Haushaltsverhandlungen Das Sechs-Augen-Prinzip
Finanzminister Lindner will die Ministerien zum Sparen verpflichten, doch einige stellen sich quer. Mit Dreier-Gesprächen im Kanzleramt will Bundeskanzler Scholz den Knoten lösen. Die Zeit drängt.
Monatelang dauerten die Verhandlungen, jetzt wird der Haushalt 2024 zur Chefsache. "Es trifft zu, dass Bundesfinanzminister Christian Lindner gemeinsam mit dem Bundeskanzler Gespräche mit einigen Ressortkolleginnen und -kollegen zum Haushalt führt", heißt es aus dem Finanzministerium, nach langen Spekulationen und unbestätigten Berichten.
Und weiter: Das Vorgehen sei kein Novum, ähnliche Prozesse habe es bereits in der Vergangenheit gegeben. Alles also in bester Ordnung, so will es eine Sprecherin in Lindners Haus Glauben machen. Und tatsächlich haben sich auch in der Vergangenheit Kanzler immer wieder in schwierige Haushaltsverhandlungen eingeschaltet.
Der Streit schwelt seit Monaten
Dass auch die aktuellen Haushaltsverhandlungen schwierig sind, ist kaum zu übersehen. Bereits seit Monaten gibt es Probleme bei der Aufstellung für das kommende Jahr. Noch im Mai gab Lindner bekannt, dass der geplante Kabinettsbeschluss zum Haushalt 2024 am 21. Juni nicht zu halten sei.
Bereits seit März lässt Lindner zudem auf die Eckwerte des Haushalts 2024 warten. Diese sollen eigentlich festlegen, mit welchen Ausgaben der Bund plant und welche Mittel den einzelnen Ministerien im kommenden Jahr zustehen. Weil sich Lindner nicht mit seinen Kabinettskollegen abstimmen konnte, verzichtete er auf diese Eckwerte vorerst.
Klimaschutz und Schuldenbremse
Im Kern stehen die Sorgen der Grünen, um Klimaschutzmaßnahmen oder die geplante Kindergrundsicherung. Finanzminister Christian Lindner wiederum setzt auf die Schuldenbremse und hat dabei die Unterstützung von Bundeskanzler Olaf Scholz.
Aus grünen Koalitionskreisen hört man zunehmend genervte Töne über die Rolle des Bundeskanzlers, dem einige hinter vorgehaltener Hand fehlende Führungskraft vorwerfen und dass er durch spätes Handeln sogar die eigene Regierung schädige.
Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Christoph Meyer stellt sich indes hinter den Bundeskanzler, der mit seiner Unterstützung für die Schuldenbremse auf "der Seite des Grundgesetzes" stehe und Führungsstärke zeige. "Wir haben keine Notlage mehr", sagt Meyer. Deshalb müsse der Haushalt auch zur Normalität zurückkehren.
Es fehlen 20 Milliarden Euro
Doch bislang gibt es für das neue Jahr noch nicht mal einen Haushaltsentwurf, wohl aber den Druck zu sparen: Wegen einer Finanzierungslücke von 20 Milliarden Euro verordnete Finanzminister Lindner vergangene Woche jedem Ministerium einen "Ausgabendeckel" - insgesamt in Höhe eines hohen einstelligen Milliardenbetrages. Die Häuser sollen nun selbst vorschlagen, wo sie das Geld einsparen könnten. Das Vorgehen war mit Bundeskanzler Scholz und Vizekanzler Robert Habeck abgestimmt.
Besonders betroffen sein soll nach verschiedenen Medienberichten ein halbes Dutzend Ministerien, allen voran das Außenministerium von Annalena Baerbock, das Familienministerium von Lisa Paus, das Verkehrsministerium von Volker Wissing sowie das Innenministerium von Nancy Faeser.
Der Druck wächst
Gegen diese Sparkur regt sich nun Widerstand, den der Bundeskanzler mit Dreiergesprächen lösen will, bestehend aus ihm, dem Finanzminister und der jeweiligen Ministerin oder dem jeweiligen Minister. Dieses Vorgehen sei den Kabinettsmitgliedern bereits Ende Mai angekündigt worden, heißt es aus dem Finanzministerium und begründet dies mit den "Erläuterungswünschen" einiger Kabinettsmitglieder, oder in anderen Worten: Einige Ministerinnen und Minister sind mit Lindners Sparplänen nicht einverstanden.
Der Druck auf alle Ampelkoalitionäre wächst täglich und für das neue Jahr warten besondere Hürden: Für den aktuellen Haushalt 2023 setzte Lindner auf so genannte Sondervermögen, Kredite, die im Bundeshaushalt nicht mitgerechnet werden. Mit ihnen konnte der Finanzminister die Sonderausgaben für die Bundeswehr und die hohen Energiekosten schultern und trotzdem die Schuldenbremse einhalten.
Im kommenden Jahr wird das deutlich schwieriger. Dazu kommt der Zeitdruck und die Erwartung dem Bundestag noch vor der Sommerpause am 5. Juli einen fertigen Haushaltsentwurf vorzulegen.