Scholz auf SPD-Parteitag "Mit uns kein Abbau des Sozialstaats"
Auf dem SPD-Bundesparteitag hat Kanzler Scholz den Zusammenhalt seiner Partei beschworen. Die Haushaltskrise werde nicht zu einem Abbau des Sozialstaats führen, sagte er unter großem Applaus der Delegierten.
Am zweiten Tag des SPD-Parteitags in Berlin hat Bundeskanzler Olaf Scholz vor den 600 Delegierten gesprochen. Dabei beschwor er die Geschlossenheit seiner Partei - auch unter öffentlichem Druck. Manche hätten damit gerechnet, dass es auf dem Parteitag mit dem Zusammenhalt vorbei sei, sagte er. Doch das werde nicht passieren.
Auch vor vier Jahren sei die SPD in einer sehr schwierigen Situation gewesen. Den Erfolg bei der Bundestagswahl habe den Sozialdemokraten zwei Jahre vor der Wahl 2021 niemand zugetraut. Aktuell steckt die SPD in einer ähnlichen Lage: Zwei Jahre vor der derzeit für 2025 geplanten Bundestagswahl sind die Umfragewerte der SPD erneut im Keller. "Diese sozialdemokratische Partei wird auch die nächsten Jahre zusammenarbeiten", sagte Scholz unter großem Applaus.
Haushaltsgespräche "schwere Aufgabe"
Mit Blick auf den noch nicht beschlossenen Haushalt für 2024 sagte Scholz, dass große Einsparungen im Sozialbereich mit der SPD nicht zu machen seien. "Es wird in einer solchen Situation keinen Abbau des Sozialstaates in Deutschland geben." Die Gespräche mit FDP und Grünen seien eine "sehr schwere Aufgabe." Aber er wolle Zuversicht vermitteln, dass es gelingen werde. Scholz erinnerte daran, dass auch die Union dem Gesetz zum Bürgergeld zugestimmt habe. "Man muss in einer solchen Situation auch einmal widerstehen", sagte er zu Forderungen, die Erhöhung für die Bürgergeldbezieher im kommenden Jahr zu begrenzen oder auszusetzen.
Der Ukraine sicherte Scholz weitere Hilfe zu. "Wir unterstützen die Ukraine weiter bei ihrem Verteidigungskampf", sagt er und erhielt großen Beifall der etwa 600 Delegierten. Die Botschaft an den russischen Präsidenten Wladimir Putin sei: "Er soll und er darf nicht darauf rechnen, dass wir nachlassen."
"Stehen an der Seite Israels"
Bezogen auf die Lage in Nahost sagte Scholz: "Deutschland steht an der Seite Israels, wir werden das Land unterstützen und wir unterstützen das Recht auf Selbstverteidigung." Auf deutschen Straßen antisemitische Parolen zu brüllen, sei strafbar. "Wir werden das nicht akzeptieren." Auch Hass auf Muslime verurteilte Scholz.
Deutschland solle weiterhin offen sein für die Zuwanderung von Arbeitskräften und Familienmitgliedern. Diese müssten auch die Möglichkeit erhalten, deutsche Staatsbürger zu werden. Der Forderung, das individuelle Recht auf Asyl abzuschaffen, erteilte er eine deutliche Absage: "Deutschland ist ein Land, aus dem Menschen fliehen mussten, deshalb gibt es das Grundrecht auf Asyl und deshalb werden wir es auch nicht aufkündigen." Seine umstrittene Aussage, Asylbewerber ohne Bleiberecht "in großem Stil" abzuschieben, wiederholte er in seiner Rede allerdings nicht.
Rechtspopulismus Zuversicht entgegensetzen
Zum erstarkenden Rechtspopulismus in Deutschland und weiteren Ländern sagte Scholz, Unsicherheiten hätten auch mit den Veränderungen in der Welt zu tun. "Es muss Zuversicht möglich sein. Man muss daran glauben können, dass es für einen selbst, die eigenen Kinder und Enkel gut ausgehen wird, dass die Welt zehn Milliarden Einwohner hat, dass auch andere reich sind und was können." Das sei keine Bedrohung, so Scholz. "Wir können vorne dabei sein, wenn wir die richtigen Dinge tun und wenn wir auf eine Gesellschaft, die zusammenhält, setzen. Dann ist Zuversicht begründet und das ist das Eine, das wir den rechten Populisten entgegensetzen müssen".
Zum anderen dürfe es die SPD niemandem durchgehen lassen, "dass er die Idee entwickelt, weil es ihm schlecht geht, darf er rechtsradikale Ideen haben", sagte Scholz unter großem Applaus.
Kritische Anträge zur Migrationspolitik
Der Parteitag hatte am Freitag begonnen und läuft noch bis Sonntag. Am Nachmittag geht es um die internationale Positionierung der SPD. Als Gastredner wird Spaniens Ministerpräsident Regierungschef Pedro Sánchez erwartet, der auch Vorsitzender der spanischen Sozialisten ist.
Weiteres Thema ist die Migrations- und Flüchtlingspolitik. Hierzu hatte die Parteiführung erst kurz vor dem Parteitag angesichts vieler kritischer Anträge zum Regierungskurs und der EU-Asylreform einen eigenen Leitantrag beschlossen. Er fordert insbesondere eine staatliche Seenotrettung im Mittelmeer und die Rückkehr zum Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte, die kein Asyl in Deutschland bekommen, aber aus humanitären oder anderen Gründen vorerst bleiben dürfen.
Am Samstag waren die Parteivorsitzenden Lars Klingbeil und Saskia Esken sowie Generalsekretär Kevin Kühnert mit guten Werten wiedergewählt worden. Zudem verabschiedete die SPD einen Leitantrag, der eine Lockerung der Schuldenbremse sowie eine "einmalige Krisenabgabe" für Vermögende vorsieht.