Wirtschaftsaussichten 2024 Verbände blicken pessimistisch ins neue Jahr
Die Mehrheit der Wirtschaftsverbände geht mit niedrigen Erwartungen in das neue Jahr, ergab eine IW-Umfrage. 2024 dürfte ein schwaches Jahr für Investitionen werden, mit großen Wachstumssprüngen ist nicht zu rechnen.
Globale Krisen, hohe Zinsen, schwache Weltwirtschaft und eine unsichere Haushaltslage. Das sind nur einige Themen, die Wirtschaftsvertreter pessimistisch ins neue Jahr blicken lassen. Wie eine Umfrage des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) unter 47 deutschen Wirtschaftsverbänden ergab, erwarten nur neun von ihnen für 2024 ein höheres Produktionsniveau. Dagegen sprechen 23 Verbände von einem Produktions- oder Geschäftsrückgang im kommenden Jahr.
Bereits die aktuelle Lage werde von 30 der insgesamt 47 teilnehmenden Verbände schlechter bewertet als vor einem Jahr. "Selten war die Lage so düster wie derzeit, und selten war die Prognose so pessimistisch", lautet die Zusammenfassung der IW-Befragung. Dabei müsse berücksichtigt werden, dass auch vor einem Jahr aufgrund der Energiekrise keine gute Stimmung in der deutschen Wirtschaft herrschte.
Hohe Energiepreise belasten Unternehmen
Seither habe sich aber einiges gebessert, gibt Chris-Oliver Schickentanz von der Capitell-Vermögensverwaltung zu bedenken. So seien die Inflationsraten zuletzt deutlich zurückgegangen, und die Zeiten ständig weiter steigender Zinsen scheinen vorerst vorbei zu sein. Dennoch sieht Schickentanz Herausforderungen für die deutsche und europäische Wirtschaft: "Europa leidet noch immer unter den hohen Energiepreisen. Die Unternehmen sind dadurch belastet - im Vergleich zu US-amerikanischen Unternehmen ist das die zwei- bis dreifache Kostenbelastung, die auf europäische Unternehmen zukommt." Das sei ein massiver Wettbewerbsnachteil.
Nur in sechs Branchen wird die aktuelle Situation laut IW-Befragung besser bewertet als im letzten Jahr, in den verbleibenden elf wird von einer unveränderten Wirtschaftslage gesprochen. Die schwache Entwicklung der Weltwirtschaft infolge der geopolitischen Verwerfungen, die geldpolitische Straffung infolge der hohen Inflation sowie die Verunsicherung der Unternehmen und Haushalte infolge der haushaltspolitischen Unklarheiten in Deutschland drückten die Aussichten für das Jahr 2024.
Unsichere Haushaltslage in Deutschland
"Die deutsche Wirtschaft leidet flächendeckend darunter, dass sie nicht planen kann", erklärte IW-Direktor Michael Hüther. Das "Desaster um den Haushalt" in der Regierungskoalition zeige, wie gravierend die Lage sei. Hüther warnte vor einer Deindustrialisierung und einer zunehmenden Abwanderung der Firmen aus Deutschland und forderte unter anderem eine Reform der Schuldenbremse. Im Interview mit dem Deutschlandfunk sprach sich der Ökonom aber gegen eine Aufhebung der Schuldenbremse aus.
"Aber dieses einseitige Beachten der Schulden und nicht des Bruttoinlandsprodukts führt jetzt natürlich dazu, dass die Regierung selbst verschärfend in die gesamtwirtschaftliche Entwicklung hineinwirkt", sagte Hüther. Es gehe darum, kluge Lösungen zu finden, etwa indem man einen gesamtgesellschaftlichen Fonds für Investitionen in Infrastruktur oder Transformation auflege. Alle Investitionen, für die eine Planungs- und Verfahrensbeschleunigung machbar sei, gehörten etwa in einen solchen Fonds, Subventionen dagegen nicht, meint Hüther.
Bessere Rahmenbedingungen gefordert
Auch der Chef-Volkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer, hat konkrete Forderungen an die Politik. Zu tagesschau.de sagte er: "Die Unternehmen brauchen endlich bessere Rahmenbedingungen, sie brauchen wettbewerbsfähige Energiekosten, sie brauchen schnellere Genehmigungsverfahren, sie brauchen bessere Straßen.“ Die Liste sei lang.
Mit einer wesentlichen Verschlechterung rechnen laut IW-Befragung vor allem energieintensive Branchen, etwa Gießereien, die Keramische Industrie, die Lederindustrie sowie die Kunststoffverarbeitung. Auch die Immobilienwirtschaft, Baugewerbe und Bauindustrie sowie Banken und Sparkassen sind angesichts der hohen Zinsen pessimistisch.
Umsatzrückgang bei rund einem Drittel
In den beiden großen Volkswirtschaften der Welt, USA und China, läuft wirtschaftlich gesehen auch nicht alles rund. Viele Handelspartner bekommen das bereits zu spüren. Ob das Maschinenbauer sind, chemische Betriebe oder Autobauer. Waren "Made in Germany" sind nicht mehr so gefragt. In vielen Branchen kommen weniger Aufträge rein. Nach einer Berechnung der Beratungsgesellschaft EY ist in diesem Jahr der Gesamtumsatz der 100 größten deutschen Unternehmen um neun Prozent zurück gegangen. Das führt EY vor allem auf den starken Rückgang bei den Energieversorgern zurück.
Immer noch konnten 66 der 100 umsatzstärksten Unternehmen Deutschlands ihren Umsatz in den ersten drei Quartalen des Jahres steigern. Während die Automobilhersteller und -zulieferer um elf Prozent wuchsen, verbuchte die Gesundheitsbranche nach dem Corona-Boom nun ein Umsatzminus von 12 Prozent. Logistikunternehmen schrumpften laut EY-Analyse sogar um 14 Prozent, die Chemiebranche verzeichnete ein Minus von 20 Prozent.
EY erwartet "keine Wachstumssprünge"
EY-Deutschland-Chef Henrik Ahlers sagt mit Blick auf die Zahlen, der Gegenwind nehme zu: "Viele Unternehmen wuchsen zuletzt - wenn überhaupt - nur noch leicht, oft mit Wachstumsraten unterhalb der Inflationsrate." Wachstumstreiber war in diesem Jahr noch die Automobilbranche, aber auch für Deutschlands Vorzeigeindustrie werde die Luft angesichts eines lahmenden weltweiten Neuwagenabsatzes immer dünner.
Laut EY führten die weltweiten politischen Unsicherheiten und Kriege zu erheblicher Verunsicherung - sowohl bei Unternehmen als auch bei der Bevölkerung. Große Wachstumssprünge seien für das kommende Jahr nicht zu erwarten.