
Verteidigung und Infrastruktur Union und SPD einigen sich auf Milliardenkredite
Union und SPD haben erste Ergebnisse der Sondierungen bekannt gegeben: Die Parteien wollen demnach Milliardenkredite für Verteidigung und Infrastruktur auf den Weg bringen. Eine Reform der Schuldenbremse ist bis Jahresende anvisiert.
Wenige Tage nach dem Start der Sondierungsgespräche verkünden Union und SPD erste Einigungen: Die Parteien haben sich nach Aussage ihrer Spitzen auf ein milliardenschweres Finanzierungspaket für Verteidigung und Infrastruktur verständigt.
Alle Verteidigungsausgaben oberhalb von einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts würden von den Beschränkungen der Schuldenbremse ausgenommen. "Angesichts der Bedrohungen unserer Freiheit und des Friedens auf unserem Kontinent muss jetzt auch für unsere Verteidigung gelten: whatever it takes", sagte CDU-Chef Friedrich Merz.
Das sei aber nur zu verkraften, wenn die Wirtschaft binnen kürzester Zeit wieder auf einen stabilen Wachstumskurs zurückkomme. Dafür müsse die Infrastruktur verbessert werden. "Die notwendigen Mittel dazu können nicht allein aus den laufenden Haushalten des Bundes, der Länder und der Gemeinden finanziert werden", so Merz weiter.
500 Milliarden für die Infrastruktur
Daher soll ein neues Sondervermögen von 500 Milliarden Euro für Infrastrukturausgaben für die Dauer von zehn Jahren geschaffen werden, gab der Unions-Kanzlerkandidat bekannt. SPD-Chef Lars Klingbeil konkretisierte, dass 100 Milliarden davon für die Länder bereitgestellt werden sollen.
Ein Sondervermögen ist ein Topf abseits des Bundeshaushalts, aus dem Maßnahmen mit einem ganz bestimmten Zweck finanziert werden. Wenn man es im Grundgesetz verankert, kann man es dort auch von der Schuldenbremse ausnehmen, die die Kreditaufnahme eigentlich auf einen geringen Betrag beschränkt. Genau das sei nun geplant, bekräftigten die Parteispitzen.
Alter Bundestag soll abstimmen
Beide Beschlüsse sollen wegen der komplizierten Mehrheitsverhältnisse noch vom alten Bundestag getroffen werden. Allein haben Union und SPD auch dort nicht die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit für eine Grundgesetzänderung. Sie brauchen daher Stimmen von Grünen oder FDP. Die Fraktionen von Union und SPD wollen kommende Woche entsprechende Anträge in den alten Bundestag einbringen.
Wie Klingbeil zudem weiter mitteilte, wollen Union und SPD im neugewählten Bundestag noch bis Jahresende eine Reform der Schuldenbremse voranbringen. Dazu solle eine Expertenkommission eingesetzt werden, heißt es in einem Papier zu den Sondierungsgesprächen, auf das sich die Nachrichtenagentur dpa bezieht.
SPD: Familien entlasten, Renten stabilisieren
"Unser Land fährt auf Verschleiß", sagte Klingbeil. Deswegen sei es wichtig, dass massiv investiert werde, damit Deutschland wieder besser funktioniere. "Eine künftige Regierung muss den Verschleiß unseres Landes stoppen." Die SPD wolle in den weiteren Gesprächen darauf drängen, dass Familien entlastet werden, dass die Renten stabil sind und es ein gerechtes Steuersystem gebe.
Ganz vorne aber stehe ein gemeinsames Verständnis für die Größe und die Bedeutung der Aufgabe, sagte der SPD-Chef mit Blick auf die Einigung in Finanzfragen. Er sei mit dem Ergebnis der Gespräche mit der Union zufrieden.
CSU-Chef Markus Söder sprach von einem großen "Deutschlandpaket". Mit der Einigung in der Finanzfrage habe die mögliche neue Regierung eine erste schwere Bewährungsprobe bestanden. Noch bevor Posten verteilt würden, werde für die Sicherheit des Landes gesorgt. "Wir senden ein Signal an Freunde und Feinde", sagte Söder. "Deutschland ist da. Deutschland zieht sich nicht zurück."
Die SPD-Co-Vorsitzende Saskia Esken gab zu bedenken, dass die neue Koalition noch nicht stehe. Aber Union und SPD hätten in den ersten Gesprächen eine ganz entscheidende Weiche gestellt.
Zeitnaher Abschluss der Sondierungen angestrebt
Am Donnerstag und Freitag sollen die Gespräche zwischen den Parteien fortgesetzt werden, erklärte Merz. Ziel sei es, die Beratungen "zeitnah abzuschließen". "Wir sind uns der Dimension der vor uns liegenden Aufgaben bewusst. Und wir wollen dazu auch mit den Entscheidungen des heutigen Tages die ersten notwendigen Schritte gehen." Dies könne aber erst der Anfang einer "längeren Wegstrecke" sein.
FDP: Einigung "verantwortungslos"
Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr kritisierte die Beschlüsse von Union und SPD. "Schulden für alles Mögliche zulasten der Menschen in Deutschland sind aus meiner Sicht verantwortungslos", sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Dass die Bundeswehr gestärkt werden müsse, stehe außer Frage, "aber diese Vorschläge stellen nicht die Verteidigungsfähigkeit ins Zentrum, sondern eine Koalition, die ihre Gemeinsamkeiten auf unendlichen Schulden aufbaut", so Dürr.
Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki sagte dem Sender Welt TV, über den Verteidigungsbereich könne geredet werden, über andere Vorschläge der beiden möglichen Regierungspartner aber nicht. Er warnte zudem davor, Entscheidungen darüber noch vor Zusammentritt des neu gewählten Bundestags zu treffen.
Grüne wollen sich Vorschläge "in Ruhe anschauen"
Die Grünen reagierten zurückhaltend auf die von Union und SPD verkündete Einigung. "Wir werden uns die Vorschläge nun in Ruhe anschauen", kündigte Fraktionschefin Britta Haßelmann an. "Wichtig ist uns eine langfristige Lösung grundsätzlicher Regeln der Schuldenbremse", sagte Haßelmann. "Und dass neben dem Thema Sicherheit auch Investitionen in Infrastruktur, Wirtschaft und Klima nachhaltig angegangen werden."
Haßelmann kritisierte zugleich die beiden Unionschefs Merz und Söder. Sie hätten bei ihrem Auftritt "keinen Funken Demut gezeigt", stellte die Grünen-Politikerin fest. "Schließlich haben sie den Wählern wochenlang das Gegenteil von dem versprochen, was sie jetzt machen. Was Union und SPD der Öffentlichkeit auch vorenthalten haben: Für alles, was sie vorschlagen, brauchen sie Dritte im Parlament." Für die nötige Zweidrittelmehrheit bräuchte es Stimmen von Grünen oder FDP.
"Wir machen gar nichts auf Zuruf", sagte auch die Co-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge im ARD-Brennpunkt. Sie bemängelte, dass bei dem geplanten Sondervermögen zur Infrastruktur der Klimaschutz nicht vorkomme.