Selbstbestimmungsrecht im Kabinett Gesetz von 1980 soll abgelöst werden
Das Bundeskabinett hat das Selbstbestimmungsgesetz auf den Weg gebracht: Es soll die Änderung des Geschlechtseintrags für trans und nicht-binäre Menschen erleichtern. Betroffene sehen den Gesetzentwurf als historisch an
Bisher müssen sich transgeschlechtliche und nicht-binäre Menschen einem aufwendigen Verfahren mit zwei psychiatrischen Begutachtungen unterziehen, wenn sie ihren Geschlechtseintrag oder Vornamen ändern wollen. Entscheiden muss dann ein Gericht. Die Kosten für die Verfahren betragen im Durchschnitt 1.900 Euro. Die Betroffenen müssen das selbst zahlen. Festgeschrieben sind diese Regelungen im Transsexuellengesetz von 1980, das in wesentlichen Teilen vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig befunden wurde. Die Bundesregierung will die Regelungen mit dem sogenannten Selbstbestimmungsgesetz ändern.
Der Gesetzentwurf sieht vor: Ab 18 Jahren soll eine Änderung des Geschlechtseintrags und Vornamens künftig ohne Gutachten beim Standesamt möglich sein. Für Minderjährige bis 14 Jahre sollen die Sorgeberechtigten eine Änderung vornehmen lassen können. Minderjährige ab 14 dürfen die Änderungserklärung selbst abgeben. Sie wird allerdings nur wirksam, wenn die Sorgeberechtigten zugestimmt haben. Ist das nicht der Fall, kann ein Familiengericht die Zustimmung ersetzen. Das Kindeswohl soll dabei die Entscheidung leiten.
Diskriminierende Erfahrungen
Dass es erstmals einen Gesetzentwurf gibt, der die bisherigen Regelungen grundsätzlich ändern soll, ist für Kalle Hümpfner vom Bundesverband Trans* "historisch". Das Selbstbestimmungsgesetz werde von vielen trans und nicht-binären Personen seit Jahren "sehnlichst" erwartet. Diese Personen würden oftmals mit Ausweisdokumenten leben, die nicht zu ihrem Aussehen oder ihrer Identität passten. Im Alltag führe das immer wieder zu Problemen und diskriminierenden Erfahrungen.
Hümpfner hat das selbst erlebt. Zum Beispiel, als unterstellt wurde, die EC-Karte sei die einer Freundin, weil der Name auf der Karte nicht zum Erscheinungsbild passte. Auch bei Reisen und Polizeikontrollen fühlte Hümpfner sich besonders gemustert. Als der Leidensdruck zu groß wurde, hat sich Hümpfner dazu durchgerungen, sich begutachten zu lassen, um den Vornamen und Geschlechtseintrag ändern zu lassen. Doch das Verfahren sei eine entwürdigende Prozedur. Oftmals würden intime Fragen gestellt, zum Beispiel zum Masturbationsverhalten. Für die Betroffenen wäre der neue Gesetzentwurf ein "sehr großer Schritt", sagt Hümpfner. "Aber auch gesamtgesellschaftlich, um gesellschaftliche Vielfalt als selbstverständlichen Teil unserer Gesellschaft wahrzunehmen."
Union hat Bedenken
Die Union hat grundlegende Bedenken am Vorhaben. Vor allem, was die geplanten Regelungen für Minderjährige betrifft. Aus Sicht der familienpolitischen Sprecherin Silvia Breher wird bei Kindern und Jugendlichen in nicht verhältnismäßiger Art und Weise in das grundrechtlich geschützte Erziehungsrecht der Eltern eingegriffen. Die Kritik der CDU-Politikerin bezieht sich auch auf den Fall, dass Eltern bei Minderjährigen unter 14 Jahren keine Erklärung abgeben, etwa weil sie uneinig sind.
Laut Gesetzentwurf kann "das Familiengericht die Erklärung des Sorgeberechtigen dann ersetzen oder den Sorgeberechtigten das Sorgerecht für diese Angelegenheit teilweise entziehen", sofern eine Gefährdung des Kindeswohls vorliegt. Gerade in "entwicklungssensiblen Phasen wie der Pubertät" dürften die engsten Bezugspersonen bei solch einer schwerwiegenden Entscheidung nicht außen vorgelassen werden, sagt Breher. Sie kritisiert zudem, dass die Ampel Bedenken von Kinder- und Jugendpsychiatern ignorieren würden. Es gebe die Befürchtung, dass Jugendliche während der Pubertät "voreilige Entscheidungen über eine Geschlechtsumwandlung treffen könnten", sagt die CDU-Politikerin.
Sachliche Debatte "wünschenswert"
Im Gesetzentwurf geht es jedoch gar nicht um geschlechtsangleichende medizinische Maßnahmen. Das wurde explizit im Entwurf festgehalten. Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP) hat diese Klarstellung in ihrer Stellungnahme begrüßt. Wenn davon die Rede sei, dass es auch um Geschlechtsangleichungen gehe, stifte das Verwirrung, sagt Hümpfner vom Bundesverband Trans*. Wünschenswert sei eine sachliche Debatte, in der man sich konkret auf die Inhalte bezieht, die im Entwurf enthalten sind.