Klimaschutzverträge Wie die deutsche Industrie grün werden soll
Wirtschaftsminister Habeck will energieintensive Industriebranchen unterstützen, um auf klimafreundliche Produktion umzurüsten. Dafür sollen sogenannte Klimaschutzverträge kommen - ein Plan mit Risiken.
Es gehört zum Selbstverständnis deutscher Klimaschutzpolitik, sich gerne als einer der globalen Vorreiter zu sehen. Und aus Sicht des Wirtschaftsministeriums setzt Deutschland mit den Klimaschutzverträgen international neue Standards. "Wir sind das erste Industrieland, das dieses Instrument einführt", verkündet der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck am Mittag vor der Presse. Es soll nach etwas Großem klingen.
Unbestreitbar geht es um sehr viel Geld. Um Milliardensubventionen, die dazu beitragen sollen, dass die energieintensive Industrie hierzulande klimafreundlich umgebaut wird. "Heute ist ein guter Tag für den Klimaschutz", so Robert Habeck. "Ein guter Tag für die Wirtschaft. Vor allem für die Industrie. Und ein guter Tag für den Produktionsstandort Deutschland."
Klimafreundliche Umrüstung ist teuer
Bei der Produktion von Papier, Glas oder Stahl wird besonders viel Energie verbraucht und damit CO2 ausgestoßen. Die klimafreundliche Umrüstung ist für die Unternehmen teuer. Mit den sogenannten Klimaschutzverträgen verpflichtet sich der Staat, 15 Jahre lang anfallende Mehrkosten zu übernehmen. Das betrifft sowohl die notwendigen Investitionen als auch die anschließenden Betriebskosten.
Denn viele klimafreundliche Technologien sind bislang nicht wettbewerbsfähig, weshalb sich die Umrüstung in vielen Branchen nicht rechnet. Dabei ist die Industrie einer der großen Emittenten von Treibhausgasen, ohne die sogenannte Transformation der Wirtschaft wird Deutschland seine ambitionierten Klimaziele nicht erreichen können. 2045 soll das Land klimaneutral werden.
Kosten im mittleren zweistelligen Milliardenbereich
"Wir brauchen Produktion in Deutschland, ich will die energieintensiven Industrien am Standort haben", betont der Wirtschaftsminister. "Und ich will, dass die Produktion dabei klimaneutral wird. Das ist Wertschöpfung für die nächste Generation. Das ist die Industriepolitik für die nächste Generation, die wir hier aufbauen."
Die Klimaschutzverträge sollen dafür ein wesentlicher Baustein sein. Vier Milliarden Euro stehen für die erste Ausschreibungsrunde bereit, um die sich interessierte Unternehmen nun bewerben können. Schon bis zu 19 Milliarden Euro sind für die zweite Runde vorgesehen, zwei weitere sollen folgen. Habeck rechnet insgesamt mit Kosten im mittleren zweistelligen Milliardenbereich, die über 15 Jahre ausgezahlt werden sollen.
Ein Plan mit Risiken
Allerdings: Habecks Industriepolitik für die nächste Generation ist mit Risiken behaftet. Die Milliardenmittel will der Wirtschaftsminister über den Klima- und Transformationsfonds KTF bereitstellen. Dessen Finanzausstattung ist seit dem Karlsruher Haushaltsurteil vom letzten November allerdings ziemlich wackelig. Es zeichnet sich ab, dass der KTF schon im kommenden Jahr nicht ausreichend Mittel zur Verfügung hat, um die vielen angedachten Klimaschutzprojekte der Ampelkoalition finanzieren zu können.
Weiteres Risiko: Die Klimaschutzverträge gehen von der Annahme aus, dass die subventionierten Betriebe über die Jahre immer weniger Hilfe benötigen werden, sich der klimagerechte Umbau absehbar für die Unternehmen am Markt rechnet. Im Idealfall müssten sie sogar Subventionen zurückzahlen. Allerdings kann es auch ganz anders kommen.
Und mit den Klimaschutzverträgen übernimmt der Staat die Garantie, 15 Jahre lang für etwaige Mehrkosten der Betriebe aufzukommen. Auf schwer abzuschätzende finanzielle Verpflichtungen hatte daher der Wissenschaftliche Beirat beim Wirtschaftsministerium in einem Gutachten hingewiesen. Zudem seien die Klimaschutzverträge ein tiefer Eingriff in den Markt. Mit der Ausschreibung über ein Auktionsverfahren versucht Habeck, solchen Bedenken entgegenzutreten. Diejenigen Unternehmen sollen den Zuschlag erhalten, die zu den geringsten Subventionskosten die größte Treibhausgas-Einsparung erzielen können.
Jung: Staat kann nicht dauerhaft subventionieren
Der Sprecher für Energiepolitik und Klimaschutz der Unionsfraktion, Andreas Jung, ist zwar nicht prinzipiell gegen Fördermittel für den industriellen Umbau, will sich die Klimaschutzverträge allerdings genau anschauen - schon wegen der hohen Kosten im zweistelligen Milliardenbereich: "Entscheidend ist, dass eine Technologie am Ende fliegt. Nur dann wird sie Erfolg haben", so Jung. "Der Staat kann einen Anschub finanzieren. Aber er kann nicht dauerhaft Risiken abdecken, er kann nicht dauerhaft subventionieren. Und da ist diese Zahl schon sehr, sehr hoch gegriffen."
Der Bundesverband der Deutschen Industrie begrüßt den Start der Ausschreibung für die Klimaschutzverträge. Für die klimaneutrale Transformation der Wirtschaft sei eine umfangreiche staatliche Unterstützung nötig, so BDI-Chef Siegfried Russwurm.
Greenpeace fordert, bei der Vergabe der Verträge strenge Maßstäbe anzulegen. Es dürften nur Unternehmen gefördert werden, die auf besonders klimafreundliche Technologien setzen.
Verpflichtungen weit über eine Legislaturperiode
Vier Monate haben interessierte Unternehmen nun Zeit, ihre Gebote einzureichen. Es wird damit gerechnet, dass es in der ersten Ausschreibungsrunde deutlich mehr Interessenten als Fördermittel geben wird. Die zweite, viel größere Ausschreibungsrunde soll Ende des Jahres folgen.
Ob die deutschen Klimaschutzverträge international neue Standards setzen werden, lässt sich kaum vorhersagen. Klar ist aber, dass der Staat mit den Verträgen Subventionsverpflichtungen übernehmen soll, die weit über die Legislaturperiode hinausreichen werden.