Illegale Einreisen in Sachsen "Das kann so nicht weitergehen"
Immer mehr Menschen kommen illegal über die Grenze nach Deutschland - auch in Sachsen schlagen Kommunen Alarm. Sie fordern stationäre Kontrollen an der Grenze. Doch was könnten diese bewirken?
Die Gemeinde Altenberg liegt am östlichen Rand des Erzgebirges und grenzt unmittelbar an Tschechien. Über Jahrhunderte war dort der Zinnerzbergbau bedeutend. Heute ist der beschauliche Kurort eine Touristenregion. Und: Ein Ankunftsort für zahlreiche Geflüchtete, die täglich über die Grenze von Tschechien nach Sachsen geschleust werden.
Immer mehr Menschen versuchen Deutschland über Tschechien oder Polen zu erreichen. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer spricht von einem dramatischen Anstieg der illegalen Grenzübertritte in den vergangenen Jahren: "Wir haben mittlerweile eine Situation, dass über die sächsischen Grenzen im Jahr 2021 400 Flüchtlinge kamen, vergangenes Jahr im August 2.400 und in diesem August rund 6.000", sagte der CDU-Politiker im MDR.
Die Stadt Altenberg will diese Entwicklung stoppen und ist bereit, einen Teil der alten Grenzzollanlage für feste Grenzposten zur Verfügung zu stellen. Das steht in einem offenen Brief der Stadtverwaltung an Bundesinnenministerin Nancy Faeser.
Bürgermeister Wiesenberg wünscht sich stationäre Grenzkontrollen, wie es sie seit 2015 in Bayern gibt. Drei Grenzübergänge habe der Ort Altenberg, verteilt über eine Luftlinie von etwa sechs Kilometern. Da gehöre es an die Tagesordnung, Geflüchtete am Straßenrand zu sehen, sagt er im Gespräch mit MDR Aktuell.
Auch wenn von den Menschen bisher keine Gefahr ausgegangen sei, denn Straftaten seien nicht bekannt, seien die Anwohnerinnen und Anwohner verunsichert. "Es ist schon bald ein Hobby von manchen Leuten, bei der Polizei anzurufen und wieder Flüchtlinge zu melden. Das kann so nicht weitergehen", sagt Wiesenberg.
Altenbergs Bürgermeister Wiesenberg fordert stationäre Grenzkontrollen.
Vermehrt Schleuserkriminalität
Rund 60 Kilometer weiter grenzabwärts hofft auch Marienbergs Bürgermeister André Heinrich (parteilos) auf Unterstützung von Bund und Bundespolizei. Seit Anfang August sei das Problem der Schleuserkriminalität besonders ausgeprägt. Die Bundesstraße 174 führt im Marienberger Ortsteil Reitzenhain direkt über die Grenze nach Tschechien. Menschen würden von Schleusern im Ort abgesetzt, irrten umher, hielten sich in den Wäldern oder gar auf Privatgrundstücken auf.
Durch stationäre Grenzkontrollen erhoffe er sich wieder "geordnete Verhältnisse", sagt Heinrich. Auch wenn das möglicherweise längere Wartezeiten an den Grenzübergängen für Einheimische bedeute. Die müssten in Kauf genommen werden.
Dringende Hilfe sei nötig, sagt auch Leipzigs Oberbürgermeister und Städtetags-Vizepräsident Burkhard Jung. Die sächsischen Kommunen brauchen eine Atempause: "Wir wollen helfen, aber wir sind an der Grenze der Belastung."
Flexible statt stationäre Grenzkontrollen
Doch stationäre Grenzkontrollen, wie sie von den Bundesländern Sachsen, Brandenburg, aber auch der Union gefordert wurden, wird es weiter nicht geben. Wie Faeser am Mittwoch in Berlin sagte, sollen flexible Grenzkontrollen an wechselnden Orten auf die Bekämpfung von Schleuserkriminalität zielen. Das grausame Geschäft von Schleusern, "die für maximalen Profit Menschenleben aufs Spiel setzen", müsse gestoppt werden, sagte die SPD-Politikerin. Mit flexiblen Kontrollen, die die bereits verstärkten Schleierfahndungen ergänzen sollen, sorge man dafür, dass es so wenig wie möglich Auswirkungen auf Pendler und den Handel gebe.
Schuster hofft auf Sinneswandel Faesers
Eine Ankündigung, die den sächsischen Innenminister Armin Schuster (CDU) enttäuschen dürfte. Noch wenige Tage zuvor hatte er sich im MDR für stationäre Grenzkontrollen ausgesprochen und auf einen "Sinneswandel" der Bundesinnenministerin gehofft. Im Deutschlandfunk sprach er von "haarsträubenden Szenen" an den Außengrenzen des Freistaats, nannte als Beispiel einen 15-jährigen Schleuser, der mit 27 Menschen im Inneren eines Kleintransporters aufgegriffen wurde.
Faeser hatte sich vor wenigen Tagen für kurzfristige stationäre Grenzkontrollen an der polnischen und tschechischen Grenze grundsätzlich offen gezeigt. "Man sollte aber nicht suggerieren, dass keine Asylbewerber mehr kommen, sobald es stationäre Grenzkontrollen gibt", sagte die SPD-Politikerin. Zuvor hatte die Bundesinnenministerin die Unionsforderung nach stationären Grenzkontrollen mehrfach abgelehnt.
Ob die Kontrollen nun stationär oder flexibel durchgeführt werden: Schutzsuchende können bei einer Grenzkontrolle nicht einfach abgewiesen werden. Wer die Grenze zu Deutschland überschritten hat, dem muss nach europäischem Recht ein Asylantrag gewährt werden.