Sanktionen gegen Russland Warum beim SWIFT-Ausschluss einige zögern
Der Westen hat sich auf Sanktionen gegen Russland geeinigt. Der Ausschluss vom internationalen Zahlungssystem SWIFT ist aber nicht dabei - auch auf Wunsch Deutschlands. Warum?
Der polnische Oppositionsführer und frühere EU-Ratspräsident Donald Tusk nimmt kein Blatt vor den Mund: "Diejenigen EU-Regierungen, die harte Entscheidungen blockiert haben, haben Schande über sich selbst gebracht", schimpft Tusk auf Twitter unter Bezug auf die bisherige Weigerung, Russland vom SWIFT-System auszuschließen. Und er nennt insbesondere Deutschland, Ungarn und Italien.
"Was muss noch passieren?"
Aber auch in Deutschland gibt es deutliche Kritik: Von einer "massiven Fehlentscheidung" spricht der Grünen-Politiker Jan Philipp Albrecht. Er ist Energieminister in Schleswig-Holstein, übrigens als Nachfolger von Robert Habeck.
Und die ehemalige grüne Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Kerstin Müller, fragt auf Twitter: "Was muss noch passieren, damit ein durchschlagendes Paket von Maßnahmen beschlossen wird". Und sie verbindet diese Frage explizit mit den Hashtags #Bundeskanzler und #ABaerbock.
Wem schaden Sanktionen mehr: Russland oder uns?
Von ihrem Parteikollegen Jürgen Trittin kommt dagegen Verständnis für die Zurückhaltung Deutschlands; der frühere Bundesminister sitzt jetzt im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags. Man müsse immer aufpassen, dass man mit Sanktionen nicht sich selbst mehr schade als den anderen, so Trittin im Inforadio des rbb.
Er setzt auf die bereits beschlossenen Maßnahmen: Diese würden verhindern, dass russische Banken ihren Zahlungsverkehr in Europa abwickeln und dafür sorgen, dass russische Staatsunternehmen sich nicht mehr wie bisher finanzieren könnten. Das, so Trittin, komme faktisch auf das Gleiche raus wie eine mögliche Blockade von SWIFT und hätte nicht die negativen Folgen, die ein SWIFT-Ausschluss für Deutschland bedeuten würde.
SWIFT-Ausschluss: "Äußerst scharfes Schwert"
Auch der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz, der schon vor Wochen einen möglichen SWIFT-Ausschluss als "Atombombe für die Kapitalmärkte" bezeichnet hatte, bleibt skeptisch. Er spricht jetzt von einem "äußerst scharfen Schwert" und warnt, dass eine solche Sanktion erhebliche Schäden in der Weltwirtschaft hinterlassen würde.
Einschränkend fügt Merz im ZDF hinzu: "Sollte die EU-Kommission den Vorschlag machen, SWIFT als Sanktionsinstrument zu nutzen und Russland auszuschließen, sollte Deutschland nicht Nein sagen."
Wichtig für den Außenhandel
SWIFT ist im Grunde ein Kommunikationssystem und dient dazu, dass sich die Banken über Grenzen hinweg über Zahlungsströme informieren - auch Überweisungen von Privatkunden ins Ausland laufen mit Hilfe der sogenannten BIC-Nummer über dieses System.
Vor allem aber profitiert der Außenhandel, da ja Importe und Exporte grenzüberschreitend bezahlt werden müssen. So fürchtet der bayerische Finanzminister Albert Füracker (CSU) negative Folgen für die Unternehmen hierzulande: Sollten russische Unternehmen keine Zahlungen mehr über SWIFT abwickeln können, bekämen deutsche Unternehmen möglicherweise kein Geld mehr, so Füracker im Regensburger Presseclub.
Alternativen zu SWIFT: Fax, Telex, Geldkoffer?
In Wirtschaftskreisen macht man sich freilich keine Illusionen: Das Geschäft mit Russland, das 2021 noch einmal ordentlich zulegen konnte - deutsche Unternehmen verkauften Güter im Wert von 26,6 Milliarden Euro nach Russland - dürfte erst einmal zusammenbrechen. Durch einen schnellen Ausstieg aus SWIFT würden vor allem die Unternehmen belastet, die aktuell noch auf Zahlungen aus Russland warten.
Theoretisch wären auch nach einem politisch erzwungenen Ausstieg aus SWIFT noch grenzüberschreitende Zahlungen denkbar, erläutert Jörg Krämer, der Chefvolkswirt der Commerzbank: In diesem Fall könnten an sich überholte Kommunikationsformen wie Fax und Telex wieder zum Einsatz kommen.
Den eigentlichen Grund für das Zögern der europäischen Partner vor einem möglichen Ausschluss Russlands aus dem SWIFT-System sieht Krämer in der hohen Energieabhängigkeit von Russland. Schließlich habe US-Präsident Joe Biden darauf hingewiesen, dass er auf diese Maßnahme auf Drängen der Europäer verzichtet habe.
Nach wie vor habe der Westen auch nicht alle russischen Banken sanktioniert. Dahinter stehe vermutlich die Überlegung, dass die Europäer weiter Gas beziehen wollten: "Dafür muss man auch zahlen. Und wenn man das nicht per Banküberweisung machen kann, müsste man mit Geldkoffern nach Moskau reisen", was natürlich nicht gehe, so Krämer.
Energieabhängigkeit als Grund für das Zögern
Sanktionen gegen den Bezug von russischem Gas oder Öl sind tatsächlich nicht auf der Liste des Westens. Der Grund dafür ist, so sagt es Regierungssprecher Steffen Hebestreit, dass die Energielieferungen aus Russland nicht sofort ersetzt werden könnten.
Mit Blick auf SWIFT wehrt sich Hebestreit aber gegen den Vorwurf, allein Deutschland habe hier Bedenken angemeldet. Eine Aussetzung von SWIFT müsste zudem gut vorbereitet sein, da sie massive Auswirkungen auf den Zahlungsverkehr deutscher Unternehmen im Geschäft mit Russland aber eben auch auf die Zahlungen für die Energielieferungen hätte.
Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen
Es ist in der Tat auffällig: Länder, die ihren Energiebedarf zu einem hohen Anteil aus Russland decken wie Deutschland, Italien oder Ungarn wehren sich bislang gegen den Ausschluss Russlands aus dem SWIFT-System. Länder wie Frankreich oder Großbritannien, die weniger abhängig vom russischen Öl und Gas sind, können sich eine solche Sanktion eher vorstellen.
Ausgeschlossen sind sie freilich nicht. Bundesfinanzminister Christian Lindner sagt, der Ausschluss Russlands aus dem SWIFT-System sei denkbar, wenn die EU-Mitglieder gemeinsam der Meinung seien, der Druck auf Russland könne damit weiter verstärkt werden.