
Union und Bundeswehrverband Neue Wehrpflicht noch in diesem Jahr gefordert
Während in Europa über Abschreckung und Aufrüstung diskutiert wird, fehlen der Bundeswehr Tausende Soldaten. Nun fordern Union und der Bundeswehrverband die Wiedereinführung einer Wehrpflicht noch in diesem Jahr.
Angesichts der sich verändernden Bedrohungslage und der globalen Bündnisstrukturen fordert CSU-Politiker Florian Hahn mehr Tempo in der innerdeutschen Debatte um die Wiedereinführung einer Wehrpflicht. "Die Aussetzung der Wehrpflicht passt nicht mehr zur aktuellen Gefährdungslage", sagte er der Bild-Zeitung. "Noch im Jahr 2025 müssen die ersten Wehrpflichtigen durch die Kasernentore schreiten. Wir können ja nicht teilnahmslos zuschauen, wie die Welt um uns unsicherer wird", warnte der verteidigungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
Deutschland brauche jetzt "eine glaubwürdige Abschreckung durch eine personelle Aufwuchsfähigkeit". Das müsse auch "durch wehrwillige und wehrpflichtige Staatsbürger in Uniform" gelingen.
Auch der Vorsitzende des Bundeswehrverbands, André Wüstner, spricht sich für den Start einer Wehrpflicht noch in diesem Jahr aus - nach schwedischem Modell. "Ohne eine Art neue Wehrpflicht werden wir die Gewinnung und Bindung des Personals, das wir brauchen, nicht schaffen", sagte er im Sender Welt-TV.
Zustimmung für eine Wiedereinführung der Wehrpflicht kommt ebenfalls vom ehemaligen grünen Außenminister Joschka Fischer. "Ich war ein Befürworter der Abschaffung", sagte Fischer in einem Interview mit dem Magazin stern. Das sei ein Fehler gewesen, den man nun revidieren müsse. Die Wehrpflicht müsse wieder eingeführt werden, für beide Geschlechter. "Ohne diesen Schritt werden wir beim Schutz Europas nicht vorankommen", betonte Fischer, der sich zudem für eine Erhöhung des Wehretats aussprach: "Wir müssen unbedingt mehr in die Verteidigung investieren."
Gesetzentwurf von Pistorius
Die Wehrpflicht war 2011 in Deutschland unter Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) nach 55 Jahren ausgesetzt worden. Das kam einer Abschaffung von Wehr- und Zivildienst gleich, denn gleichzeitig wurden praktisch alle Strukturen für eine Wehrpflicht aufgelöst.
Der noch amtierende Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hatte im November einen Gesetzentwurf für ein neues Wehrdienstmodell vorgelegt. Kurz vor dem Zerbrechen der Ampel-Koalition einigte sich die Bundesregierung noch darauf - zu einer Abstimmung im Bundestag und Bundesrat kam es jedoch nicht.
Verpflichtend wäre gewesen, dass junge Männer Auskunft über ihre Bereitschaft und Fähigkeit zum Militärdienst hätten geben müssen. Für junge Frauen war eine freiwillige Teilnahme am Fragebogen vorgesehen. Für einen größeren Pflichtanteil gab es aus der Koalition von SPD, Grünen und FDP keine Unterstützung.
Debatte im Wahlkampf
Eine Wiedereinführung der Wehrpflicht war auch im Bundestagswahlkampf Thema. In der Sendung Schlussrunde von ARD und ZDF drei Tage vor der Wahl hatten sich die Teilnehmer darüber gestritten. Am weitesten ging dabei AfD-Chefin Alice Weidel, indem sie sich für eine zweijährige Wehrpflicht aussprach. "Wir sind nicht mehr fähig zur Landesverteidigung", war eines ihrer Argumente. Zudem diene die Wehrpflicht auch der Identifikation der Bevölkerung mit ihrer Armee.
Die Unionsvertreter - CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt machten sich stattdessen für ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr stark, das etwa bei der Bundeswehr, der Feuerwehr oder dem Technischen Hilfswerk abgeleistet werden kann.
FDP-Chef Christian Lindner lehnte damals den AfD-Vorstoß kategorisch ab und warnte vor einem "gewaltigen Freiheitseingriff bei jungen Menschen". Auch von BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht kam Widerspruch: "Wir brauchen eine Bundeswehr, die uns verteidigen kann - dafür brauchen wir aber keine Wehrpflicht."
Entscheidung über Wehrpflicht in Friedenszeiten
Auf die neue Bundesregierung kommt es nun zu, über eine neue Wehrpflicht in Friedenszeiten zu entscheiden. Für Konfliktzeiten ist im Wehrpflichtgesetz ohnehin festgelegt, dass die Wehrpflicht für Männer auflebt, wenn der Bundestag den Spannungs- und Verteidigungsfall feststellt.