Kritik an neuer Partei Wie Erdogan-nah ist DAVA?
Eine Gruppe türkeistämmiger Politiker will mit einer neuen Partei in Deutschland bei der Europawahl antreten. Wie viel Einfluss des türkischen Präsidenten Erdogan steckt in der DAVA?
Seit der Vorsitzende der neuen Demokratischen Allianz für Vielfalt und Aufbruch, kurz DAVA, am 16. Januar auf Facebook eine Gründungserklärung veröffentlicht hat, hagelt es Kritik. Viele sehen die DAVA als Ableger der türkischen Regierungspartei AKP, der Partei des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan.
Einer der führenden Köpfe der DAVA, Gründungsmitglied und Nummer drei auf der Liste der Partei, Mustafa Yoldas, weist eine Nähe zu Erdogan strikt zurück: "Wir werden nicht von Herrn Erdogan gelenkt, wir werden nicht von ihm finanziert. Wir sind nicht der verlängerte Arm der AKP in der Türkei", sagte Yoldas dem WDR. Es gebe aber sehr wohl viele Menschen in der DAVA, die Sympathien für die AKP und Erdogan hegen würden.
Nur Sympathien? Fatih Zingal ist auf Listenplatz eins der neu gegründeten DAVA. Jahrelang war er Funktionär eines Vereins, der in Deutschland für Erdogans Politik geworben und Massen in Bussen zu den Wahlurnen transportiert hat.
In den sozialen Netzwerken finden sich zahlreiche Videos, in denen Zingal Erdogan unterstützt. In einem Video aus dem Jahr 2017 etwa ruft er eine Menschenmenge bei einer Versammlung dazu auf, Erdogan als Präsidenten zu unterstützen.
Yoldas selbst wiederum war jahrelang Funktionär der Gemeinschaft Milli Görüs, einer Organisation des politischen Islam, für den auch Erdogan steht.
Der Arzt Mustafa Yoldaş ist die Nummer drei auf der Liste der DAVA.
Innenministerium ist alarmiert
Im Bundesinnenministerium scheint man alarmiert. Schriftlich lässt man verlauten: "Etwaige Versuche der Beeinflussung einer Wahl in Deutschland von außen werden nicht hingenommen."
Eine Befürchtung, die auch Experten hegen. Erdogan gehe es um eine Beeinflussung muslimischer Migranten in Deutschland, sagt Hüseyin Cicek, Politikwissenschaftler und Erdogan-Experte an der Universität Bonn.
Es gehe darum "die Muslime hier in Deutschland pauschal als eine Minderheit darzustellen, die gefährdet ist, die vom deutschen System vergessen worden ist und die von den deutschen Politikern nicht beachtet wird". Das sei "klassischer Populismus", so Cicek.
Harmloser Verbund oder Erdogans Interessensvertretung?
Mustafa Yoldas von der DAVA beteuert hingegen: Die Partei wolle sich dafür einsetzen, dass "Menschen aus der eingewanderten Gesellschaft, die einen unterschiedlichen ethnischen und religiösen Background haben" ihre Rechte in vollem Umfang zugesprochen bekämen und "angemessen repräsentiert" würden.
"Ihre Meinungen, Wünsche, Träume" würden nicht von den etablierten Parteien abgebildet, so Yoldas. Er sieht die neue Partei "in der Mitte der Gesellschaft". Ist die DAVA also nur ein harmloser Verbund, der die Interessen muslimischer Migranten in Deutschland vertritt? Oder geht es um eine Interessensvertretung Erdogans?
Türkischer Oppositionspolitiker warnt
Mustafa Yeneroglu kennt viele der führenden DAVA-Köpfe aus alten Zeiten. Der deutsch-türkische Jurist stand mit Fatih Zingal in der Erdogan-Lobbyorganisation UETD, inzwischen umbenannt in UID, Seite an Seite und verteidigte Erdogans Politik im deutschen Fernsehen.
Heute ist er Abgeordneter der Oppositionspartei DEVA im türkischen Parlament und hat einen klaren Strich unter seine politische Vergangenheit gesetzt. Er könne sich vorstellen, dass "manche in dieser Partei weniger die Aufmerksamkeit in Deutschland als vielmehr die Gunst von Erdogan in der Türkei suchen".
Von Minderheitsparteien halte er grundsätzlich wenig, so Yeneroglu. Sie würden nicht in der Lage sein, "lösungsorientierten Einfluss auf die Politik zu nehmen".
Yeneroglu plädiert gegenüber Deutsch-Türken dafür, sich nicht in der DAVA zu engagieren. Der richtige Weg sei, sich in den "etablierten größeren Parteien der demokratischen Mitte" für die Belange der eigenen Minderheit zu engagieren. Sonst würde man selbst zur Spaltung der Gesellschaft beitragen.
Ein politisches Vakuum
Das Problem: Die DAVA stoße aktuell in ein politisches Vakuum, sagt Yeneroglu. Die DAVA zielt vor allem auf Muslime mit deutschem Pass; nicht nur aus der Türkei. Sie könnte damit ein großes Wählerpotenzial haben - vor allem bei denen, die sich von den deutschen Parteien bisher nicht vertreten fühlen.
Yoldas von der DAVA meint, dass sich die etablierten Parteien folgende Frage beantworten müssten: "Wie schafft es ein Präsident Erdogan, dass er 40.000 Menschen türkischer Herkunft am Rhein zusammenbringt, wenn er nach Deutschland kommt? Und wieso schafft es Olaf Scholz nicht, 4.000 Menschen mit türkischem Hintergrund zusammenzubringen?" In der Integrationspolitik sei in den vergangenen Jahrzehnten einiges versäumt worden.
Theoretisch ergibt sich nach der Änderung des Staatsbürgerschaftsrechts damit künftig ein Wählerpotenzial von rund fünf Millionen Menschen. Doch es gibt auch viele Muslime, die sich nicht als religiös verstehen. Und nicht jeder religiöse Muslim ist ein Anhänger Erdogans.
Bei der Europawahl im Juni will die DAVA antreten. Sicher unter genauer Beobachtung, vor allem was den Einfluss Erdogans angeht. Schwer zu sagen, wie viele Wähler sie tatsächlich mobilisieren kann.