Die Bundespolizei kontrolliert den Grenzübergang in Bad Bentheim

Medienbericht zu Grenzkontrollen Viel Aufwand, wenig Effekt?

Stand: 21.09.2024 15:56 Uhr

Hilft die Ausweitung der Kontrollen auf die West- und Nordgrenzen Deutschlands, die irreguläre Migration zu verringern? Das war von Anfang an umstritten. Laut einem Medienbericht fällt die Bilanz der ersten Tage eher ernüchternd aus.

Nach Ausweitung der Grenzkontrollen auf alle deutschen Landgrenzen wurden der Welt am Sonntag zufolge an der Westgrenze bislang 182 unerlaubte Einreiseversuche festgestellt. Das berichtet die Zeitung unter Berufung auf interne Statistiken der Bundespolizeidirektionen, die den Zeitraum vom Beginn der Kontrollen am Montag bis zum Donnerstag umfassen. Von diesen an den Grenzen zu den Niederlanden, Belgien, Luxemburg und Frankreich registrierten Einreiseversuchen wurden demnach 100 mit einer Zurückweisung verhindert - die Menschen also direkt zurückgeschickt.

Ausländer, die bei der Einreise an der Grenze ein Asylgesuch stellen, werden bislang nicht zurückgewiesen, da der Antrag geprüft werden muss. Eine Änderung wird derzeit politisch diskutiert. Ein Rückgang solcher Asylgesuche sei aber nicht festzustellen, schreibt die Zeitung weiter.

Laut Zahlen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, die sich auf alle deutschen Grenzen beziehen, habe es sogar einen leichten Anstieg gegeben. In den ersten vier Tagen nach Beginn der erweiterten Grenzkontrollen seien demnach 3.626 Asylgesuche gestellt worden, in den gleichen Zeiträumen der beiden Vorwochen 3.581 bzw. 3.063. Der Beitrag der neu eingeführten Grenzkontrollen zur Verringerung der irregulären Migration sei also "überschaubar", so das Fazit der Zeitung.

Zahlen im Osten und Süden offenbar höher

Das Bundesinnenministerium wollte sich laut Welt am Sonntag nicht zu den Zahlen äußern. Es hatte vor Kurzem allerdings Zahlen zu unerlaubten Einreiseversuchen und Zurückweisungen an den Grenzen zu Polen, Tschechien, Österreich und zur Schweiz veröffentlicht. Seit Mitte Oktober 2023 seien dort rund 52.000 unerlaubte Einreisen festgestellt und etwa 30.000 Zurückweisungen vorgenommen worden - etwa wenn keine oder ungültige Reisedokumente vorgelegt wurden.

Zwar ist es schwer, einen Zeitraum weniger Tage mit dem mehrere Monate zu vergleichen. Es deutet sich aber an, dass die Zahl von unerlaubten Einreiseversuchen und Zurückweisungen an den Ost- und Südgrenzen deutlich höher ist, als die an der Westgrenze. Dafür sprechen auch Zahlen, die die Bild am Sonntag nennt. Demnach wurden an allen deutschen Grenzen zusammen in den fünf Tagen von Montag bis Freitag bei 898 unerlaubten Einreisen 540 Personen von der Bundespolizei sofort zurückgewiesen.

An den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz wird bereits seit Oktober 2023 kontrolliert, an denen zu Österreich schon seit 2015. Seit Montag finden Grenzkontrollen an allen deutschen Landgrenzen statt - auch im Westen und Norden. Innenministerin Nancy Faeser hatte dies angeordnet und damit begründet, man könne so "die irreguläre Migration weiter zurückdrängen, Schleuser stoppen, Kriminellen das Handwerk legen, Islamisten erkennen und aufhalten".

