Erste Bilanz der neuen Kontrollen Begeisterung in Grenzen
Auch wenn lange Staus bisher ausbleiben: Die neuen Grenzkontrollen stoßen bei Pendlern und Politikern im Saarland auf heftige Kritik. In der Grenzregion wächst die Sorge um den europäischen Gedanken.
Seit dem 16. September wird wieder an allen deutschen Grenzen kontrolliert. Auch an denen zu den Niederlanden, Belgien, Luxemburg und Frankreich. Nicht bei all diesen Nachbarländern kam der Vorstoß der Ampel-Regierung gut an.
Vor allem nicht bei den Menschen in der Großregion, die das Saarland, das französische Lothringen und Luxemburg umfasst. Auch wenn es derzeit kaum Staus an den Kontrollpunkten gibt, so sehen viele Politikerinnen und Politiker, aber auch Bewohnerinnen und Bewohner der Grenzregion darin eine Gefahr für den europäischen Gedanken.
Grenzkontrollen ausgerechnet bei Schengen
Wer von Luxemburg aus ins Saarland will, passiert die Grenze bei Schengen. An dem Ort, an dem das Abkommen über die Freizügigkeit in Teilen des europäischen Raums vor 39 Jahren unterzeichnet wurde.
Fast schon ironisch wirkt es da, dass seit dem 16. September kurz hinter der luxemburgischen Grenze auf der Autobahn 8 wieder Beamte der Bundespolizei stehen. Die Fahrbahn auf der Brücke ist auf eine Spur verengt, langsam passieren die meisten Autos den Kontrollpunkt. Nur vereinzelt werden Fahrzeuge herausgewinkt - ein Polizist weist ihnen den Weg auf den Rastplatz. Dort kontrollieren Beamte die Papiere von Fahrern und Insassen.
Unterhalb der Autobahnbrücke liegt Schengen. Ein kleines luxemburgisches Dorf, mit rund 5.000 Einwohnern. Touristischer Anziehungspunkt ist das Europazentrum mit seinem Vorplatz. Von dort aus haben Besucher den Blick auf die Mosel, auf die Stelle mitten im Fluss, an der das Ende der innereuropäischen Grenzkontrollen besiegelt wurde.
Scharfe Kritik aus Luxemburg
Auf einer Bank, direkt am Ufer sitzt Schengens Bürgermeister Michael Gloden. Er wartet auf mehrere deutsche Journalisten. In Zeiten, wo Deutschland wieder Grenzkontrollen eingeführt hat, ist Gloden ein gefragter Mann. "Wenn man als Bürgermeister von Schengen gefragt ist, heißt das immer, dass es in Europa Probleme gibt", sagt Gloden.
Wie viele andere Politiker in Luxemburg kritisiert er die eingeführten Grenzkontrollen scharf. Er sei absolut nicht begeistert. In der Region gibt es zahlreiche Pendler, auch der Handel und der Tourismus sind von den Grenzkontrollen betroffen. Da könne man nicht begeistert sein, sagt Bürgermeister Gloden. Auch wenn die Kontrollen an der saarländisch-luxemburgischen Grenze, anders als befürchtet, noch keine großen Staus hervorgerufen hätten.
Auch an der saarländisch-französischen Grenze gibt es bisher keine kilometerlangen Staus. Die Kontrollen, das teilt die Bundespolizei mit, sollen so durchgeführt werden, dass keine Rückstaus entstehen. Sollten sich doch Verkehrsbeeinträchtigungen ergeben, soll die Kontrollintensität umgehend verringert werden.
Städtenetzwerk fordert Abschaffung
In der Praxis aber sieht es anders aus. Auf dem Weg vom lothringischen Metz nach Saarbrücken zum Beispiel stehen Autofahrer auch außerhalb des Berufsverkehrs 15 bis 20 Minuten länger. Pendler beschweren sich in den jeweiligen Rathäusern. Jetzt hat auch das Städtenetzwerk Quatropole, bestehend aus Saarbrücken, Trier, Luxemburg und Metz reagiert, die Grenzkontrollen klar als Beeinträchtigung für die Menschen in der Region bezeichnet und deren Ende gefordert.
Der Saarbrücker Oberbürgermeister Uwe Conradt, CDU, sagte außerdem, die Kontrollen seien nicht wirksam, um illegale Einreisen zu verhindern. Damit stellt sich Conradt klar gegen die Forderungen seiner Partei im Bund.
Polizei rechnet mit weiterer Verlängerung
Wie wirksam die Kontrollen tatsächlich sind, lässt sich derzeit - zumindest für die deutsch-französische und die deutsch-luxemburgische Grenze nicht sagen. Zahlen, wie viele illegale Einreisen verhindert, wie viele Haftbefehle vollstreckt wurden, kann die Bundespolizei auf SR-Anfrage nicht liefern. Trotzdem sei die Bundespolizei bisher mit den Grenzkontrollen zufrieden.
Dieser Aussage schließt sich auch die Gewerkschaft GdP Bundespolizei an, betont allerdings, dass die Bundespolizei für die kommenden Monate deutlich mehr Personal benötige. Denn allein im Saarland fehlen nach Angaben der Gewerkschaft zwischen 300 bis 500 Beamte. Und dass die Kontrollen tatsächlich in einem halben Jahr beendet werden, davon geht die GdP derzeit nicht aus.
Freizügigkeit "nicht weiter mit Füßen treten"
Im luxemburgischen Schengen wird unterdessen mit Hochdruck an den Vorbereitungen zum 40. Jahrestag des Freizügigkeitsabkommen gearbeitet, sagt Bürgermeister Michael Gloden. Oft führt er Besucher aus allen Teilen der Welt durch sein Dorf zum Moselufer, erzählt ihnen, wie die Freizügigkeit funktioniert. Oft hört er dann auch, dass sich die Europäer dieses Privilegs nicht ausreichend bewusst sind.
Doch Gloden hält dann dagegen. Für den Bürgermeister von Schengen ist die Freizügigkeit eine Errungenschaft. Und die, sagt er mit Nachdruck "dürfen wir nicht weiter mit Füßen treten".