Abschuss von Problemwölfen EU-Kommission will Schutzstatus überdenken
Wölfe reißen immer wieder Schafe, Hunde oder Pferde. Und die EU-Kommission warnt sogar vor Gefahren für Menschen. Nun sollen Daten gesammelt werden, um zu prüfen, wie der Schutzstatus verändert werden könnte.
Die EU-Kommission will den strengen Schutz für Wölfe in Europa überdenken. Die Konzentration von Wolfsrudeln in einigen europäischen Regionen sei zu einer echten Gefahr für Nutztiere und potentiell auch für Menschen geworden, erklärte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Brüssel. Die Christdemokratin aus Niedersachsen forderte lokale und nationale Behörden auf, "Maßnahmen zu ergreifen, wo immer es erforderlich ist".
Zuvor hatte die grüne Bundesumweltministerin Steffi Lemke in der Tageszeitung "Die Welt" angekündigt, Abschüsse schneller zu ermöglichen - insbesondere, wenn Wölfe Schafe gerissen hätten. Ein Sprecher der EU-Kommission kündigte die Bereitschaft seiner Behörde an, den Status des Wolfsschutzes zu verändern. Dafür sollen Gemeinden, Wissenschaftler und andere bis zum 22. September aktuelle Daten über die Wolfspopulationen und mögliche Gefahren nach Brüssel melden.
Wölfe genießen in Europa besonderen Schutz
Der Schutz der Wölfe ist in der sogenannten Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH) von 1992 geregelt. Wölfe genießen als einheimische Art in Europa einen besonderen Schutz. Deutschland und andere EU-Länder sind verpflichtet, Wölfen langfristig einen "lebensfähigen Bestand" zu garantieren. Der Deutsche Bauernverband (DBV) will in dieser Woche in Brüssel für ein härteres Vorgehen der Politik gegen Wölfe demonstrieren. In Brüssel treffen sich am Mittwoch die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Bundesländer.
In Deutschland sind die Bundesländer für das "Wolfsmanagement" zuständig, das sich aber an EU-Regeln halten muss. Die bisherigen Regeln besagen, dass bei Übergriffen nur einzelne Wölfe abgeschossen werden dürfen, die mit dem Vorfall in Verbindung gebracht werden können. Dafür braucht es eine behördliche Ausnahmegenehmigung.
Die wird erst dann bewilligt, wenn Tierhalter nachgewiesen haben, dass sie alle Möglichkeiten, ihre Herden zu schützen, ausgeschöpft haben. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hatte schon im Mai Kritik an dieser Regelung: "Wie soll man bei der Menge an Wölfen, die inzwischen unterwegs sind, den einen finden, das wirkt ein bisschen so wie 'Aktenzeichen xy' für Wölfe, so etwas geht nicht".
Bayern hat Abschuss erleichtert
Bayern erließ eine eigene Verordnung, die einen leichteren Abschuss von Wölfen erlauben soll, aber nach Ansicht von Bundesumweltministerin Lemke die Frage aufwirft, inwieweit sie mit EU-Recht übereinstimmt: "Für diejenigen, die über Wolfsabschüsse entscheiden sollen, bedeutet das Rechtsunsicherheit".
Forderungen, den Schutzstatus auf EU-Ebene zu lockern, gibt es seit vielen Monaten: "Die EU-Kommission muss jetzt handeln", forderte der EU-Abgeordnete Jens Gieseke. "Wir brauchen ein echtes Bestandsmanagement in den Regionen", so der CDU-Politiker.
Die SPD-Europaabgeordnete Delara Burkhardt warnte davor, "Landwirtschaft und Naturschutz gegeneinander auszuspielen". Das EU-Parlament hatte sich schon vor längerem in einer Resolution, die vor allem auf Initiative der Christdemokraten und der EVP-Fraktion zustande kam, für eine Änderung beim Schutzstatus für den Wolf ausgesprochen, die die Interessen der Tierhalter mehr berücksichtigt.
Doch Marie Neuwald von der Naturschutzorgansation NABU rechnet nicht damit, "dass noch vor der Europawahl 2024 ein so großes Fass aufgemacht wird".
Umweltminister der Länder müssen zustimmen
Für eine Änderung der Regeln braucht es die Zustimmung der EU-Mitgliedsstaaten. Auch die Umweltministerinnen und Umweltminister der Bundesländer müssten ja dazu sagen. Von der Leyen ist schon seit September 2022 "in das Thema involviert". Ein Wolf hatte vor einem Jahr ihr 30 Jahre altes geliebtes Pony Dolly gerissen. "Wenn in bestimmten Regionen der Wolf nicht mehr gefährdet sei, müssen wir auch anders mit dem Wolf umgehen und ihn zum Beispiel bejagen", erklärte die EU-Kommissionschefin jetzt.
Neuwald vom NABU sieht das Problem aber nicht dadurch gelöst, in dem der Schutzstaus gelockert wird. Problemwölfe dürften ja abgeschossen werden: "Ich verstehe den Frust der Tierhalter. Aber oft ist es so, dass eine rechtmäßige Abschussgenehmigung erteilt wurde, aber dann dauert es manchmal mehrere Monate, bis der Wolf überhaupt abgeschossen wird."
Unklar, welche Behörde tatsächlich zuständig ist
Probleme sieht Neuwald vor allem bei den Ländern: "Wenn Wölfe abgeschossen werden sollen, müssen die Länder über entsprechende Ausnahmegenehmigungen entscheiden, um nicht mit dem Schutzstatus zu kollidieren, und hier hapert es teilweise erheblich". Oft sei nicht klar, welche Behörde tatsächlich zuständig und wer überhaupt in der Lage sei, einen Wolf gezielt zu schießen: "In der regulären Jagdausbildung ist das nämlich nicht enthalten".
Viele Problemwölfe - auch der, der von der Leyens Pony gerissen hatte - konnten mehrere Abschusslisten und -fristen überleben. Den Wolf weniger streng zu schützen, würde an diesem Problem nichts ändern. Wenn es um den Wolf geht und was aus ihm werden soll - der Ball könnte schnell wieder im Feld der Bundesländer liegen, glaubt Neuwald. Und eben nicht in Brüssel.