Bundesparteitag in Berlin Der FDP stehen harte Zeiten bevor
Die Liberalen waren in ihrem Element: Das Thema Wirtschaft stand im Mittelpunkt des Bundesparteitags, man zeigte sich geschlossen. Ein bitter nötiges Aufatmen - aber ein kurzes. Denn das Grundproblem der FDP bleibt.
Heimspiel für die FDP: Sie war an diesem Wochenende in ihrem Element. Das Thema: Wirtschaft. Die Argumente: Es brauche eine Wende hin zu mehr Wachstum. Passend dazu der Ort. Wie in den vergangenen Jahren eine Event-Location mit Industriecharme in Berlin-Kreuzberg. Man zeigte sich geschlossen und präsentierte FDP pur.
Bei der Ampel-frustrierten Wählerbasis könnte das kurzfristig ankommen. Die Herzen vieler Mitglieder dürften vorübergehend höher schlagen. Ihr eigentliches Problem hat die FDP damit aber weiter verschärft. Und dieses Problem heißt: Regieren mit der Ampel.
Die Erwartungen sind hoch nach diesem Parteitag. Schließlich hat sich die Partei "Wachstun" auf die Fahnen geschrieben - und auf die Leinwand hinter der Bühne. "Wachstun made in Germany" stand da in großen Lettern hinter der Parteispitze und den Rednern. Nein, das ist kein Schreibfehler, sondern eine neue Wortschöpfung: Man muss was tun, damit die Wirtschaft wächst, soll das heißen.
Man will bleiben und kämpfen
Auch die Basis und die Wähler wollen, dass was getan wird. Nämlich, dass die Parteispitze endlich mehr FDP-Ziele umsetzt in der Regierung - am besten die, die man sich an diesem Wochenende gesetzt hat: Die Steuern sollen runter. Die Rente mit 63 soll weg. Überhaupt soll mehr und länger gearbeitet werden.
Wer das nicht tut - Jobs nicht annimmt, aber Bürgergeld empfängt -, soll härter sanktioniert werden. All das: Keine frommen Wünsche, schürte Generalsekretär Bijan Djir-Saraj die Erwartungen. Der Leitantrag sei aber auch kein Scheidungsantrag an die Koalition. Man will bleiben und kämpfen.
Die Partei kann damit eigentlich nur scheitern. Denn die FDP bleibt kleinster Koalitionspartner in einem Dreierbündnis. Und die beiden anderen Partner bleiben in den kommenden knapp anderthalb Jahren nun mal Grüne und SPD.
Harmonischer Kurzurlaub unter Freunden
Die wollen weiter einen starken Sozialstaat, sind gegen den Abbau von Sozialleistungen und tun sich generell leichter mit staatlichen Vorgaben. Und: Sie haben schon deutlich gemacht, was sie von den Vorschlägen der FDP halten. Nämlich nichts. Eine Diskussionsgrundlage sieht anders aus.
Die FDP wird voraussichtlich erleben, was sie schon die vergangenen zweieinhalb Jahre erlebt hat: Nämlich, dass sie alle Seiten unzufrieden macht. Die Wähler und die Basis, weil sie FDP- Ziele nicht durchsetzen kann und Kompromisse eingeht. Die Koalitionspartner, weil der kleinste Partner querschießt und mal wieder Nein sagt.
Der Parteitag in Berlin an diesem Wochenende war nur ein kurzes Aufatmen für die FDP, ein harmonischer Kurzurlaub unter Freunden. Das hatte die Partei bitte nötig. Unwahrscheinlich aber, dass die Stimmung so gut bleibt. Es stehen harte Zeiten an - im Regierungsviertel und an den Wahlurnen.
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