Kanzler Scholz im ARD-Sommerinterview "Wir werden den Sozialstaat verteidigen"
Die Ampelregierung ringt weiter um den Bundeshaushalt 2025. Kanzler Scholz lehnte im ARD-Sommerinterview Kürzungen im Sozialbereich erneut ab. Beim Bürgergeld wünscht er sich aber mehr Treffsicherheit.
Im Streit um die Haushaltsverhandlungen hat Bundeskanzler Olaf Scholz Kürzungen im Sozialbereich zurückgewiesen. "Wir werden den Sozialstaat verteidigen und wir werden ihn auch entwickeln", sagte der SPD-Politiker im ARD-Sommerinterview. Es habe viele Verbesserungen gegeben, sagte Scholz und nannte etwa die Erhöhung des Mindestlohns und des Kindergelds sowie die seiner Meinung nach stabile Rente.
Zuvor hatte die SPD-Linke den Druck auf Scholz erhöht und ein Mitgliederbegehren beim SPD-Parteivorstand eingereicht. Die Initiatoren lehnen darin Kürzungen in den Bereichen Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie, Bildung, Demokratie und Entwicklungszusammenarbeit entschieden ab.
Scholz: Haushalt im kommenden Monat
Hintergrund ist ein Haushaltsloch von rund 25 Milliarden Euro. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) pocht darauf, dass die Schuldenbremse eingehalten wird und verlangt deutliche Kürzungen in den Budgets mehrerer Ministerien, vor allem des Sozialressorts.
Scholz rechnet mit einer Verabschiedung des Haushalts im kommenden Monat. Ob wegen der hohen Kosten für die milliardenschwere Unterstützung der Ukraine am Ende eine Notlage erklärt werden könnte, ließ der Kanzler offen.
"Höhere Treffsicherheit" beim Bürgergeld
Beim Bürgergeld will die Ampel-Regierung nach den Worten von Scholz die "Treffsicherheit" erhöhen. Es gehe darum, "dass niemand sich drücken kann, dass man mitarbeitet, um die eigene Arbeitslosigkeit zu überwinden", sagte er weiter. "Das muss gewährleistet sein."
Dazu gehöre auch die Bekämpfung von Schwarzarbeit bei Empfängern des Bürgergelds. Es dürfe nicht passieren, dass "jemand arbeitet, das Einkommen verschweigt und dann noch gleichzeitig Bürgergeld bekommt". Deshalb sei die Finanzkontrolle Schwarzarbeit beim Zoll ausgebaut worden. Auch werde es noch klare Gesetzesverschärfungen geben.
Die Pläne, stärker gegen Schwarzarbeit vorzugehen, sind Teil der aktuellen Haushaltsverhandlungen der Ampel-Parteien. Medienberichten zufolge will die SPD in solchen Fällen Bürgergeld-Beziehenden bei Schwarzarbeit den Regelsatz für zwei Monate streichen.
"AfD-Ministerpräsident wäre sehr bedrückend"
Auch zu den anstehenden Landtagswahlen äußerte sich Scholz. In Thüringen und Sachsen werden am 1. September neue Landtage gewählt, in Brandenburg wird am 22. September abgestimmt. In Umfragen liegt die AfD in allen drei Ländern vorn, wenn teilweise auch knapp.
Scholz setzt darauf, dass es nach den Landtagswahlen im Osten keinen Ministerpräsidenten von der AfD geben wird. Ein AfD-Regierungschef "wäre sehr bedrückend", sagte der Kanzler. Er sei aber "ganz zuversichtlich", dass bei den nächsten Wahlen, wo es um die Regierung gehe, die anderen Parteien neben der AfD die Mehrheit in den Landtagen haben werden.
Dass die SPD im Osten teilweise bei nur sieben Prozent liegt, kommentierte Scholz mit den Worten: "Da ist was los." Da könne man "nicht drumherum reden". Viele Menschen seien mit der Unterstützung der Ukraine und den Sanktionen gegen Russland nicht einverstanden. "Das schlägt sich auch in Wahlergebnissen nieder", sagte Scholz. Es gebe aber "nicht die Alternative, dass wir das ändern".
Corona-Politik soll aufgearbeitet werden
Rückblickend äußerte sich Scholz zudem kritisch zur deutschen Corona-Politik: "Es hat ein paar Entscheidungen gegeben, die drüber waren." Er nannte zum Beispiel das Verbot von Spaziergängen im Wald. "Das habe ich nicht verstanden. Und das, glaube ich, hätte nicht sein müssen."
Auch die Schulschließungen kritisierte der Kanzler: "Das ist ein Thema, das mich die ganze Zeit - auch während der Corona-Krise - bewegt hat. Und ich habe ja zu denen gehört, die für Vorsicht geworben haben. Und wenn man jetzt nachträglich die Bilanz anschaut, dann haben wir in Deutschland die Schulen mehr geschlossen als in anderen Ländern. Und das war sicherlich nicht die richtige Entscheidung."
Er sprach sich zudem für eine Aufarbeitung der Corona-Politik durch Bürgerräte aus. Der Vorteil von Bürgerräten sei, so Scholz, dass dort nicht nur Experten und Abgeordnete dabei seien, "sondern eben auch Bürgerinnen und Bürger".