Auf Landstraße statt Autobahn über die Grenze

Im Schengen-Raum - zu dem Deutschland und alle seine Nachbarstaaten gehören - sind solche Kontrollen eigentlich nicht vorgesehen. Im Fall "außergewöhnlicher Umstände" kann ein Mitgliedsland laut Schengen-Kodex wieder kontrollieren. Allerdings nur "vorübergehend" und "als letztes Mittel". Der freie Personen- und Warenverkehr gelten als einer der Eckpfleiler der EU.

Die Ausweitung der Kontrollen auf die Nord- und Westgrenzen Deutschlands war von Anfang an aber auch mit Blick auf die Effizienz umstritten. Zum einen, weil diese Grenzen für irreguläre Migration eine geringere Rolle spielen als die im Süden oder Osten. Zum anderen weil sich Grenzen in einem offenen Europa ohnehin nicht lückenlos und nur mit vergleichsweise hohem Aufwand kontrollieren lassen. Stichprobenartig kontrolliert wird daher tatsächlich vor allem auf den Hauptrouten - also etwas an Autobahngrenzübergängen.

131 Polizisten - drei Zurückweisungen

Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sieht hier eine Schwachstelle. "Wir stellen jetzt schon fest, dass die bekannten Kontrollstellen umfahren werden", sagte der GdP-Vorsitzende für den Bereich Bundespolizei, Andreas Roßkopf der Welt am Sonntag. So würden etwa Flixbusse oft von den Autobahnen auf benachbarte Straßen ausweichen. Diese würden häufig auch "von illegal Einreisenden" genutzt.

Vertreter der Polizei und Experten hatten zudem schon mehrfach darauf hingewiesen, dass Polizisten, die an den Grenzen kontrollieren, anderswo fehlen. Und auch ein vertraulicher Report, aus dem die Welt am Sonntag zitiert, zeigt, wie groß der Personalaufwand ist: Am 19. September habe die "verstärkte Bundespolizeinspektion Bad Bentheim" an der Grenze zu den Niederlanden mit 131 Polizisten 544 Fahrzeuge und 14 Züge kontrolliert. Dabei habe es drei Zurückweisungen und drei Vollstreckungen von Haftbefehlen gegeben.

"Nicht wieder Grenzen in den Köpfen entstehen"

Auch die Kritik aus den Nachbarstaaten am deutschen Vorgehen reißt nicht ab. "Das Schengen-Abkommen mit seinen offenen EU-Binnengrenzen darf nicht infrage gestellt werden", sagte Luxemburgs Innenminister Leon Gloden, der sich am Freitag mit seiner deutschen Amtskollegin Faeser in Trier traf. Offene Grenzen seien eine Errungenschaft der europäischen Integration, so Gloden. "Es dürfen nicht wieder Grenzen in den Köpfen der Menschen entstehen." Das Schengener Abkommen wurde vor 39 Jahren im luxemburgischen Mosel-Dorf Schengen geschlossen.

Aus dem Raum Trier pendeln viele Menschen ins nahe Luxemburg. Kontrolliert wird auf der A64, die beide Städte verbindet. Vor allem im Berufsverkehr könne es zu 20 bis 25 Minuten Rückstau kommen, sagte der Sprecher der Bundespolizeiinspektion Trier. Wenn der Stau länger als 20 Minuten sei, werde die Kontrolle geöffnet, und die Menschen könnten durchfahren. "Wir wollen ja den Personen- und Warenverkehr so wenig wie möglich beeinträchtigen", betonte er.

Lob für die ausgeweiteten Grenzkontrollen kommt vom Präsidenten des Bundeskriminalamts, Holger Münch - mit Blick auf die Schleuserkriminalität. "Die Anzahl der Feststellungen ist mit den Kontrollen in die Höhe gegangen", sagte Münch den RND-Zeitungen. Allerdings brauche es beim Ermitteln gegen Schleuser-Netzwerke auch starke internationale Zusammenarbeit. "Das kann sehr erfolgreich sein und gerade die Bundespolizei ist hier sehr aktiv."