seines Lebens. Ich auch", sagt der gelernte Anwalt, der einst in ärmsten Verhältnissen groß wurde.
Trotz allem kein böses Wort über die SPD
Aber die eine Konstante bei Gerhard Schröder, die bleibt, ist seine Freundschaft mit Wladimir Putin. Zum 70. Geburtstag reiste Schröder damals nach Sankt Petersburg und ließ sich dort von seinen russischen Geschäftspartnern und von Putin feiern.
Und schon damals schimmerte wahlweise Sturheit oder Starrsinn durch. "Das ist einer jener Punkte, wo ich mir nicht vorschreiben lasse, was ich zu tun und zu lassen habe." Basta, hätte er noch nachschieben können.
Von Schröder selbst aber trotz allem kein böses Wort über seine SPD, die ihn 1998 zum Kanzler machte, ihn später verbannte, ihn vergeblich ausschließen wollte, ihn zu keinen Parteitagen mehr einlädt und ihn auch heute nicht feiert.
Typisches Schröder-Lob für Scholz
Dabei hat dieser Schröder, sagte der Niedersachse und Weggefährte Sigmar Gabriel einst, durchaus eine andere, eine sehr weiche Seite. "Wenn man merkt, dass er Sozialdemokrat nicht der Karriere wegen geworden ist." Etwa, wenn Schröder über seine Herkunft, seine Heimat, seine Kindheit rede. Dann, sagt Gabriel, trete ein ganz anderer Schröder in Erscheinung als der, den man aus der Öffentlichkeit kenne.
Öffentlich lobt dieser Schröder beispielsweise Olaf Scholz, seinen sozialdemokratischen Nachfolger im Kanzleramt. Scholz habe wie er den unbedingten Willen zur Kanzlerschaft gezeigt. Und besitze die Fähigkeit, sehr ruhig und besonnen zu vermitteln, was er denke.
Als vor einiger Zeit eine Scholz-Biografie erschien, gab es ein typisches Schröder-Lob: "Das Buch kann man in eineinhalb Stunden wegschmökern. Da erfährt man eine Menge über Olaf. Mehr muss man auch gar nicht wissen." Ins Gelächter des Publikums sagte Schröder dann lakonisch: "Is doch so."
Feier in Berlin mit Freunden
So ist er wohl, der Altkanzler, den Franz Müntefering einmal den "Meister des Augenblicks" nannte und der Rilke, den Meister der Worte, so sehr mag und dessen Gedicht "Herbsttag":
Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren
Und auf den Fluren lass die Winde los.
Schröder rezitierte es einst vor 20 Jahren in der ARD-Sendung Beckmann. Jetzt im Herbst seines Lebens feiert der Altkanzler seinen 80. Geburtstag. Später in diesem Monat wird Schröders fünfte Ehefrau Kim So-yeon für ihren Mann in Berlin eine Feier mit Freunden organisieren.
Saskia Esken, die SPD-Co-Chefin, wird da wohl nicht gratulieren. Schröder dürfte es egal sein. "Frau Esken kenn ich nicht. Aber schön", so Schröder einst trocken, als er nach der SPD-Co-Chefin gefragt wurde.
Am Ende gilt vermutlich auch für den Fußballfan, Sozialdemokraten und siebten Bundeskanzler dieser Republik die letzte Strophe des Rilke-Gedichts, wie er sie damals im ARD-Fernsehen frei vortrug:
Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben.
Wird lesen, lange Briefe schreiben
Und durch die Alleen hin und her
Langsam wandern, wenn die Blätter treiben.
Mehr zu diesem Thema sehen Sie in der ARD-Story "Außer Dienst? Die Gerhard Schröder Story" in der ARD-Mediathek.