Eine Auswahl konfiszierter Messer liegen auf einem Tisch.

Nach Messerattacken Wie wirksam sind Waffenverbotszonen?

Stand: 15.02.2025 05:09 Uhr

Nach schweren Messerattacken im öffentlichen Raum werden immer wieder Waffenverbotszonen gefordert. Doch was bringen sie wirklich? Eine Bilanz am Beispiel Stuttgart.

Nach dem Terroranschlag von Solingen Ende August 2024 war der Handlungsdruck auf die Politik enorm. Nicht nur, dass die Bundesregierung das Waffenrecht im Hinblick auf Messer verschärfte - gleich eine ganze Reihe von Städten führte im Nachgang sogenannte Waffenverbotszonen ein. Also Bereiche in den Innenstädten, in denen nicht nur das Tragen von Waffen wie Messern verboten ist, sondern die Polizei auch ohne Anlass auf solche kontrollieren darf.

Nach der Messerattacke von Aschaffenburg werden weitere solcher Zonen gefordert, in Städten wie Saarbrücken oder Neunkirchen werden die Planungen konkret.

In Berlin wird heute die nächste Verbotszone in einer deutschen Großstadt in Kraft treten, allerdings war das schon vor der Tat in Aschaffenburg beschlossen. Das Verbot betrifft den Görlitzer Park und das Kottbusser Tor in Kreuzberg sowie den Leopoldplatz im Wedding. Alle drei Areale gelten als Hotspots der Kriminalität.

Wirkung unter Experten umstritten

Unter Experten ist allerdings umstritten, ob es sich bei den Waffenverbotszonen um reine Symbolpolitik handelt oder es tatsächlich spürbare Effekte zur Verbesserung der Sicherheitslage gibt. Bundesweit erhobene Zahlen dazu gibt es nicht.

Es bleibt nur die Betrachtung einzelner Beispiele: Die Stadt Stuttgart führte im Februar 2023 eine Waffenverbotszone ein - zum 1. Februar 2025 hat der Gemeinderat sie nun nochmals um zwei Jahre verlängert. Denn die Stadt sieht in dem Konzept einen Erfolg.

"Die letzten zwei Jahre haben gezeigt, dass tatsächlich Messer beschlagnahmt wurden und damit auch, dass Messer im Umlauf sind zu bestimmten Uhrzeiten", sagt Ordnungsbürgermeister Clemens Maier (Freie Wähler). Vor allem abends an den Wochenenden sei die Polizei fündig geworden.

Macheten, Springmesser, Bajonette

Die Sammlung konfiszierter Messer, die Albrecht Stadler zeigt, ist bemerkenswert. Der Leiter der Abteilung Sicherheit im Ordnungsamt präsentiert eine gut einen halben Meter lange Machete, das Bajonett eines Gewehrs, Klappmesser, Springmesser - alles bei Kontrollen in und um den Schlossplatz eingezogen. Insgesamt seien es 116 verbotene Waffen in zwei Jahren gewesen, teilt die Stadt mit. Nicht nur Messer, sondern auch Schlagstöcke oder verbotenes Reizgas.

Polizeipräsident Markus Eisenbraun begrüßt, dass die Waffenverbotszone verlängert wird. Die Zahl der Tötungsdelikte sei seit der Einführung gesunken, sagt er. Die Zahl der Messerdelikte steige weiter. Dies sei aber ein bundesweiter Trend. Für Eisenbraun ist es deshalb umso wichtiger, die Verbotszone beizubehalten. "Die Hemmschwelle von jungen Menschen, Messer zu benutzen, ist gesunken", sagt der Polizeipräsident.

Kritik kommt vonseiten der Linken. Die Verbotszone gebe der Polizei die Möglichkeit, in die Taschen einer bestimmten Menschengruppe schauen zu können, meist bei jungen Männer mit Migrationsgeschichte, kritisiert Linken-Stadtrat Luigi Pantisano. "Diese Jugendlichen mit Migrationsgeschichte werden hier besonders hervorgehoben kriminalisiert", so Pantisano. Die Polizei streitet diesen Vorwurf vehement ab.

Eine Auswahl konfiszierter Messer liegen auf einem Tisch.

Ein Auswahl konfiszierter Messer, die in der Stuttgarter Waffenverbotszone sichergestellt wurden.

Forderung nach mehr Gewaltprävention

Dirk Baier ist Professor für Kriminologie an der Universität Zürich. Auch er verzeichnet in den vergangenen zwei Jahren einen Anstieg der Gewaltkriminalität. "Wir können auch sagen: Das hat mit insbesondere jüngeren Männern zu tun", sagt Baier. Er warne aber davor, die Gewalt nur jungen Männern mit Migrationshintergrund zuzuschreiben.

Von Waffenverbotszonen hält der Wissenschaftler wenig. Zum einen, weil ihre Wirksamkeit nicht wirklich erforschbar sei. "Man müsste ja dann in einem Experiment in einem Gebiet eine Verbotszone einrichten und zeitgleich in einem identischen Gebiet nicht und dann schauen, was passiert", sagt Baier.

Für ihn sind außerdem das Problem weniger die Messer als die Menschen, die diese Messer tragen. Baier fordert deshalb mehr Gewaltprävention. "Wir wissen beispielsweise, dass Empathie- und Konfliktlösungstrainings möglichst früh in den Schulen etwas bringen. Und wenn wir uns daran orientieren, wissen wir auch: Es braucht einen langen Atem, um solche Dinge in den Griff zu bekommen."

Ein langer Atem, der in den oftmals aufgeregten Debatte nach neuerlichen Messerattacken wie nach Aschaffenburg schnell untergehen kann.

Verbotszonen bekämpfen nur Symptome

In einem Punkt sind sich Forschung und Verantwortliche allerdings einig: Waffenverbotszonen allein bekämpfen nur die Symptome. Deshalb gebe es neben den Kontrollen seiner Beamtinnen und Beamten auch immer ergänzende Angebote der Sozialarbeit und Prävention, sagt Stuttgarts Polizeipräsident Eisenbraun. "Eine einzelne Maßnahme ist es nie. Es ist ein Bündel von Maßnahmen, die insgesamt Wirkung erzielen." 

Welchen Anteil Waffenverbotszonen an dieser Wirkung haben, bleibt aber wohl auch in Zukunft umstritten.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die Sendung "Hessenschau" am 27. August 2024 um 19:30 Uhr.