Kabinettsklausur in Meseberg Nur kein falscher Zungenschlag
Die Botschaft war von Anfang an klar: Nach dem Zwist zwischen den Regierungsparteien soll auf der Klausur in Meseberg ein Bild der Geschlossenheit ausgehen. Kanzler Scholz und seine Ministerriege präsentierten reihenweise neue Pläne.
Kurz nach Sonnenaufgang kriechen letzte Nebelreste über die Wiesen Brandenburgs. 70 Kilometer entfernt vom Regierungsviertel in Berlin liegt Schloss Meseberg, ein pittoreskes Barockschlösschen - das Gästehaus der Bundesregierung. Dass der Nebel sich lichtet, hoffen vermutlich auch diejenigen, die hier zur Kabinettsklausur zusammengekommen sind und um Lösungen ringen.
Wirtschaftsminister Robert Habeck, Finanzminister Christian Lindner und Bundeskanzler Olaf Scholz treffen am Morgen weit vor den anderen Ministern und Ministerinnen ein - für Vorgespräche wird es später heißen. Als der Kanzler dann etwa zwei Stunden danach zum ersten Mal an diesem Tag vor Presse tritt, wirkt er aufgeräumt. Scholz setzt den Ton, macht klar, dass er die Deutungshoheit über diese Zusammenkunft lenken will.
Hoffen auf Koalitionsdisziplin
Die Botschaft: Egal wie holprig und ruppig die vergangenen Tage vielleicht waren, hier in Meseberg ist Besinnung angesagt - Besinnung, auf das, was zählt. Scholz spricht von einer Klausurtagung, bei der es "gute Stimmung gibt" und die sicherstellen solle, "dass wir als Bundesregierung eng und untergehakt zusammenarbeiten." Das heißt vermutlich, er erwartet - oder erhofft zumindest - Koalitionsdisziplin und gemeinsames Problemlösen.
Zum Beispiel in Sachen Energiekrise. Der Kanzler zeigt sich nach dem Ernst- nun im Mutmachmodus. Was die Versorgungssicherheit betreffe, sei Deutschland "jetzt in einer viel besseren Lage sind, als sie vor ein paar Monaten absehbar war". Ein drittes Entlastungspaket wolle die Regierung "im Laufe dieser Woche weiter vorantreiben". Scholz spricht von "maßgeschneidert", "möglichst effizient", "zielgenau". Genauer wird er nicht.
Bilder und Symbole
Eigentlich ist so eine Kabinettsklausur auch nicht gedacht fürs konkrete Tagesgeschäft. Beschlüsse gibt es normalerweise nicht, eher geht es um die großen Linien. In Zeiten wie diesen ist natürlich alles anders. Deshalb werden auch mehr Neuigkeiten verkündet als üblich.
So stellt etwa Außenministerin Annalena Baerbock, flankiert von Innenministerin Nancy Faeser und Verteidigungsministerin Christine Lambrecht, das Abkommen über Visaerleichterungen mit Russland infrage, als Kompromissangebot an andere EU-Länder, die Russen lieber gleich ganz die Einreise verweigern würden. Am Tag zuvor hatte das bei der Kanzlerreise nach Prag noch anders geklungen.
Arbeitsminister Hubertus Heil kündigt mit Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger und Familienministerin Lisa Paus eine Fachkräftestrategie an - und präsentiert rot-grün-gelbe Einigkeit. Es geht natürlich auch um Bilder und Symbole.
Habeck koppelt Gasumlage an Bedingungen
Und so wird, während drinnen über die Energieversorgung nachgedacht wird, draußen bekannt, dass der Wirtschaftsminister schon neue Ideen hat, wie die misslungene Gasumlage gerettet werden könnte. Am Nachmittag unter fast blauem Himmel ist Habeck der einzige Minister, der an diesem Tag ohne Begleitung vor die Kameras tritt. Er muss, will aber vielleicht auch seine Nachricht alleine vertreten.
Die Gasumlage soll demnach doch stärker an Bedingungen gekoppelt werden - Systemrelevanz, ein großer Anteil an russischem Gas im Portfolio - vor allem aber soll es keine Boni, keine Dividenden geben für Unternehmen, die sie nutzen wollen. Die "Trittbrettfahrer" wolle er wieder "vom Trittbrett runterschubsen", betont Habeck. Sein Blick ist ernst. "Man wacht als Minister nicht fröhlich auf in dieser Zeit", beschreibt er die eigene Angespanntheit. Aber sein Auftreten soll wohl auch signalisieren: Ich hab’s im Griff, wir sind wieder auf Kurs.
Scholz: Führen intern vertrauliche Gespräche
Das dürfte im Sinne des Kanzlers sein, der sich zwischendurch mit seinem spanischen Amtskollegen Pedro Sanchez zeigt, der als Gast nach Meseberg geladen ist. Just als Scholz mit ihm in den Garten tritt, kommt nach dunklen Wolken und Regen die Sonne raus. Bei den Nachfragen zieht sich das Gesicht des Kanzlers zu, als es um die Übergewinnsteuer geht. Die Spanier haben eine eingeführt - im Energie- und im Bankenbereich.
In der Ampel wollen Grüne und SPD auch ein solches Instrument, die FDP ist klar dagegen. "Sehr vertraulich" führe man intern Gespräche, ist eine der Formulierungen, mit denen Scholz keine Antwort gibt, ob die deutsche Regierung von Spanien lernen könnte und doch eine solche Steuer angehen sollte. Nur kein falscher Zungenschlag, scheint das Motto zu sein. Der Kanzler wird wieder einmal sehr leise bei seinen Ausführungen an dieser Stelle.
Verfängt der Appell des Kanzlers?
Später am Tag wird dann laut gelacht. Andrea Nahles in ihrer Funktion als neue Chefin der Agentur für Arbeit ist ebenfalls zu Besuch in Meseberg. Die ehemalige SPD-Vorsitzende scherzt mit Scholz und Lindner, während auch die anderen kollektiv im Garten flanieren. Entspannte Gespräche zwischen Bäumen und Blumen sind das Bild, das die Regierung in die Kameras schickt, die für eine begrenzte Zeit von weiter weg draufhalten dürfen. Demonstrative Harmonie und Einheit, wohl kuratiert im Garten von Schloss Meseberg.
Die Misstöne der vergangenen Tage sind aus der Ferne zumindest nicht spürbar. Ob der Kanzlerappell allerdings tatsächlich verfangen hat, wie "eng und untergehakt" die Ampel nun in den Winter zieht, bleibt offen. Morgen wollen Scholz, Habeck und Lindner in einer gemeinsamen Pressekonferenz Klausurbilanz ziehen, nächste Woche geht der Bundestag wieder los - gleich mit einer Generaldebatte zum Haushalt und sicherlich deutlich weniger gemütlich als in Meseberg.