Bundesverfassungsgericht Das Wahlrecht von 2020 wird geprüft
Seit März gibt es bereits eine neue Reform - das Bundesverfassungsgericht prüft nun dennoch das 2020 von der Großen Koalition auf den Weg gebrachte Wahlrecht. Es könnte dabei auch über grundlegende Dinge entscheiden.
Als die Große Koalition von Union und SPD das Wahlrecht 2020 änderte, war Philipp Amthor von der CDU sehr zufrieden: "Was lange währt, wird endlich gut. Und die monatelange, jahrelange Diskussion um die Verkleinerung des Bundestages wird heute erreicht."
Das sah die gesamte Opposition anders. Bei den kleineren Parteien gab es heftigen Protest. "Diese Wahlrechtsreform, mit der sind Sie kläglich gescheitert", sagte zum Beispiel die Grünen-Abgeordnete Britta Haßelmann. "Und das Verrückte ist: Draußen merkt man das. Erzählen Sie doch den Leuten nicht einen vom Pferd, meine Damen und Herren."
Weil der Bundestag nach der Wahl von 2017 auf über 700 Abgeordnete angewachsen und damit so groß wie noch nie zuvor geworden war, hatte die Große Koalition Änderungen beschlossen. Danach entschieden sich FDP, Grüne und Linke, die ganze Sache vom Bundesverfassungsgericht prüfen zu lassen. Die neuen Regelungen seien zu unklar und würden bestimmte Parteien bevorzugen, argumentierten sie.
Weniger Ausgleichsmandate
2020 war zum Beispiel beschlossen worden, dass nicht mehr in vollem Umfang Ausgleichsmandate vergeben werden. Bis dahin war das Verhältnis im Parlament immer bei allen ausgeglichen worden: Hatte eine bestimmte Partei mehr Direktmandate errungen, als ihr nach den Zweitstimmen zustand, erhielt sie so genannte Überhangmandate, bekam also zusätzliche Sitze. Damit das Verhältnis im Parlament zwischen den Parteien gleichblieb, erhielten die anderen dann auch noch zusätzliche Mandate, die sogenannten Ausgleichsmandate.
Das sollte nach den Plänen der Großen Koalition reduziert werden. Seither wird einfach hingenommen, dass eine Partei eventuell durch die Überhangmandate besser dasteht. Erst ab vier zusätzlichen Abgeordneten bekommen die anderen Parteien einen Ausgleich. Davon profitiert unter anderem die CSU. Sie gewinnt typischerweise nämlich besonders viele Direktmandate. Deswegen bekommt sie Überhangmandate - und ist daher im Verhältnis zu den anderen stärker, weil nicht mehr alles ausgeglichen wird.
Veränderungen von 2023 sind noch nicht Thema
Dass das Wahlrecht so kompliziert ist, hängt auch mit früheren Urteilen des Bundesverfassungsgerichts zusammen. Schon öfter hatte das Karlsruher Gericht Veränderungen im Sinne eines möglichst gerechten Systems verlangt.
Jetzt prüfen die Richterinnen und Richter allerdings nur die Reform von 2020. Die neuesten Veränderungen, also die von März 2023, sind noch nicht Thema. Wegen der neuesten Reform aus diesem Jahr müsste doch die von 2020 nicht mehr erörtert werden, fanden die Abgeordneten, die geklagt hatten: Die Sache könnte ruhen. Aber das Gericht hat sich dagegen entschieden.
Berichterstatter in Karlsruhe ist Richter Peter Müller, der frühere Ministerpräsident des Saarlandes, dessen Amtszeit im September endet. Denkbar ist, dass er mit seinen Senatskollegen in das Urteil zum Wahlrecht von 2020 ein paar grundlegende Dinge hineinschreiben will. Dinge, die dann auch bei weiteren Reformen des Wahlrechts von Bedeutung wären. Deswegen bleibt die mündliche Verhandlung heute im Bundesverfassungsgericht spannend.