Peter Altmaier
interview

Altmaier zu Datenhandel "Wir wollen nicht den gläsernen Bürger"

Stand: 17.07.2018 21:20 Uhr

Anonymisierte Daten - das sei der Rohstoff der Zukunft, sagt Wirtschaftsminister Altmaier. Im Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio betont er, dass die Menge nutzbarer Daten erhöht werden, ihr Schutz dabei unangetastet bleiben müsse.

ARD: Künstliche Intelligenz - manche sagen, wir verlieren mehr Arbeitsplätze als wir gewinnen. Wo stehen Sie da bei der Plus-Minus-Rechnung?

Peter Altmaier: Es werden derzeit die Claims weltweit neu abgesteckt. Die Künstliche Intelligenz wird zu einer grundlegenden Basisinnovation für das Industriezeitalter. Und das bedeutet, wir haben die Chance, mehr Arbeitsplätze neu zu schaffen als wegfallen. Aber das ist kein Selbstläufer. Dazu muss man etwas tun. Und dem dient unsere Strategie zur Künstlichen Intelligenz, die heute mit Eckpunkten vorbereitet wird.

ARD: Trotzdem haben Menschen Sorge, dass sie überflüssig werden, weil ihre Jobs wegfallen. Können Sie das verstehen?

Altmaier: Ich kann verstehen, dass sich Menschen Sorgen machen, ob ihre Arbeit auch noch in fünf, oder in zehn oder in 20 Jahren sicher ist. Der technologische Wandel ist ja keine neue Erscheinung. Es sind immer wieder Jobs weggefallen. Aber es ist uns gelungen, neue Arbeitsplätze zu schaffen.

Wir haben heute in Deutschland 46 Millionen Erwerbstätige - so viele wie nie zuvor in unserer deutschen Geschichte. Das zeigt, man kann neue Arbeitsplätze schaffen. Allerdings werden viele Menschen, die heute mit 20 Jahren ihre berufliche Tätigkeit beginnen, im Laufe ihres Lebens ein- oder zweimal auch neu- und umlernen müssen, weil sich die Voraussetzung ändert.

ARD: Viele haben Angst, dass sie den Anschluss verlieren, weil die Qualifikationen immer weiter nach oben gehen und immer mehr gefordert wird. Wie kann man dem Rechnung tragen?

Altmaier: Wir können dafür sorgen, dass Menschen, die in Berufen arbeiten, die weniger stark gebraucht werden, in Zukunft - weil die Arbeit von Maschinen übernommen wird - dass diese Menschen dort eingesetzt werden, wo es einen Arbeitskräftemangel gibt. Nur wenn wir technologisch führend sind, werden wir auch in Zukunft einfachere und weniger hochqualifizierte Tätigkeiten in Deutschland halten können.

ARD: Welche konkret?

Altmaier: Es geht zum Beispiel darum, dass wir uns viel mehr um andere Menschen im Bereich von Pflege und Betreuung kümmern, im Bereich von Landschaftspflege, von kommunalen Gärtnereien bis hin zu kommunalen Programmen, im Kulturbereich Dinge organisieren. Es geht darum, dass wir älteren Menschen helfen, länger selbstständig ihr Leben zu gestalten.

ARD: Heikles Thema ist immer der Datenschutz bei Künstlicher Intelligenz. Daten der öffentlichen Hand sollen verstärkt geöffnet werden, um sie wirtschaftlich nutzbar zu machen. Warum eigentlich?

Altmaier: Wir reden nicht über Daten von konkreten Personen. Wir reden über anonymisierte Daten, die durch die Digitalisierung in großer Zahl anfallen. Und sie werden der Rohstoff der Zukunft sein, wenn es darum geht, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln und wenn es darum geht, neue Erkenntnisse im Bereich der Medizin zu gewinnen, in der Forschung, in vielen anderen Bereichen, in der Verkehrsplanung, in der Stadtentwicklung. Überall werden wir sogenannte datenbasierte Geschäftsmodelle erleben. Das heißt, mit Daten kann man bares Geld verdienen. Allerdings in einer Form, die auch mit dem Datenschutz - der uns wichtig ist - vereinbar ist.

