Jörg Aumann

Kommunen nach Tarifabschluss Steuern erhöhen oder Angebote streichen?

Stand: 30.04.2023 05:00 Uhr

Schon vor dem Tarifabschluss im Öffentlichen Dienst hatten viele Kommunen finanzielle Probleme. Nun steigen die Kosten erneut. Altschulden belasten die Haushalte zusätzlich. Städte wie Neunkirchen hoffen auf einen Schuldenschnitt.

Von Moritz Rödle, ARD-Hauptstadtstudio

Jörg Aumann steht auf dem Dach seines Rathauses und zeigt auf die Erfolge seiner Ansiedlungspolitik. Der Oberbürgermeister der saarländischen Kreisstadt Neunkirchen ist sichtlich stolz: Jede Firma, auf die er zeigt, bringt der Stadt dringend benötigte Gewerbesteuereinnahmen.

Von hier oben sieht man aber auch, warum die Stadt Probleme hat, einen ausgeglichenen Haushalt aufzustellen. Die Spuren der Vergangenheit sind offensichtlich. Die Reste des Neunkircher Stahlwerks sind rostige Denkmäler an eine Zeit des Wohlstands. Doch diese Zeiten sind lange vorbei. Heute ist die Stadt mitten im Strukturwandel. Die Finanzkraft der Kommune liegt deutlich hinter Städten in Regionen wie Bayern oder Baden-Württemberg.

Neunkirchen

Früher sorgte das Stahlwerk für Wohlstand, heute steckt Neunkirchen mitten im Strukturwandel.

Probleme durch Tariferhöhung

Der Tarifabschluss im Öffentlichen Dienst sorgt jetzt für zusätzliche Probleme. Bundesweit rechnen Experten zunächst mit Mehrkosten von rund 17 Milliarden Euro für die öffentlichen Arbeitgeber. Auf Neunkirchen heruntergebrochen bedeutet das rund zwei Millionen Euro mehr pro Jahr für Personal.

Aumann sagt, er gönne den Kolleginnen und Kollegen den Lohnzuwachs und sei ein großer Freund der Tarifautonomie. Aber das Geld müsse Neunkirchen anders wieder hereinholen. Das stelle die Stadt vor Probleme. 

Steuern erhöhen oder Angebote streichen?

Kommunen haben nur wenige Möglichkeiten selbst für höhere Einnahmen zu sorgen. Ein Ansatz ist die Erhöhung der Gewerbesteuer. Wahrscheinlich werde das nicht ausbleiben können, sagt der Oberbürgermeister.

Außerdem könnte die Stadt auch auf der Ausgabenseite sparen. Freiwillige Aufgaben wie Kulturangebote, Schwimmbäder oder den städtischen Zoo muss die Kommune nicht anbieten. Aumann möchte aber nicht darauf verzichten. Solche Dinge seien das, was eine Stadt lebenswert mache, sagt er dem ARD-Hauptstadtstudio.

Die Stadt habe derzeit ein Haushaltsdefizit von rund 10,5 Millionen Euro. Selbst wenn Neunkirchen alle freiwilligen Leistungen einspare, würde das laut Aumann nicht für einen ausgeglichenen Haushalt reichen. "Aber alles, was in dieser Stadt lebens- und liebenswert ist, wäre dann weg." Das könne nun wirklich niemand wollen. "Und die Bürgerinnen und Bürger würden das auch zurecht nicht mitmachen."

Bundesregierung plant Schuldenschnitt

Der Neunkircher Oberbürgermeister ist auch Präsident des Saarländischen Städte- und Gemeindetages. In dieser Funktion vertritt er auch die anderen saarländischen Kommunen - und die haben oft noch ein anderes Problem: Altschulden.

Die steigenden Zinsen sorgen wieder dafür, dass die betroffenen Kommunen viel Geld für Zinsen ausgeben müssen. Das belastet die kommunalen Haushalte besonders im Saarland, Rheinland-Pfalz, Hessen und Nordrhein-Westfalen. Aumann hofft deshalb darauf, dass die Bundesregierung ihr Versprechen aus dem Koalitionsvertrag wahr macht und den betroffenen Kommunen einen Schuldenschnitt ermöglicht.

Unterstützung bekommt er bei dieser Forderung zum Beispiel von ver.di. Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft, Frank Werneke, sagt dem ARD-Hauptstadtstudio, das Thema müsse nun endlich angegangen werden. "Da erwarte ich mir deutlich mehr Energie und deutliche mehr Dynamik."

"Reichere Länder müssen ärmeren mehr helfen"

Für den Neunkircher Oberbürgermeister reicht das aber noch nicht aus. Mit Verweis auf den Verfassungsrang der gleichwertigen Lebensverhältnisse fordert der SPD-Politiker eine Reform des Länderfinanzausgleichs. Wirtschaftlich stärkere Regionen müssten den ärmeren Regionen effizient helfen.

Das müsse nicht bedeuten, dass alle genau das Gleiche haben. Aber: "Die Verfassung bindet uns alle und wir leben in einer Republik, die gleichwertige Lebensverhältnisse in ihrer Verfassung stehen hat", sagt Aumann. "Aber eine gewisse Gleichwertigkeit bedeutet eben auch, im Bereich der Ausstattung mit den notwendigen Dingen, dass alle einigermaßen gleichbehandelt werden."

Aumann sagt konkret, was das bedeuten würde. "Die reicheren Länder müssen den ärmeren Ländern einfach noch mehr helfen. Bayern, Baden-Württemberg, teilweise auch Hessen, die müssen einfach mehr in den Länderfinanzausgleich einzahlen, damit anderen Regionen entsprechend geholfen wird."

Mehr zu dem Thema können Sie heute um 18.00 Uhr beim Bericht aus Berlin im Ersten sehen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete das Erste im Bericht aus Berlin am 30. April 2023 um 18:00 Uhr.