Kabinett stimmt für Entwurf Wer Terror im Netz gutheißt, soll gehen
Das Kabinett hat einem Gesetzentwurf zugestimmt, nach dem Ausländer ausgewiesen werden können, wenn sie im Netz Terror gutheißen. Ein einziger entsprechender Kommentar kann reichen. Aber es gibt Unklarheiten und Kritik.
Die Ausländerbehörden der Bundesländer sollen Menschen, die terroristische Taten gutheißen, künftig leichter ausweisen und dann auch abschieben können. Ein entsprechender Entwurf von Innenministerin Nancy Faeser wurde vom Bundeskabinett gebilligt.
Die Verherrlichung von Terror-Taten durch Äußerungen etwa im Internet schüre auch "ein Klima der Gewalt, das Extremisten zu neuen Gewalttaten animieren kann", begründete sie die Gesetzesverschärfung. Doppelstaatler sind laut Faeser generell von dem Gesetz nicht betroffen.
Kann ein Like reichen?
Eine Ausweisung soll künftig bereits nach der Billigung einer einzelnen terroristischen Straftat - beispielsweise durch einen einzigen Hass-Kommentar - möglich sein. Eine strafrechtliche Verurteilung sei dafür nicht erforderlich, hieß es.
Unstimmigkeiten gibt es aber, was genau als Billigung zählt. Zwar erklärte Faeser: "Es geht nicht um den kleinen Klick und den kurzen Like", sagte die Innenministerin. "Sondern es geht darum, dass wirklich widerwärtige, terroristische Inhalte verherrlicht und gepostet werden." In dem Entwurf zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes, den das BMI auf seiner Seite veröffentlichte, steht jedoch in der sogenannten Formulierungshilfe unter Berufung auf ein Urteil des Landgerichts Meiningen: "Unter Verbreitung eines Inhalts kann daher nunmehr etwa auch das Markieren eines Beitrags durch 'Gefällt mir' auf den Sozialen Medien wie You Tube, Instagram, TikTok etc. fallen."
Die zitierte Entscheidung des Landgerichts Meiningen in einem Strafverfahren sei von verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu etwaigen Ausweisungen zu unterscheiden, hieß es ergänzend aus Faesers Ministerium - "insofern wird es hier auf die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte ankommen".
Reaktion auf den 7. Oktober und auf Mannheim
Die Bundesregierung reagiert mit dem Vorstoß auf Hasspostings im Netz wie nach dem Messerangriff in Mannheim am 31. Mai, bei dem ein Polizist getötet und der im Internet vielfach verherrlicht worden war. Dies war laut Faeser Anlass für die Gesetzesverschärfung.
"Wir gehen hart gegen islamistische und antisemitische Hasskriminalität im Netz vor", erklärte die SPD-Politikerin Faeser. "Wer keinen deutschen Pass hat und hier terroristische Taten verherrlicht, der muss - wo immer möglich - ausgewiesen und abgeschoben werden." Dafür solle das Aufenthaltsgesetz so bald wie möglich angepasst werden.
Betroffen sein könnten auch Menschen aus Afghanistan und Syrien. Wie eine Abschiebung konkret in diese beiden Länder vollzogen werden kann, ist aber unklar, da die Bundesregierung bislang nicht bereit ist, mit den in Afghanistan regierenden radikal-islamischen Taliban oder dem syrischen Machthaber Baschar al-Assad direkt zu verhandeln.
Habeck: Islamismus gehört nicht zu Deutschland
Vizekanzler Robert Habeck lobte die geplante Gesetzesänderung. "Wer terroristische Taten billigt und für sie wirbt, muss gehen", erklärte der Vizekanzler und betonte, der Islam gehöre zu Deutschland, Islamismus jedoch nicht. Es sei eine große Errungenschaft, dass verfolgte Menschen hierzulande Schutz finden könnten. "Wer aber die liberale Grundordnung verhöhnt, indem er Terrorismus bejubelt, furchtbare Morde feiert, verwirkt sein Recht zu bleiben", erklärte der Grünen-Politiker.
Er schlug damit einen härteren Ton an als andere Mitglieder seiner Partei. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Bundestagsfraktion, Irene Mihalic, sagte, ob der Entwurf hilfreich sei, sei "Gegenstand der Prüfung, die wir auch in der Fraktion vornehmen werden".
Lob von Polizei, Kritik von Juristen
Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Migrationsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV), Thomas Oberhäuser, hält den nun vom Kabinett beschlossenen Entwurf für nicht zielführend. "Man muss schon sehr viel juristische Fantasie entwickeln, um das Setzen eines Likes als Verbreitung zu definieren", sagte der Rechtsanwalt. Auch sei für Laien oftmals nicht immer gleich auf Anhieb zu erkennen, ob es sich im Einzelfall um einen terroristischen Inhalt handelt oder nicht.
Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Jochen Kopelke, begrüßte den Kabinettsbeschluss, den er als klares Signal an Terrorsympathisanten bezeichnete. Er sagte, die Polizei und alle weiteren Behörden müssten aber auch so ausgestattet werden, dass ein spürbarer Verfolgungsdruck aufgebaut werden könne. Zu prüfen sei im Einzelfall auch eine persönliche Betroffenheit, sagte Oberhäuser, etwa wenn ein Palästinenser aufgrund israelischer Militäreinsätze im Gazastreifen Angst um seine dort lebenden Kinder beziehungsweise Angehörigen habe.
Linke-Politikerin Bünger: Wie in autoritären Staaten
Scharfe Kritik äußerte die rechtspolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Clara Bünger: Dass geplant werde, Menschen wegen eines Posts in den sozialen Medien auszuweisen, sei "der vorläufige Höhepunkt einer besorgniserregenden Entwicklung".
Wenn es um autoritär regierte Staaten gehe, empörten sich deutsche Politiker zu Recht darüber, dass Menschen dort wegen eines Likes in den sozialen Medien verfolgt oder gar inhaftiert werden könnten - "allerdings bewegt sich die Bundesrepublik längst selbst in diese Richtung", sagte Bünger.