Wir wollen nicht den gläsernen Bürger. Wir wollen im Gegenteil, dass der Bürger weiß, was der Staat über ihn wiederum weiß. Wir haben uns vorgenommen, ein Bürgerkonto einzurichten, wo jeder Bürger sehen kann: Welche Daten sind im öffentlichen Raum gespeichert? Und er kann dann auch sehen, wer auf diese Daten zugreift. Das haben wir in Ländern wie Estland schon lange, und das führt zu mehr Datenschutz, nicht zu weniger.

ARD: Trotzdem: Wie wollen Sie garantieren, dass die Daten sicher sind, wenn selbst der Bundestag mal gehackt wird und dort Daten abgegriffen werden?

Altmaier: Wir haben das Bundesinstitut für die Sicherheit in der Informationstechnologie (BSI), und wir müssen lernen. Jeden Tag neu, denn die Hacker schlafen nicht.

ARD: Es geht aber nicht nur um das, was der Staat tut oder nicht tut, sondern auch um das, was private Unternehmen machen, die auch Daten abgreifen. Facebook, WhatsApp - die Verknüpfung von beiden Unternehmen, "Siri" und "Alexa" zum Beispiel, die Daten abgreifen. Wo sehen Sie da die Grenze? Wo muss man sagen: Stopp, bis hierher und nicht weiter? Oder dürfen die machen, was sie wollen?

Altmaier: Ich sehe eine absolute Grenze dort, wo die Intimsphäre berührt ist und wo Bürgerinnen und Bürger durch Algorithmen manipuliert werden. Das darf nicht geschehen. Im Übrigen entscheiden ja die Bürger im Rahmen der Einwilligungslösung oftmals selbst. Das alles ist auch eine Kultur des Umgangs mit Daten, die wir lernen müssen.

Ich glaube, wir tun gut daran, im Laufe der nächsten vier Jahre ein Gesetz zu verabschieden, was sowohl den Zugang des Bürgers zu Daten fixiert  - also wenn ein junges Unternehmen mit Daten, die bei öffentlichen Nahverkehrsgesellschaften anfallen, bessere Fahrpläne und neue Geschäftsmodelle entwickeln möchte - wie aber auch den Schutz von Daten gegen missbräuchlichen Zugriff regelt.

ARD:
Reicht die Datenschutzgrundverordnung, die gerade in Kraft getreten ist, aus?

Altmaier: Die Datenschutzgrundverordnung ist ja nur ein erster Schritt.

ARD: Das bedeutet aber, wir Bürger müssen uns darauf einstellen, dass unsere Daten - wenn auch anonymisiert - in Zukunft immer mehr zur Verfügung gestellt werden. Auch vom Staat, weil wir sonst international nicht mithalten können?

Altmaier: Ja. Aber wenn sie anonymisiert sind, dann sind es ja nicht mehr Ihre Daten oder meine Daten, sondern die Daten von allen Verkehrsteilnehmern, die zu einer bestimmten Uhrzeit über eine bestimmte Kreuzung fahren. Ich glaube, das ist nun wirklich nicht das Problem von Datenschutz. Denn anonym heißt, man kann nicht zurückverfolgen, wann welcher Bürger, wann Sie oder ich auf dieser Kreuzung waren. Das ist eine - wie ich finde – sehr kluge Vorgehensweise, weil sie es einerseits erlaubt, mit diesen Daten zu arbeiten, anderseits aber die Privatsphäre der Betroffenen nicht verletzt.

Das Gespräch führte Jens Wiening, ARD-Hauptstadtstudio

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 28. Juni 2018 um 17:20 Uhr.