Das Logo des Pharmakonzerns Bayer am Standort des Konzerns am Rheinufer bei Leverkusen.
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Pharma- und Agrarunternehmen Die vielen Probleme des Bayer-Konzerns

Stand: 05.03.2025 15:12 Uhr

Trotz Milliardenverlust versucht der Vorstandschef Optimismus zu verbreiten, doch Bayer steckt weiter tief in der Krise. Das Risiko von Glyphosat-Klagen in den USA ist kaum kalkulierbar.

Eine Analyse von Michael Heussen, WDR

Ob er Angst habe vor Robert F. Kennedy, dem neuen US-Gesundheitsminister, wird Bill Anderson bei der Bilanz-Pressekonferenz der Bayer AG gefragt. Andersons lapidare Antwort: "Wir freuen uns, mit dem neuen Minister zusammenarbeiten zu können."

Diese Freude dürfte geheuchelt sein. Kennedy gilt als wahrgewordener Alptraum der Leverkusener. Er ist ein erklärter Pestizid-Gegner, sein oft wiederholter Slogan lautet "Make America healthy again" ("Mach Amerika wieder gesund"), und er war als Anwalt beteiligt an Schadenersatzprozessen von Krebspatienten, die ihre Krankheiten auf den Einsatz des glyphosathaltigen Unkrautvernichters Roundup zurückführen.

Monsanto brachte (fast) nur Probleme

Mit der Übernahme der Herstellerfirma Monsanto vor sieben Jahren hatte Bayer die Verantwortlichkeit für dieses Produkt übernommen. Bayer wollte damals sein Geschäft auf zwei starke Standbeide setzen: Auf die renommierte Pharmabranche, die in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder renditestarke Blockbuster hervorgebracht hatte, und auf den Bereich "Crop Science", Produkte für die Landwirtschaft vom Saatgut bis zu Pflanzenschutzmitteln.

Der amerikanische Monsanto-Konzern mit dem von ihm entwickelten Glyphosat galt als perfekte Ergänzung. Und um bei der Übernahme ganz auf Nummer sicher zu gehen, gelang es dem damaligen Bayer-Chef Werner Baumann sogar, noch vor dem ersten Amtsantritt von Donald Trump 2017 eine Audienz in dessen New Yorker Büro zu bekommen.

Lobbyarbeit in den USA

Doch acht Jahre später ist es Baumanns Nachfolger Anderson noch nicht gelungen, zum alten und neuen Präsidenten vorgelassen zu werden. In Leverkusen heißt es zwar, Anderson sei zur Zeit häufiger in Washington als in der Konzernzentrale. Aber noch er kann er dort keine sichtbaren Erfolge vorweisen. Bayer weiß immer noch nicht, wie es mit der Klagewelle in den USA weitergehen wird. 181.000 Menschen haben Ansprüche angemeldet, so die neuesten Zahlen, 67.000 Fälle sind noch offen.

Bayer musste bereits mehr als zehn Milliarden Euro für Schadenersatz und außergerichtliche Vergleiche zahlen, 5,7 Milliarden Euro sind für weitere mögliche Niederlagen vor US-Gerichten zurückgestellt worden. Aber keiner weiß, ob das reicht - und wie die neue US-Regierung mit ihrem Gesundheitsminister Kennedy auf die Prozesse einwirken wird.

Finanzfonds unterstützt Kläger

Die größte Hoffnung setzen die Leverkusener auf den Obersten Gerichtshof. Mehrere Gerichte unterer Instanzen haben teils sehr unterschiedlich geurteilt: Mal hat Bayer gesiegt, mal wurden den Klägern zweistellige Millionensummen zugesprochen. Damit wäre das eigentlich eine Sache für die Richter am Supreme Court in Washington, um eine einheitliche Linie in die Rechtsprechung zu bringen. Nur: So sehr Bayer auch bittet, die obersten Richter haben sich bisher nicht mit dem Fall beschäftigt.

Die Klägerseite ist unterdessen nach wie vor sehr schlagkräftig unterwegs. Mehr als 320.000 Werbespots wurden im US-Fernsehen geschaltet, mit denen Anwälte nach klagewilligen Klienten suchen. Und ein milliardenschwerer Fonds aus Abu Dhabi finanziert ganze Anwaltskanzleien, die vermeintliche Glyphosat-Geschädigte vertreten - gegen die Zusage von hohen Provisionen im Erfolgsfall.

Kontakt zu Landwirtschaft und Regionalpolitik

Bayer verfolgt noch eine andere Strategie, um auf die Gesetzgebung in den USA einzuwirken. Glyphosat gilt bei Farmern als bewährtes Pestizid, das viele weiterhin einsetzen möchten, um Unkraut zu bekämpfen. Anderson spricht von mehr als 360 Bauernverbänden, mit denen man im Dialog sei. Und es werden auch Gespräche gesucht mit Regionalpolitikern auf Bundesstaatsebene, damit sie wiederum auf die Gesetzgebung einwirken können.

Doch noch ist nicht absehbar, ob diese Lobbyarbeit Früchte tragen wird. In der Zwischenzeit hat das Desaster Tausende Jobs bei Bayer gekostet. Der einst wertvollste DAX-Konzern ist jetzt weniger wert, als er vor sieben Jahren für Monsanto bezahlt hat. Die Aktie ist kürzlich auf den tiefsten Stand seit 20 Jahren gesunken.

Und immer noch wird das vernichtende Urteil der IARC, der Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation WHO, zitiert, dass Glyphosat "wahrscheinlich krebserregend" sei. Auch wenn sich die führenden Behörden in Deutschland, in der EU und in den USA dem nicht angeschlossen haben und zu anderen Ergebnissen gekommen sind: Die IARC will frühestens 2029 eine Neubewertung vornehmen. Das könnte für Bayer zu spät sein.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 05. März 2025 um 09:00 Uhr.