Ampelkoalition in Mainz Was der Rücktritt von Lewentz bedeutet
Für die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Dreyer ist es ein herber Schlag: der Rücktritt von Innenminister Lewentz. Die Kritik am Krisenmanagement nach der Ahrtal-Flut könnte nun auch sie selbst treffen.
Es kann kein leichter Gang für Roger Lewentz gewesen sein, als der rheinland-pfälzische Innenminister um 11.30 Uhr bei einem kurzfristig angesetzten Pressetermin in Mainz seinen Rücktritt erklärte. Rund 15 Monate nach der Naturkatastrophe hat damit der oberste Katastrophenschützer des Bundeslandes persönliche Konsequenzen gezogen.
Abgang des wichtigsten Ministers im Kabinett
Die Bedeutung von Roger Lewentz für das Kabinett von Ministerpräsidentin Malu Dreyer konnte man am Vormittag am besten an Dreyers eigener Miene ablesen: Die rheinland-pfälzische Regierungschefin wirkte beim gemeinsamen Termin sichtlich bedrückt. Mit Lewentz geht nicht nur der Mann, der - zunächst als Staatssekretär, dann als Minister - insgesamt 16 Jahre lang im Innenressort diente.
Dreyer verliert mit Lewentz einen ihrer engen Vertrauten: "Es gibt selten Menschen in der Politik, denen man so umfänglich vertrauen kann wie ich Roger Lewentz vertrauen konnte," so die Regierungschefin. Lewentz sei für sie immer eine Stütze im Kabinett gewesen, menschlich und fachlich. "Persönlich will ich ihm aus ganzem Herzen danken. Wir sind durch viele Höhen und Tiefen miteinander gegangen."
Sozialdemokratisches Schwergewicht
Über Jahrzehnte hinweg spielte Roger Lewentz bei der Gestaltung sozialdemokratischer Politik in Rheinland-Pfalz eine gewichtige Rolle - und aktuell auch an der Spitze seiner Landespartei. Unter Ministerpräsident Kurt Beck galt er als Kronprinz für das Amt des Ministerpräsidenten.
Als dieses Amt stattdessen an Malu Dreyer ging, wurde Lewentz ihr wichtigster und mächtigster Minister. Für Dreyer reißt Lewentz‘ Abgang eine Lücke, die nicht leicht zu füllen sein wird. Ob Lewentz auch den Vorsitz der Landespartei abgeben wird, ließ er selbst heute zunächst offen.
Der Trierer Politikwissenschaftler Uwe Jun hält das aber für wahrscheinlich und weist darauf hin, dass die Rolle des Parteivorsitzenden für Dreyer sehr wichtig sei, auch mit Blick auf die nächste Landtagswahl. Die SPD sei unter Lewentz' Führung schlagkräftig gewesen. So war Lewentz auch bei den rheinland-pfälzischen Oppositionsparteien gefürchtet - in seiner Rolle als effektiver Wahlkämpfer. Die SPD regiert in Rheinland-Pfalz seit rund drei Jahrzehnten.
Keine Gefahr für Dreyers Ampel
Politikwissenschaftler Jun sieht die Stabilität des Ampelbündnisses um Ministerpräsidentin Malu Dreyer nach dem Rücktritt von Roger Lewentz nicht gefährdet. "Der Sieger der Landtagswahl im vergangenen Jahr war die SPD. Andere Regierungskonstellationen bieten sich nicht an, auch nicht aus Sicht der Koalitionspartner. Und es entlastet jetzt auch die Koalition ein wenig, dass Lewentz die Verantwortung übernommen hat."
Mit der Diskussion um sein Krisenmanagement in der Flutnacht stand Lewentz nicht zum ersten Mal in der politischen Schusslinie. Vor zwölf Jahren wollte die CDU-Opposition ihm in seiner damaligen Funktion als Innenstaatssekretär in einem Untersuchungsausschuss Fehler nachweisen. Es ging um die gescheiterte Privatfinanzierung eines Freizeitparks am Nürburgring.
Wenig später geriet Lewentz erneut in die Defensive: Das Land war beim Verkauf des Regionalflughafens Hahn zunächst auf einen Hochstapler hereingefallen. Trotz Spotts und Häme hielt sich Lewentz im Amt. "Zu mächtig, um zu scheitern", hieß es damals.
Zweiter Ministerrücktritt nach der Flut
Nun zieht mit Lewentz ein weiterer Minister persönliche Konsequenzen aus dem Umgang mit der Flutkatastrophe. Im April war bereits Bundesfamilienministerin Anne Spiegel zurückgetreten - sie war zum Zeitpunkt der Katastrophe Umweltministerin in Rheinland-Pfalz gewesen.
Spiegel war in die Kritik geraten, weil sie zehn Tage nach der Flut zu einem vierwöchigen Familienurlaub nach Frankreich aufgebrochen war. Bisher hatte sich die Kritik am Umgang mit der Flutkatastrophe im Wesentlichen auf diese beiden Fachminister gerichtet.
Rückt Dreyer nun mehr in den Fokus?
Konzentriert sich die Kritik an der Rolle der Landesregierung während und nach der Flutkatastrophe nun verstärkt auf die Ministerpräsidentin? Dreyer, so war es vor dem Untersuchungsausschuss des Landtags bekannt geworden, ging am Flutabend davon aus, dass das Hochwasser erst am Mittag des 15. Juli seinen Höchststand erreichen werde - aus heutiger Sicht eine schwere Fehleinschätzung.
Oppositionsführer Christian Baldauf von der CDU warf Dreyer "politisches Versagen" bei der Bewältigung der Flutkatastrophe vor. "Ich gebe Frau Dreyer die Mitschuld, dass sie als Regierungschefin natürlich auch die Verantwortung für ihr komplettes Kabinett hat", sagte Baldauf nun. Mit Lewentz' Rücktritt sei für die CDU "die Sache noch nicht beendet".
Untersuchungsausschuss setzt Arbeit fort
Nach dem Rücktritt des Innenministers hat sich die für den heutigen Nachmittag angesetzte Landtagsdebatte um die Rolle von Roger Lewentz erübrigt. Doch die politische Aufarbeitung der Flutkatastrophe geht weiter.
Schon diesen Freitag sollen im rheinland-pfälzischen Untersuchungsausschuss Mitglieder der Hubschrauberstaffel aussagen, die in der Flutnacht im Einsatz war. "Für Herrn Lewentz ist das jetzt der Schlussstrich", sagte Oppositionspolitiker Joachim Streit von den Freien Wählern, "aber die Aufarbeitung muss weitergehen".