Einflussnahme von außen Wie die Bundestagswahl geschützt werden soll
Den Sicherheitsbehörden bleibt nicht mehr viel Zeit, den Schutz von Wahlkämpfern und des Wahlprozesses vorzubereiten. Was planen sie gegen Desinformation, Cyberangriffe und Sabotageversuche?
Ende Februar soll ein neuer Bundestag gewählt werden - sieben Monate früher als ursprünglich geplant. Das ist nicht nur für die Wahlkämpfenden eine Herausforderung, sondern auch für die Sicherheitsbehörden.
Hintenrunter falle bei den Sicherheitsbehörden trotzdem nichts - die seien ausreichend sensibilisiert, versichert Bundesinnenministerin Nancy Faeser gegenüber dem ARD-Hauptstadtstudio. Aber für die Kandidierenden werde es schwieriger, gerade für diejenigen, die neu seien. "Deswegen appellieren wir ja auch so stark darauf zu achten, dass man sich möglichst resilient aufstellt", so die SPD-Politikerin.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz und das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) berate die Parteien und gebe Handlungsempfehlungen heraus für Kandidierende, so Faeser. Bei einer Sitzung des Innenausschusses am Vormittag waren neben der Bundesinnenministerin auch die BSI-Präsidentin Claudia Plattner und der Vize-Chef des Bundesverfassungsschutzes, Sinan Selen, anwesend.
Warnung des Verfassungsschutzes
Ende vergangener Woche hatte der Bundesverfassungsschutz eine ausführliche Analyse veröffentlicht, in der er Szenarien durchspielt, wie fremde Staaten im Rahmen der Wahl Einfluss auf den politischen Raum nehmen könnten. Einzukalkulieren seien Desinformation, Diskreditierung, Cyberangriffe sowie Spionage und Sabotage. Das Ziel: Entscheidungs- und Funktionsträger, der öffentliche Meinungs- und Willensbildungsprozess sowie das Vertrauen der Bevölkerung in staatliche Institutionen.
"Das wohl größte und naheliegendste Interesse, die Wahl im eigenen Sinne zu beeinflussen", habe Russland. Seit 2022 habe es die Verbreitung pro-russischer und anti-westlicher Narrative offensiv ausgebaut und spreche selbst davon, in einem Informationskrieg zu stehen.
Auch BSI warnt vor Attacken auf den Wahlprozess
Auch beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) findet derzeit "eine angepasste und situativ verstärkte Lagebeobachtung" statt. "Natürlich gibt es Kräfte innerhalb und außerhalb, die ein Interesse daran haben, einen Wahlprozess zu attackieren und eine demokratische Ordnung zu stören", sagte BSI-Präsidentin Plattner im November bei der Vorstellung ihres Jahresberichts.
Es gehe deshalb auch darum, "die Bevölkerung darüber zu informieren und dafür zu sensibilisieren, dass nicht alles, was dort massenhaft, teilweise auch automatisiert in den sozialen Medien geteilt wird, immer der Wahrheit entspricht".
Eine zusätzliche Herausforderung: der vorgezogene Wahltermin. "Je weniger Zeit wir für die Vorbereitung der Cybersicherheit im Wahlprozess haben, desto weniger gründlich kann diese natürlich erfolgen", so Plattner. "Das ist knapp. Wir werden unser Möglichstes tun, um den Wahlprozess abzusichern im Rahmen dessen, was in diesem Zeitraum möglich ist."
"Voice of Europe" als mahnendes Beispiel
Wie eine solche Einflussnahme aussehen kann, ließ sich dieses Jahr vor der Europawahl beobachten. "Dort gab es ja diese 'Voice of Europe'-Geschichte, wo wir gesehen haben, wie massiv mit Desinformationen das Netz geflutet wurde", erinnerte Faeser.
Das Nachrichtenportal "Voice of Europe" geriet damals in den Verdacht, von der russischen Regierung kontrolliert prorussische Propaganda zu verbreiten. Die EU sperrte die Plattform im Mai innerhalb der Europäischen Union. Über das Portal soll auch Geld an Politiker für pro-russische Äußerungen geflossen sein , etwa an den AfD-Politiker Petr Bystron. Er bestreitet die Vorwürfe.
Ein anderes Beispiel war ein Hackerangriff auf das Netzwerk der CDU. Das Bundesinnenministerium sprach von einem "schwerwiegenden" Angriff, die Art des Vorgehens deute auf einen "sehr professionellen Akteur" hin. Bislang haben die Sicherheitsbehörden den Angriff nicht konkret zugeordnet.
Ziel eines solchen Angriffs kann eine sogenannte "Hack and Leak"-Kampagne sein. Dabei werden E-Mails und Dokumente gestohlen, um anschließend - möglicherweise manipuliert - veröffentlicht zu werden.
Gewalt gegen Wahlkämpfende
Neben Cyberangriffen müssen die Sicherheitsbehörden auch gewalttätige Übergriffe auf Politiker und ehrenamtliche Helfer im Blick haben - auch das hat der Europawahlkampf gezeigt. Besondere Aufmerksamkeit erlangte damals der Fall des sächsischen SPD-Spitzenkandidaten Matthias Ecke, der in Dresden zusammengeschlagen worden war, als er Wahlplakate aufhängen wollte.
In einer Sondersitzung hatten die Innenminister als Reaktion gefordert, dass Übergriffe auf ehrenamtlich engagierte Menschen härter bestraft werden. Ein Gesetzentwurf des Bundesrats dazu ist im Bundestag aber nicht mehr beraten worden.
Und der Schutz von Veranstaltungen und Wahlkampfständen hat Grenzen - das wurde auch schon vor der Europawahl klar. Die Polizei kann nicht überall daneben stehen.
Faeser bei Innenministerkonferenz
Für Faeser ging es nach dem Innenausschuss weiter nach Brandenburg. Etwas abgelegen in Rheinsberg trifft sie im Rahmen der Herbst-Innenministerkonferenz, die bis Freitagnachmittag läuft, auf die Innenminister der Bundesländer. Auch hier will sie über die Sicherheit der Bundestagswahl sprechen.
Doch die Innenminister der Länder haben eher ihre Evergreens auf dem Zettel: Debatten über den richtigen Kurs beim Thema Migration sowie die parteiübergreifenden Forderungen nach einer IP-Adressenspeicherung und mehr Geld für den Katastrophenschutz.