Klausurtagung auf Schloss Meseberg Die Ampel sucht den Neustart
Nach der Tagung des Kabinetts ziehen die Ampelspitzen eine positive Bilanz. Egal ob Klimawende oder Digitalisierung, Deutschland werde die Herausforderungen schultern, versprach Kanzler Scholz. Von den Streitereien der Vergangenheit - kein Wort.
In Ruhe über grundsätzliche Fragen sprechen - das war das Ziel der zweitägigen Klausurtagung des Bundeskabinetts im brandenburgischen Meseberg. Im Anschluss lobten Bundeskanzler Olaf Scholz, Wirtschaftsminister Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner die "konstruktiven Gespräche". Das Treffen in der Abgeschiedenheit des Barockschlosses habe allen gezeigt, "dass wir aufeinander angewiesen sind", sagte Habeck.
In den vergangenen Wochen war es wiederholt zu hitzigen Diskussionen in der Ampelkoalition gekommen. Nun zeigte sich Bundeskanzler Scholz zuversichtlich: "Das, was hier stattgefunden hat, ist ein sehr fühlbares Unterhaken und auch die gemeinsame Überzeugung, dass das gelingen wird." Deutschland stehe vor großen Herausforderungen, habe aber seit Beginn des russischen Angriffskriegs auch einiges erreicht - so etwa der Verzicht auf russisches Gas. "Daraus ist ein neuer Schwung entstanden", sagte Scholz. Die Ampelkoalition wolle nun "in ganz kurzer Zeit" verschiedenste Vorhaben zum Abschluss bringen.
Energiewende werde Arbeitslosigkeit verhindern
Am zweiten Tag der Tagung standen die Transformation der Wirtschaft hin zur Klimaneutralität und die Digitalisierung auf der Agenda. Das seien große Aufgaben, "die wir schultern werden", versprach Scholz - und forderte Tempo ein. Vier bis fünf Windräder müssten pro Tag gebaut werden, um das Ziel Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen. Zudem müssten pro Tag umgerechnet mehr als 40 Fußballfelder voller Solaranlagen entstehen. Bereits bis 2030 sollen gemäß Klimaschutzgesetz die Emissionen um 65 Prozent gegenüber 1990 sinken.
Die Energiewende werde positive Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt haben, versprach der Bundeskanzler. In den nächsten Jahren werde Deutschland das Problem der Arbeitslosigkeit hinter sich lassen. "Es gibt sehr viel zu tun, für das wir sehr viele Frauen und Männer brauchen, die hierzulande sich einsetzen, aber auch aus anderen Ländern dazukommen, damit all die Arbeit geschafft werden kann, die jetzt anfällt."
Habeck will Industriestrompreis zügig umsetzen
Auch Vizekanzler Habeck betonte, dass die Herausforderungen enorm seien, wies aber auch darauf hin, dass die Zahl der erneuerbaren Energien vor 23 Jahren bei 0,1 Prozent gelegen habe. "Faktisch waren sie nicht existent", so Habeck. Jetzt sei Deutschland bereits viel weiter. "Vor den nächsten 20 oder 25 Jahren sollte uns also nicht bange sein." Er sei zuversichtlich, "dass wir aus der Klausur herausgehen und alle Fragen lösen werden".
Habeck kündigte zudem an, zügig ein Konzept für einen Industriestrompreis in Deutschland umzusetzen. Es sei ein Wettbewerbsnachteil, dass in Europa anders als in den USA die operativen Kosten der Produktion nicht subventioniert würden, sagte der Grünen-Politiker mit Blick auf die US-Subventionen für klimafreundliche Technologien. "Das ist ein Wettbewerbsnachteil, das muss man klar sagen." Er werde deshalb "sehr zeitnah" eine marktwirtschaftliche Lösung für einen Industriestrompreis anschieben. Habeck nannte Entstehungskosten für erneuerbare Energien von fünf bis neun Cent, die "voll" bei den Unternehmen ankommen sollten, etwa durch Direktverträge. "Das wäre ein Bestandteil eines Industriestrompreises aus dem Markt heraus", sagte er.
Den neuen Schwung, der durch die Gespräche im Schloss Meseberg entstanden sei, unterstrich auch Finanzminister Lindner. "Das war eine gute Klausurtagung", so der Minister. Mit Blick auf die Streitigkeiten in der Koalition sagte er, es habe in Meseberg auch viele Gelegenheiten zu informellen Gesprächen gegeben. "Das hilft uns dann auch für das politische Tagesgeschäft in Berlin."
Künstliche Intelligenz bringt neue Chancen
Nicht nur das Anstreben der Klimaneutralität werde die deutsche Industrie maßgeblich beeinflussen, sondern auch die künstliche Intelligenz. Diese werde die Welt komplett verändern, sagte Scholz. Damit seien aber auch zahlreiche Chancen verbunden, so etwa in der medizinischen Forschung.
Finanzminister Lindner betonte den enormen Kapitalbedarf, der bei der künstlichen Intelligenz bestünde. Dabei ginge es auch um privates Kapital. "Es trifft sich gut, dass wir in dieser Woche das Zukunftsfinanzierungsgesetz abschließen und es rasch in die Ressortabstimmung geben", sagte Lindner. Mit dem Gesetz sollten private Finanzierungsbedingungen in der Breite verbessert werden.