Debatte über Verschärfung FDP deutet bei Waffenrecht Umdenken an
Bislang bremste die FDP die Pläne der SPD für ein schärferes Waffenrecht. Nun deutet das FDP-geführte Justizministerium Gesprächsbereitschaft an. Kriminologe Baier hält Waffenverbotszonen zumindest kurzfristig für sinnvoll.
Nach dem Anschlag in Solingen mit drei Toten ist die Debatte um ein Verbot von Messern in der Öffentlichkeit aktueller denn je. Bundesinnenministerin Nancy Faeser will das Waffenrecht schon länger verschärfen und legte dafür erst kürzlich konkrete Vorschläge vor.
So sollen Messer in der Öffentlichkeit nur noch bis zu einer Klingenlänge von sechs Zentimetern statt bisher zwölf Zentimetern mitgeführt werden dürfen. "Für gefährliche Springmesser wollen wir ein generelles Umgangsverbot schaffen. Entsprechende Waffenrechtsänderungen werden wir in Kürze vorlegen", sagte die SPD-Ministerin Mitte August dem ARD-Hauptstadtstudio.
Die FDP kündigt Beratungen in der Ampel an
Das Problem: Bislang hatte die FDP die Vorschläge der Innenministerin zu schärferen Verboten abgelehnt. Sie kritisierte solche Pläne als "symbolhafte Rechtsänderungen". Nun äußerte sich Faesers Kabinettskollege, Bundesjustizminister Marco Buschmann von der FDP. "Wir werden nun in der Bundesregierung darüber beraten, wie wir den Kampf gegen diese Art der Messer-Kriminalität weiter voranbringen", sagte er der Bild am Sonntag. Die FDP deutet hier also ein Umdenken an.
SPD drängt auf Verschärfung
Die SPD erneuerte ihre Forderung nach einer deutlichen Verschärfung der Gesetze. "Dieser wahrscheinliche Terrorangriff zeigt: Deutschland hat ein Problem mit Messergewalt", sagte SPD-Chef Lars Klingbeil der Bild am Sonntag. Er fordert ein nahezu komplettes Messerverbot auf Straßen: "Für mich gibt es keinen Grund, warum Menschen Stichwaffen im Alltag mit sich führen."
Es müssten alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, "damit Messer von Deutschlands Straßen und Plätzen verschwinden", sagte Klingbeil weiter. Es brauche "schnelle und konsequente Maßnahmen". Dazu gehöre, "endlich Messerverbote erheblich auszuweiten."
Ähnlich hatte sich bereits Klingbeils Parteikollege Dirk Wiese geäußert. Die Politik müsse endlich "bei den Messerverboten vorankommen", sagte der SPD-Bundestagsfraktionsvize der Rheinischen Post. Außerdem sprach sich Wiese für mehr Befugnisse für die Sicherheitsdienste aus, "um solche Täter frühzeitig zu entdecken, insbesondere im digitalen Raum". Wiese hatte bereits in der vergangenen Woche ein generelles Verbot des Tragens von Messern in der Öffentlichkeit ins Spiel gebracht. Ein solches "Komplettverbot" müsse "ergebnisoffen" diskutiert werden, sagte er laut der Rheinischen Post.
Auch die Grünen hatten schon Mitte August Zustimmung signalisiert. Die FDP solle ihre Blockadehaltung bei der Waffenrechtsreform aufgeben, so Grünen-Innenexpertin Irene Mihalic in Richtung des Koalitionspartners.
Skepsis bei CDU
Kritiker halten die Pläne für nicht ausreichend, um die steigende Zahl von Messerangriffen in Deutschland wirksam zu reduzieren. So zeigte sich der Solinger Bundestagsabgeordnete Jürgen Hardt (CDU) hinsichtlich der Wirksamkeit eines generellen Verbots eher skeptisch. "Wir haben ja bereits Verbote", sagte er nach dem Anschlag in Solingen im Deutschlandfunk. "Natürlich lassen sich die Kriminellen nicht davon abhalten." Hardt regte an, Verbote für das Tragen gefährlicher Gegenstände "ganz gezielt" gegen Menschen auszusprechen, die in der Vergangenheit durch Gewalttaten aufgefallen sind. Ein solches Verbot könne Messer, Beile und andere als Waffen nutzbare Gegenstände umfassen.
Deutlicher Anstieg von Messerangriffen
Die Zahl der Messerangriffe hat zuletzt deutlich zugenommen - und damit die öffentliche Debatte über diese Art von Gewalt. Im vergangenen Jahr registrierte die Polizei 8.951 Fälle von gefährlicher und schwerer Körperverletzung, bei denen Messer zum Einsatz kamen, entweder um jemanden zu verletzen oder damit zu drohen - ein Anstieg um knapp 9,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Auch 10,9 Prozent aller Raubdelikte, die 2023 aktenkundig wurden, waren Messerangriffe. Als Messerangriff im Sinne der Polizeistatistik zählen Tathandlungen, bei denen der Angriff mit einem Messer unmittelbar gegen eine Person angedroht oder ausgeführt wird. Das bloße Mitführen eines Messers reicht dafür nicht aus.
Besonders viel Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erfuhr zuletzt etwa die Tat eines Afghanen Ende Mai in Mannheim. Der Mann verletzte fünf Mitglieder der islamkritischen Bewegung Pax Europa sowie einen Polizeibeamten mit einem Messer. Der Polizist starb später.
Mehr das Geschlecht als die Staatsangehörigkeit
"Wir haben nicht nur ein Messerproblem", sagte Dirk Baier, Kriminologe Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, bei tagesschau24. "Wir haben einen Anstieg von Gewaltkriminalität."
Zuletzt sei im Zusammenhang mit Messergewalt auch oft über die Staatsangehörigkeit der Täter gesprochen worden, so Baier weiter. Doch es sei das Geschlecht, das die Tatpersonen verbinde. "Es sind in erster Linie Männer, junge Männer." Diese Menschen fänden in Messern "irgendeine Faszination", die damit ihre "Männlichkeit unterstreichen". Es sei also mehr das Geschlecht, über das wir uns Gedanken machen müssten als über die Staatsangehörigkeit.
Schärfere Gesetze sieht Baier skeptisch. "Man sollte sich davon nicht zu viel versprechen. Er persönlich unterstütze zwar die Pläne der Politik, die Gesetze zu vereinheitlichen, aber solche Taten würden sie kaum verhindern. Mehr Kontrollen seien hingegen hilfreich. Und: "Waffenverbotszonen können aber zumindest kurzfristig eine Reduktion von Messerkriminalität bringen." Langfristig sei das aber auch keine Lösung. Notwendig sei vielmehr die Einstellung der jungen Männer zum Tragen von Messern zu verändern.