Chinas schwächelnde Konjunktur Mehr Wachstum dank Investition in saubere Energie
China investiert wie kaum ein anderes Land in erneuerbare Energien. Das könnte massiv dazu beigetragen haben, das schwächelnde Wirtschaftswachstum zu stützen. Und es hilft beim Klimaschutz.
5,2 Prozent Wirtschaftswachstum im Jahr 2023 - Mitte Januar gab Chinas Ministerpräsident Li Qiang diese Zahl auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos bekannt. Mehr als das Ziel der Regierung von rund fünf Prozent, verkündete er stolz. Chinas Wirtschaft mache ständig Fortschritte.
Dabei läuft es eigentlich gar nicht so rund für Chinas Wirtschaft. Nach dem Ende der strikten Null-Covid-Regeln erholt sich die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt nur schleppend. Der hochverschuldete chinesische Bausektor steckt massiv in der Krise - früher einer der Haupttreiber des Wachstums. Der Binnenkonsum und die weltweite Nachfrage stocken. Die Volksrepublik befindet sich an der Schwelle zur Deflation - viele, vor allem junge Leute, sind ohne Job. Wo man sich auch umhört, hört man, es laufe nicht gut. Woher kommen dann die 5,2 Prozent Wachstum, fragen sich viele.
Investitionen in saubere Energie
Im vergangenen Jahr habe China einen massiven Anstieg der Investitionen in saubere Energie verzeichnet, sagt Lauri Myllyvirta vom Centre for Research on Energy and Clean Air mit Sitz in Finnland. Der Umwelt-Thinktank kommt zu dem Schluss, dass vor allem diese Investitionen das chinesische Wachstum gestützt haben. Investiert worden sei sowohl in den Einsatz sauberer Technologien - insbesondere Solarenergie und Elektrofahrzeuge - als auch in die Produktion. So sei die Herstellung von Batterien, Solarmodulen, Elektrofahrzeugen und vielen anderen Technologien massiv ausgeweitet worden.
"Und wir schätzen, dass all das im vergangenen Jahr 40 Prozent zum Wachstum des chinesischen Bruttoinlandsprodukts beigetragen hat. Ohne diesen Zuwachs bei den sauberen Energien hätte das Wachstum drei Prozent betragen und nicht 5,2 Prozent", sagt Myllyvirta.
Der Thinktank hat Wachstumsdaten von 20 verschiedenen Wirtschaftszweigen ausgewertet, Investitionskosten von Technologien analysiert und die Ergebnisse mit der chinesischen Berechnung des Bruttoinlandsprodukts abgeglichen.
Bald sinkende CO2-Emissionen - trotz neuer Kohlekraftwerke
Neben dem Beitrag zum Wachstum hätten die Investitionen noch einen weiteren Effekt, sagt Li Shuo. Er leitet den China Climate Hub beim Thinktank Asia Society in der US-Hauptstadt Washington. Technologien wie Windkraft, Solarzellen, E-Autos und Energiespeicherung hätten China geholfen, die CO2-Emissionen zu stabilisieren. In diesen Bereichen steckten noch mehr Möglichkeiten für die Volksrepublik, die Energiewende schneller voranzutreiben. "Aber die wirklich schwierige Aufgabe für China ist, sich aus der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu lösen - insbesondere von der Kohle", sagt er.
Es scheint paradox: China baut noch neue Kohlekraftwerke. Dennoch könnte der größte Emittent von Treibhausgasen weltweit schon sehr bald sinkende CO2-Emissionen vorweisen. Bislang hatte die kommunistische Regierung den sogenannten Peak, also den maximalen CO2-Ausstoß, erst Ende dieses Jahrzehnts erwartet.
Bedarf an energieintensiven Gütern nimmt ab
Neben den massiv gestiegenen Investitionen in grüne Technologien gibt es laut Li noch zwei weitere, allerdings ungeplante Faktoren, die zu diesem Trend beitragen: Chinas inzwischen schrumpfende Bevölkerung und vor allem die schwächelnde Wirtschaft: "Die Wirtschaft in China hat sich deutlich abkühlt. Und der Bedarf an energieintensiven Gütern wie Zement und Stahl nimmt ebenfalls ab." Zement und Stahl werden vor allem von der Bauindustrie benötigt.
Analyst Myllyvirta beobachtet genau dort eine Umschichtung bei den Investitionen: "China habe einen dramatischen Einbruch des Immobilienmarkts erlebt, nachdem die Regierung gegen finanzielle Risiken und Verschuldung vorgegangen ist." Ein Großteil dieser Investitionen sei in die Herstellung von grüner Technologie geflossen - sowohl staatliche Investitionen als auch privates Kapital.
Produktion für weltweiten Energiewandel
Die Preise für Solarzellen, Windturbinen, Batterien und Elektrofahrzeuge dürften wegen der Überkapazitäten aus China auf dem Weltmarkt in absehbarer Zeit weiter sinken. Unter anderem in Europa wird das mit Sorge betrachtet. Die EU-Kommission hat bereits eine Untersuchung wegen mutmaßlicher wettbewerbsverzerrender Subventionen für E-Autos in China eingeleitet.
Myllyvirta sieht die Volksrepublik bei den Kapazitäten ganz klar im Vorteil. Andere Länder hätten zum Teil noch Vorteile, was Innovationen betrifft. Diese müssten die USA und die EU jetzt beim Aufbau diversifizierter Lieferketten nutzen, sagt der Analyst, bevor es zu spät sei - das Stichwort sei De-Risking: "Man kann sich nicht darüber beschweren, dass China die Produktionskapazitäten für den weltweiten Energiewandel aufbaut, es sei denn, man macht dasselbe. Gerade bei Elektrofahrzeugen haben die EU und insbesondere die deutschen Autohersteller die Entscheidung getroffen, das Ganze auszusitzen und andere haben die Führung übernommen." Jetzt müssten sie mit den Konsequenzen leben.
"Es reicht nicht, einfach Zölle zu erheben", sagt er. "Wir brauchen große Produktionskapazitäten, und deshalb eine ambitionierte Politik für saubere Energie."