Parteitag Die Linken-Spitze ruft den Neuanfang aus
Die Linke will das Kapitel Wagenknecht abhaken und nach vorn blicken. Dieses Wochenende soll die Liste für die Europawahl aufgestellt werden: Spitzenkandidaten sind Parteichef Schirdewan und die parteilose Aktivistin Rackete.
Auf dem Parteitag in Augsburg hat die Linken-Spitze das Kapitel um die Abspaltung der Wagenknecht-Gruppe für beendet erklärt. "Dieser Parteitag ist ein Startschuss", sagte Parteichefin Janine Wissler am Freitag. Ihr Ko-Vorsitzender Martin Schirdewan sagte, die Partei werde "zurück auf die Erfolgsspur" kommen, wenn sie Geschlossenheit, gegenseitigen Respekt und innerparteiliche Solidarität zeige. "Gemeinsam schlagen wir ein neues Kapitel für die Partei Die Linke auf", sagte er in seiner Rede vor den Delegierten.
Nach jahrelang öffentlich ausgetragenen Konflikten habe die Linke "gerade eine Zäsur erlebt", so Schirdewan. "Das hat unsere Glaubwürdigkeit beschädigt, das hat unser Vertrauen bei den Wählerinnen und Wählern beschädigt." In der jetzigen Situation liege aber auch eine "große Chance" zur Stärkung der Linken.
"Die Zeichen sollen auf Aufbruch stehen", Uli Hauck, ARD Berlin, zzt. Augsburg, vom Linken-Parteitag
Thüringens Linken-Ministerpräsident Bodo Ramelow rief ebenfalls zum Neuanfang auf. "Ja, das ist ein Scherbenhaufen", sagte er dem rbb. Er wünsche sich, dass die Partei eine deutliche Botschaft aussendet: Die Linke müsse klar machen, dass sie "für die Schwächsten in der Gesellschaft da ist". Sie müsse "eine laute Stimme für die sein, deren Stimme gar nicht mehr gehört wird".
"Bitterer Verlust für unsere Partei"
Wagenknecht war im Oktober gemeinsam mit neun weiteren Abgeordneten aus der Linken ausgetreten. Im Januar soll eine neue Partei an den Start gehen, die aus dem bereits gegründeten Verein "Bündnis Sahra Wagenknecht" hervorgehen soll. Kurz vor dem Parteitag hatte die Linken-Bundestagsfraktion als Konsequenz daraus ihre Selbstauflösung zum 6. Dezember beschlossen. Im Bundestag wird sie künftig voraussichtlich nur noch als Gruppe vertreten sein.
Die Auflösung der Bundestagsfraktion nannte Schirdewan einen "bitteren Verlust für unsere Partei". Die Linke bleibe aber die Partei der sozialen Gerechtigkeit und der Solidarität, betonte er und fügte hinzu: "Wenn alle anderen Parteien nach rechts marschieren, dann bleiben wir links."
Die "Ampel" gebe keine Antworten auf die gesellschaftlichen Herausforderungen und Probleme, sagte Schirdewan weiter. Er nannte die Regierungskoalition eine "Trümmertruppe", die begonnen habe, das Gesundheitswesen, den Sozialbereich und Demokratieförderprogramme zu "zerkloppen". Die Linke sei "ihr erbitterter Gegner, auf der Straße und in den Parlamenten". Gebraucht werde eine "sozialistische Gerechtigkeitspartei", die sich einsetzt für Umverteilung von oben nach unten, für Steuergerechtigkeit und für öffentliche Daseinsvorsorge für alle.
Nötig seien "eine Übergewinnsteuer für die exzessiven Krisengewinne der Konzerne, höhere Steuern für Superreiche, eine Vermögensabgabe für Milliardäre", sagte der Linken-Chef. "Denn es gibt kein Recht auf Profit. Aber es gibt ein Recht auf Wohnen, auf Nahrung und auf Energie."
Rackete rät der Linken zur Erneuerung
Die designierte Linken-Spitzenkandidatin zur Europawahl, Carola Rackete, sieht Erneuerungsbedarf der Partei. "Der Linken würde es helfen, sich noch mal konsequent von ihrer SED-Vergangenheit zu distanzieren und das wirklich aufzuarbeiten", sagte die 35-jährige Klima- und Flüchtlingsaktivistin dem Portal "Zeit Online". "Es gibt immer noch Leute, die das abschreckt."
Später meldete sich Rackete mit einer Klarstellung auf X, früher Twitter. "Da hat eine unbedachte Äußerung von mir mehr Aufmerksamkeit bekommen, als die eigentlichen Inhalte des Interviews", schrieb die designierte Kandidatin. Die Linke habe ihre Vergangenheit aufgearbeitet. Sie verwies auf eine Rede bei einem SED/PDS-Parteitag 1989, die ihr leider unbekannt gewesen sei. Der Hinweis auf die Vergangenheit werde ihr trotzdem immer noch als Grund genannt, warum Menschen sich nicht mit der Partei identifizieren wollten. "Meine Meinung ist es nicht", schrieb Rackete.
Schirdewan und Rackete als Kandidaten für Europawahl
Die Linke will auf dem dreitägigen Parteitag in Augsburg ihr Programm für die Europawahl am 9. Juni 2024 verabschieden und die Kandidatenliste aufstellen. Spitzenkandidat soll Schirdewan werden, der bereits seit 2017 im EU-Parlament sitzt.
Auf Platz zwei soll nach dem Willen der Parteispitze die parteilose Klima- und Menschenrechtsaktivistin Carola Rackete kandidieren, gefolgt von der Europapolitikerin und Gewerkschafterin mit kurdischen Wurzeln, Özlem Demirel, sowie dem parteilosen Sozialmediziner Gerhard Trabert.
Im Mittelpunkt des Programms für die Europawahl sollen die Themen soziale Gerechtigkeit, Klimaschutz, Frieden und Mitbestimmung stehen. Aufgrund der Abspaltung der Wagenknecht-Gruppe blieben in Augsburg etliche Delegiertenplätze frei. Von ursprünglich 580 vergebenen Plätzen waren am Freitagnachmittag gut 400 besetzt.