Nach Eklat auf Konferenz Wie die Grünen auf Palmers Austritt reagieren
"Folgerichtig", "respektabel" - aber auch "schmerzlich": Grünen-Politiker haben den Parteiaustritt Palmers überwiegend begrüßt. Inzwischen ist auch klar, wie der Plan für die von Palmer angekündigte "Auszeit" aussieht.
Die Grünen-Spitze hat den Parteiaustritt des Tübinger Oberbürgermeisters Boris Palmer begrüßt. "Dieser Schritt ist folgerichtig", sagte die Politische Bundesgeschäftsführerin der Grünen, Emily Büning, dem Nachrichtenportal t-online.
Der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour zollte Palmer Respekt. "Es gab ja Gründe, warum wir viele Diskussionen alle miteinander hatten", sagte er im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF. Palmers Schritt sei "respektabel, und ich wünsche ihm ein gutes Leben".
"Konsequenter Schritt nach einer Entfremdung"
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann bedauerte den Parteiaustritt Palmers. "Persönlich tut es mir leid um diesen klugen Kopf, der unsere Partei über eine sehr lange Zeit streitbar bereichert hat", sagte der Grünen-Politiker in Stuttgart. Es sei "ein ziemliches Drama zu Ende gegangen", so Kretschmann. "Das berührt uns sehr. Ich finde das außerordentlich schmerzlich, was da passiert ist." Palmers Entscheidung, bei den Grünen auszutreten, nötige ihm Respekt ab, sagte der Regierungschef.
Der Tübinger Bundestagsabgeordnete Chris Kühn bezeichnete den Parteiaustritt als konsequenten Schritt. Palmer habe sich besonders seit 2015 inhaltlich und programmatisch weit von der Partei entfernt, sagte Kühn. "Insoweit war das ein konsequenter Schritt nach einer Entfremdung, die sich über viele Jahre abgezeichnet hat."
Aus Partei ausgetreten
Die Berliner Grünen-Politikerin Antje Kapek sprach von einer "toxischen Beziehung". "Endlich!", schrieb sie auf Twitter. "Palmer war schon immer streitbar. Aber seine letzte Entgleisung war das übelste, was ein deutscher Politiker von sich geben konnte. Mit den Grünen hatte das schon lange nichts mehr zu tun. Gut, dass diese ultra toxische Beziehung hiermit endet."
Palmer steht massiv in der Kritik. Am Rande einer Migrationskonferenz in Frankfurt am Main hatte er sich zur Verwendung des "N-Wortes" geäußert. Mit dem sogenannten N-Wort wird heute eine früher in Deutschland gebräuchliche rassistische Bezeichnung für Schwarze umschrieben.
Als Palmer mit "Nazis raus"-Rufen konfrontiert wurde, sagte er: "Das ist nichts anderes als der Judenstern. Und zwar, weil ich ein Wort benutzt habe, an dem ihr alles andere festmacht. Wenn man ein falsches Wort sagt, ist man für euch ein Nazi."
In einer persönlichen Erklärung vom Montag betonte Palmer, er hätte als Oberbürgermeister "niemals so reden dürfen". Schließlich kündigte er eine "Auszeit" an und erklärte seinen Parteiaustritt.
Einmonatige Auszeit im Juni
Zunächst wollte Palmer sich nicht weiter zu dieser "Auszeit" äußern, nun legte er zusammen mit der Stadt einen Plan für die nächste Zeit vor. Palmer will sein Amt als Oberbürgermeister im Juni ruhen lassen, um "professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen". In der Zeit übernimmt laut Tübinger Stadtverwaltung der Erste Bürgermeister Cord Soehlke (parteilos) gemeinsam mit Bürgermeisterin Daniela Harsch (SPD) die Amtsgeschäfte.
"Auch wenn dieser Zeitraum sicher nicht ausreichen wird, um die vor mir stehende Aufgabe vollauf zu lösen, bin ich doch zuversichtlich, dass es mir gelingen wird, sie anzugehen, genug Abstand zu gewinnen und Kraft zu schöpfen", teilte Palmer in einem Schreiben an die Beschäftigten der Stadtverwaltung mit. Bis Ende Mai will Palmer noch Gemeinderatssitzungen leiten und öffentliche Termine wahrnehmen. Verzichten will er aber auf "Veranstaltungen, die Anlass zur Konfrontation bieten könnten". Weitere Details nannte die Stadt nicht.
Palmers Äußerungen
Es war nicht Palmers erste umstrittene Äußerung. Im Mai 2021 hatten die Grünen in Baden-Württemberg ein Parteiausschlussverfahren gegen ihn beschlossen. Anlass war ein als rassistisch eingeschätzter Post über den früheren Fußballnationalspieler Dennis Aogo auf Facebook. Nach Palmers Angaben war sein Eintrag satirisch gemeint.
Palmer und die Partei einigten sich damals auf einen Kompromiss: Palmer erklärte, er lasse seine Mitgliedschaft bei den Grünen bis Ende 2023 ruhen, womit der Parteiausschluss vom Tisch war. Im Oktober 2022 gewann er erneut die Oberbürgermeisterwahl in Tübingen und trat eine dritte Amtszeit an.