Scholz im Nahen Osten Unterwegs mit doppelter Botschaft
Kanzler Scholz reist erneut nach Israel - nach einem kurzen Stopp in Jordanien. Stand die Reise im Oktober ganz im Zeichen der israelischen Opfer und Geiseln, geht es zunehmend um die humanitäre Lage im Gazastreifen.
Unterschiedlicher können zwei Meinungen kaum sein, das ist auch dem Kanzler bewusst. Anfang der Woche hat Olaf Scholz den malaysischen Regierungschef Anwar Ibrahim in Berlin empfangen. Der Premierminister des muslimisch geprägten Landes kritisiert die an Palästinensern verübten Gräueltaten. Scholz seinerseits betonte das Selbstverteidigungsrecht Israels nach dem Hamas-Terror.
Immerhin, Einigkeit in einem Punkt, so der Kanzler: "Es muss mehr humanitäre Hilfe nach Gaza gelangen." Das sei auch eine klare Aufforderung an Israel. Geradezu überdeutlich betont Scholz das Wort "muss". Auch bei Außenministerin Annalena Baerbock geht es nicht um Vorschläge oder Wünsche, sondern um ein "müssen". Man müsse endlich vorankommen, sagt sie. Die israelische Regierung müsse für mehr humanitäre Hilfen dringend mehr tun.
Zunehmendes Drängen aus Berlin
Einen konkreten Vorschlag machte der Sprecher des Auswärtigen Amts am Freitag: Israel solle seinen Hafen Aschdod für Lieferungen in den Gazastreifen öffnen. Der liegt zwischen Tel Aviv und dem Gazastreifen. Der geplante Behelfs-Pier in Gaza ersetze nicht einen richtigen Hafen.
Das harte militärische Vorgehen Israels im Gazastreifen entfremdet das angegriffene Land selbst von seinem engen Verbündeten USA. Präsident Joe Biden hat zuletzt den israelischen Ministerpräsident Benjamin Netanyahu scharf kritisiert. Zitat: "Er schadet Israel mehr, als dass er Israel hilft."
Von einer solchen Verurteilung ist die Bundesregierung zwar weit entfernt. Aber das Drängen auf mehr Hilfen nimmt zu. Ebenso Warnungen davor, auch Rafah im Süden mit einer Bodenoffensive zu überziehen. Genau solche Pläne hat Netanyahu jetzt allerdings nach Angaben seines Büros gebilligt.
"Offensive auf Rafah halten wir nicht für richtig"
Israel habe jedes Recht, sich gegen den Terror der Hamas zur Wehr zu setzen, sagt Scholz und verlangt auch diese Woche noch einmal die Freilassung der Geiseln. Er setzt aber auch hinzu: "Eine Bodenoffensive auf Rafah halten wir nicht für richtig."
Baerbock formulierte es zuletzt drastischer, nannte eine Offensive auf Rafah eine "humanitäre Katastrophe mit Ansage". Sie verweist auf rund anderthalb Millionen Menschen, die dort auf engstem Raum ausharren. Von denen seien viele den israelischen Evakuierungsaufforderungen gefolgt und aus den Kampfgebieten in Nord-Gaza geflüchtet. "Oft mit nichts mehr als ihren kleinen Kindern auf den Armen und ihren letzten Kleidern am Leib." Dann setzt Baerbock noch hinzu: "Diese Menschen können sich nicht einfach in Luft auflösen."
Luftbrücke bestenfalls "zweitbeste Lösung"
Verteidigungsminister Boris Pistorius hat diese Woche grünes Licht für die Beteiligung der Luftwaffe an Gaza-Hilfen gegeben. Zwei Transportmaschinen vom Typ C-130 "Hercules" können jeweils bis zu 18 Tonnen transportieren. Sie sollen Lebensmittel und Medikamente von Jordanien aus Richtung Gazastreifen bringen und dort aus der Luft abwerfen.
Hilfsorganisationen und die Vereinten Nationen betonen: Abwürfe aus der Luft seien teuer, aufwändig und riskant. Sie könnten die Hilfe auf dem Landweg nicht ersetzen. Das ist auch der Bundesregierung klar. Kanzler-Sprecher Steffen Hebestreit nennt die Luft- und Seebrücken die "bestenfalls zweitbeste Lösung".
Die doppelte Botschaft
Bundeskanzler Scholz wird auf seiner kurzen Nahost-Reise zunächst den jordanischen König Abdullah II. treffen. In Israel folgen Gespräche mit Ministerpräsident Netanyahu und Präsident Isaac Herzog. Seine Botschaft dürfte die des Sowohl-Als-Auch sein, wie es Außenministerin Baerbock mal formuliert hat. "Es gibt hier kein Entweder-Oder. Sondern nur ein Sowohl-Als-Auch." Was das für sie bedeutet, erklärt sie so: "Die Sicherheit der Menschen in Israel vor dem Terror der Hamas ist ebenso wichtig wie das Überleben der Palästinenserinnen und Palästinenser." Beides gehöre zusammen.
Am besten in dem friedlichen Miteinander einer Zwei-Staaten-Lösung, wie die Bundesregierung nicht müde wird zu betonen. Auch wenn diese weiter entfernt scheint denn je.