Nach Ampel-Bruch Wissing tritt aus FDP aus und bleibt Minister
Die Ampel ist zerbrochen, die FDP-Minister verlassen die Regierung - bis auf einen: Volker Wissing will überraschend im Kabinett bleiben und aus der FDP austreten.
Bundesverkehrsminister Volker Wissing will trotz des Bruchs der Ampelkoalition bis zur geplanten Neuwahl im Amt bleiben - und aus der FDP austreten. Kanzler Olaf Scholz (SPD) habe ihn gefragt, ob er bereit sei, das Amt unter den neuen Bedingungen fortzuführen, sagte Wissing in Berlin. Er habe darüber nachgedacht und dies Scholz gegenüber bejaht.
Wissing will der Regierung künftig als Parteiloser angehören, wie er weiter mitteilte. "Ich möchte keine Belastung für meine Partei sein." Daher habe er Parteichef Christian Lindner seinen Austritt aus der FDP mitgeteilt. "Ich distanziere mich damit nicht von den Grundwerten meiner Partei und möchte nicht in eine andere Partei eintreten." Dies sei eine persönliche Entscheidung, die seiner Vorstellung von Verantwortung gerecht werde. "Ich möchte mir selbst treu bleiben."
FDP-Fraktionschef Christian Dürr hatte am Vorabend noch angekündigt, alle Minister seiner Partei wollten ihren Rücktritt geschlossen beim Bundespräsidenten einreichen.
"Ich habe vergangene Woche meine Position zur Verantwortung in einer Regierungskoalition in einem Beitrag der Frankfurter Allgemeinen Zeitung öffentlich gemacht, damit alle meine Position in dieser wichtigen Frage kennen. Parteiintern war meine Haltung allen seit Langem bekannt. Nach dem gestrigen Koalitionsausschuss hat Herr Bundeskanzler mich in einem persönlichen Gespräch gefragt, ob ich bereit sei, das Amt des Bundesministers für Digitales und Verkehr unter den neuen Bedingungen fortzuführen. Ich habe darüber nachgedacht und dies gegenüber Herrn Bundeskanzler Scholz bejaht.
Ich möchte mit dieser Entscheidung keine Belastung für meine Partei sein und habe deshalb heute Herrn Christian Lindner meinen Austritt aus der FDP mitgeteilt. Ich distanziere mich damit nicht von den Grundwerten meiner Partei und möchte auch nicht in eine andere Partei eintreten. Die Entscheidung ist eine persönliche Entscheidung von mir, die meiner Vorstellung von Übernahme von Verantwortung entspricht. Ich möchte mir selbst treu bleiben."
Minister bleibt, Staatssekretäre gehen
Anders als Wissing wollen seine drei Staatssekretäre Daniela Kluckert, Oliver Luksic und Gero Hocker nicht Teil der Bundesregierung bleiben. Wie Kluckert auf der Plattform X mitteilte, baten die drei FDP-Politiker den Minister, ihre Entlassung beim Bundespräsidenten zu veranlassen:
Auch Luksic kritisierte Wissings Schritt. Der Rheinischen Post sagte er: "Verantwortung heißt für mich, sich nicht an ein Amt zu klammern, der Souverän muss jetzt schnell entscheiden."
Union fordert sofortigen Rücktritt
Ähnliche Kritik kommt von der Union: "Es ist eine bodenlose Frechheit, dass Wissing in dieser Lage Minister bleiben will", sagte Unionsfraktionsvize Ulrich Lange der "Rheinischen Post" laut Vorabmeldung vom Donnerstag. Wissing habe "bisher in seinem Bereich nichts auf die Beine gestellt, nur eine Bilanz des Scheiterns".
Die Bahn sei seit Jahren im Chaos, die Digitalisierung hänge fest, Automobilindustrie und Luftverkehr kehrten Deutschland den Rücken. "Mal abgesehen von seinem Versagen als Verkehrsminister ist es auch ein charakterloser Loyalitätsbruch gegenüber seiner ihn tragenden FDP", so Lange weiter.
Vertrauensfrage und Neuwahl
Die Ampel war am Mittwoch zerbrochen. Nach einem erbitterten Richtungsstreit vor allem über den künftigen Kurs in der Wirtschafts- und Haushaltspolitik kündigte Kanzler Scholz an, Finanzminister und FDP-Chef Lindner aus dem Kabinett zu werfen und im Januar im Parlament die Vertrauensfrage zu stellen. Bis dahin wolle er wichtige Vorhaben der Regierung noch durchs Parlament bringen - auch mithilfe der Union. CDU und CSU lehnen eine Vertrauensfrage im Januar jedoch ab und drängen darauf, dass Scholz diese spätestens kommende Woche stellt.
Wissing hatte sich Anfang November in einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeinen Zeitung für einen Verbleib der Liberalen in der Koalition ausgesprochen. Am selben Tag war ein Papier von Parteichef Lindner durchgesickert, in dem dieser eine Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik forderte - was den schon lange schwelenden Koalitionsstreit weiter anfeuerte.