Emissionen auf Rekordtief Treibhausgas-Ausstoß überraschend stark gesunken
Die Treibhausgasemissionen in Deutschland sind unerwartet deutlich zurückgegangen. Das zeigt eine vorläufige Auswertung der Denkfabrik Agora Energiewende. Das ist aber nur teilweise eine gute Nachricht.
673 Millionen Tonnen Treibhausgase sind in Deutschland im vergangenen Jahr ausgestoßen worden. Das sind zehn Prozent weniger als 2022 - und 46 Prozent weniger als im Jahr 1990, das üblicherweise als Referenzjahr für den Rückgang herangezogen wird. Es ist ein Rekordtief, das allerdings die Experten der Lobbyorganisation Agora Energiewende nur verhalten positiv bewerten. Das liegt an den Gründen für den Rückgang.
Positiv ist, dass mehr erneuerbare Energie aus Wind und Solar genutzt wurde. Außerdem ist die Nachfrage nach Strom in Deutschland im vergangenen Jahr gesunken - und es wurde weniger Strom in andere Länder exportiert. Entsprechend wurde in den deutschen Kraftwerken auch weniger klimaschädliche Kohle verbrannt.
Hauptgrund: Schlechte Wirtschaftslage
Das allerdings ist nur scheinbar positiv. "Grundsätzlich ist Deutschland auf einem guten Weg. Aber natürlich sind die Zahlen auch mit einer gewissen Zurückhaltung zu betrachten", kommentiert FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler.
Deutschland hat erstens mehr Strom aus anderen Ländern importiert, darunter Atomstrom. Und zweitens hängt die gesunkene Nachfrage laut Agora größtenteils damit zusammen, dass die Industrie im vergangenen Jahr krisenbedingt weniger Aufträge hatte. Die energieintensive Produktion sei um elf Prozent zurückgegangen, die Gesamtwirtschaft nur um 0,3 Prozent.
Industrievertreter weisen darauf hin, dass ein Teil der Produktion verlagert wurde - also der Ausstoß von CO2-Äquivalenten, der in Deutschland eingespart wurde, in anderen Ländern zumindest teilweise draufgerechnet werden muss. Ein Nullsummenspiel.
Um die Auswirkungen verschiedener Treibhausgase vergleichen zu können, wird in der Maßeinheit CO2-Äquivalent gerechnet. Mit ihr wird die Klimawirkung unterschiedlicher Treibhausgase in Vergleich zu derjenigen von Kohlendioxid ausgedrückt.
Zudem ist dieser Rückgang auch wenig nachhaltig. Bedeutet: Geht es mit der Wirtschaft bergauf, geht wahrscheinlich auch der Ausstoß von Treibhausgasen nach oben. Agora Energiewende geht davon aus, dass somit nur etwa 15 Prozent der Einsparungen im vergangenen Jahr auch wirklich auf Klimaschutzmaßnahmen zurückgehen und entsprechend dauerhaft sind.
Kaum Veränderung bei Verkehr und Bauen
Abseits von Energie und Industrie sind die Zahlen, die Agora Energiewende vorlegt, ebenfalls kaum ein Grund zur Freude. In der Landwirtschaft sind die Emissionen nur leicht gesunken.
Im Verkehrssektor ist der Ausstoß um gerade einmal zwei Prozent im Vergleich zum Jahr 2022 zurückgegangen. Und auch im Gebäudesektor ist der Treibhausgas-Ausstoß nur leicht gefallen, was hauptsächlich daran lag, dass Privathaushalte weiter Gas gespart haben und wegen vergleichsweise milder Temperaturen insgesamt weniger geheizt werden musste. Trotzdem verfehlt der Bausektor, genau wie Verkehr, auch weiter die gesteckten Ziele - und das schon zum wiederholten Mal.
Aus dem Bauministerium heißt es, es sei klar, dass es erheblichen Nachholbedarf gebe. "Deshalb fördern wir ausschließlich klimafreundlichen Neubau, fördern den Kauf von Bestandsgebäuden durch Familien und unterstützen den Umbau von Büros zu Wohnungen", so eine Sprecherin. Außerdem gebe es eine verpflichtende Wärmeplanung: "Die Wärmeplanung ist die Grundlage für den Ausstieg aus dem fossilen Heizen und wird zur Einsparung von CO2 beitragen." Allerdings: Solche Maßnahmen helfen womöglich langfristig, kurzfristig sind so aber keine Einsparungen zu erwarten.
Industrie sichern, CO2-Ausstoß niedrig halten
Die Forderung der Denkfabrik: Die Bundesregierung müsse dieses Jahr entsprechende Maßnahmen ergreifen. "Wir brauchen Maßnahmen zur Sicherung des Industriestandorts und, vor allen Dingen, ein schlüssiges Gesamtkonzept im Verkehr. Insgesamt kann das alles nur funktionieren, wenn die Finanzierung der Transformation auf eine stabile und zuverlässige Grundlage gestellt wird", sagt Agora-Direktor Simon Müller. Er spricht damit den umstrittenen Bundeshaushalt an, der dieses Jahr noch durch den Bundestag muss.
FDP-Politiker Köhler sieht das ähnlich: "Wichtig ist, dass wir dafür sorgen, dass die Industrie jetzt in effiziente Energien investiert, aber vor allen Dingen in neue Maschinen, damit die Produktion wieder hochgeht und gleichzeitig der CO2-Ausstoß niedrig bleibt". Er verweist auf ein neues Gesetz, das Investitionen attraktiver machen soll, weil diese einfacher abgeschrieben werden können. Das sogenannte Wachstumschancengesetz hängt allerdings noch im Vermittlungsausschuss fest, weil der Bundesrat sein Veto eingelegt hat.
Agora Energiewende ist eine Denkfabrik, die hauptsächlich durch private Spenden und öffentliche Zuwendungen finanziert wird. Gesellschafter sind die Stiftung Mercator, die von der Stifterfamilie Schmidt (Metro AG) gegründet wurde, und die European Climate Foundation. Nach eigenen Angaben werden keine Spenden von Unternehmen angenommen. Im Rat der Agora sitzen unter anderem Vertreter der Wissenschaft, der Bundespolitik, der Bundesnetzagentur, von Umweltverbänden und aus der Energiewirtschaft.