Untersuchung von BND und Verfassungsschutz Russische Desinformation in Deutschland?
Russische Politiker und Medien hatten die Kölner Silvesternacht sowie die angebliche Vergewaltigung eines Mädchens genutzt, um die Stimmung gegen Flüchtlinge anzuheizen. Beobachter befürchten, es könnte eine gezielte Kampagne zur Desinformation geben. Dies sollen BND und Verfassungsschutz nun prüfen.
Von einem "neuen Kalten Krieg" sprach Russlands Premierminister Dimitri Medwedew während der Münchner Sicherheitskonferenz. Wollte der Vertraute von Russlands Präsident Wladimir Putin damit vor einer neue Phase der Konfrontation warnen? Oder befinden wir uns bereits in diesem "neuen Kalten Krieg"?
Jetzt will es auch die Bundesregierung genauer wissen. Nach Informationen von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" lässt das Kanzleramt ermitteln, ob die russische Regierung mit geheimdienstlichen Mitteln die politische Debatte und die öffentliche Meinung in Deutschland zu beeinflussen sucht. BND und das Bundesamt für Verfassungsschutz sollen das herausfinden. Auch das Auswärtige Amt ist informiert und eingebunden.
Hinweise auf gezielte Desinformation
Für die Antwort auf diese Frage interessiert sich angeblich die Kanzlerin persönlich, ebenso das Bundespräsidialamt. Im Kanzleramt beaufsichtigt der für die Geheimdienste zuständige Staatssekretär Klaus-Dieter Fritsche die nun laufenden Ermittlungen. Die Bundesregierung wollte auf Anfrage dazu keine Stellung nehmen.
Doch seit Wochen tauchen mehr und mehr Hinweise für eine gezielte Beeinflussung in Deutschland auf. Das geht aus Berichten des Auswärtigen Dienst der EU hervor. Der Dienst veröffentlicht seit dem 28. Oktober 2015 wöchentlich einen Überblick über die jüngsten Desinformationskampagnen. Vor allem osteuropäische Regierungen behaupten, dass Moskaus Staatsmedien gezielt eingesetzt würden, um Zwietracht unter den ohnehin zerstrittenen Europäern zu säen.
Die nun zu beantwortende Frage aber reicht weiter: Sollen die teils grotesken Übertreibungen in den russischen Staatsmedien - wenn etwa die Silvesternacht in Köln mit der Reichspogromnacht verglichen wird - dem politischen Ziel dienen, die Kanzlerin zu schwächen? "Wir wollen wissen, ob dahinter ein Konzept steckt", sagt eine mit den Untersuchungen vertraute Person.
Russlandexperten haben nämlich eine größere Sorge: Hier gehe es nicht um einzelne Sticheleien, sondern um die systematische Destabilisierung Deutschlands, das als belastbarer Pfeiler in der westlichen Gemeinschaft gilt. "Wer ein neues System in Europa will, der muss an Deutschland und seine Kanzlerin ran", sagt ein hoher Beamter aus dem außenpolitischen Apparat, der die Untersuchungen verfolgt.
Schulterschluss mit rechtsradikalen Bewegungen?
Zudem soll geklärt werden, ob Russland sich um einen Schulterschluss mit rechtsradikalen und rechtspopulistischen Bewegungen in Deutschland bemüht. In anderen europäischen Ländern, etwa Frankreich und Ungarn, gibt es dies bereits. Schon vor Monaten stellten Verantwortliche im Kanzleramt deshalb die Frage, ob in Deutschland nicht ebenfalls extreme Gruppierungen unterstützt würden. Es sei doch kaum vorstellbar, dass die russische Regierung ausgerechnet um Deutschland einen Bogen mache, hieß es.
"Pegida"-Kundgebung mit russischer Flagge in Dresden: Viele Rechte sympathisieren mit Russlands Präsidenten Putin.
Spätestens seit dem Fall der angeblichen Vergewaltigung des russischstämmigen Mädchens Lisa durch Flüchtlinge gilt die Frage nach dem russischen Einfluss manchen bereits als beantwortet. Zweimal wurde der russische Botschafter Wladimir Grinin im Fall Lisa zum Gespräch gebeten, zweimal wurde ihm klar gemacht, dass die Regierung ihren Einfluss nutzen müsse, um die Falschberichterstattung in den Staatsmedien zu stoppen. Außenminister Sergei Lawrow legte dennoch nach: Hoffentlich würde nicht aus politischer Korrektheit "die Realität übermalt", sagte er.
Auf der Suche nach belastbaren Belegen
Die nun mit der Überprüfung beauftragten Russland-Experten dagegen scheinen noch vorsichtig. Nicht jeder Unsinn und jede Unverschämtheit ist gleich eine Desinformation. Schlechten Journalismus gibt es auch ohne geheimdienstlichen Einfluss. Gesucht werden also harte Belege, ob die Methoden des Kalten Krieges nun wieder angewandt werden - im Auftrag des Kreml.