Länder vor Migrationsgipfel Forderung nach mehr Geld und "echtem Durchbruch"
Bevor sich die Länderchefs am Montag mit dem Kanzler zum Migrationsgipfel treffen, formulieren sie vielstimmig ihre Erwartungen: Vor allem wollen sie mehr Geld für die Flüchtlingsversorgung. Manchem geht es auch um die Glaubwürdigkeit von Politik.
Wenige Tage vor dem Bund-Länder-Treffen zum Thema Migration in Berlin machen Länder und Kommunen weiter Druck auf den Bund. Sie fordern mehr Geld für die Versorgung und Unterbringung von Flüchtlingen. Mehrere Ministerpräsidenten und der Deutsche Städtetag machten deutlich, dass das Angebot des Bundes nicht ausreiche.
Aus Sicht von Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff steht aber auch die Glaubwürdigkeit des Staates auf dem Spiel. Das Treffen sei wesentlich für die politische Zukunft des Landes. "Der Bund trägt die Verantwortung für die Sicherung der Außengrenzen. Da kann es nicht sein, dass der Bund nur einen Bruchteil der Kosten übernehmen will", sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Die Kapazitätsgrenzen seien erreicht. Die Dauerbelastung sei von Kommunen und Ländern nicht mehr zu bewältigen.
"Weil wir die Zuwanderung nicht steuern und illegale Migration nicht stoppen, müssen immer mehr Haushaltsmittel für diesen Bereich aufgewendet werden. Das akzeptieren viele Menschen nicht mehr", betonte der CDU-Politiker. Nötig sei am Montag ein "echter Durchbruch". "Ansonsten werden wir als Staat insgesamt weiter an Glaubwürdigkeit verlieren. Der Rechtsruck ist in vollem Gange. Letztendlich entscheidet der Montag nicht unwesentlich über die politische Zukunft Deutschlands", umriss Haseloff die Tragweite des Treffens.
Bund will eigenen Anteil reduzieren
Anfang der Woche sprechen Ministerpräsidentinnen und -präsidenten mit Bundeskanzler Olaf Scholz über Maßnahmen zur Begrenzung der irregulären Migration. Es geht konkret aber auch um Geld zur Versorgung und Unterbringung von Flüchtlingen. Der Bund will nach Angaben der Länder seinen Anteil von 3,75 auf 1,25 Milliarden Euro reduzieren. Das wollen sie nicht hinnehmen. In einem Beschluss hatten sie Mitte Oktober eine Pauschale von 1,25 Milliarden Euro sowie pro Migrant mindestens 10.500 Euro verlangt. Außerdem soll der Bund die Unterkunftskosten vollständig übernehmen.
Die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig, sagte der "Rheinischen Post": "Wenn mehr Flüchtlinge nach Deutschland kommen, muss die Unterstützung des Bundes steigen." Das müsse am Montag endgültig verabredet werden. "Es versteht vor Ort niemand mehr, dass einerseits immer mehr Asylbewerber kommen und andererseits der Bund zu keiner fairen Finanzierung der Kosten bereit ist", kritisierte die SPD-Politikerin.
Wüst: "Müssen rauskommen aus dem Gefeilsche"
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer sagte der dpa, viele Kommunen seien mit der Unterbringung von Geflüchteten "am Anschlag". "Unstrittig ist auch, dass die Stimmung in der Bevölkerung sehr verunsichert ist." Dreyer gestand aber auch zu, die Bundesregierung habe in kurzer Zeit weitreichende Forderungen der Länder umgesetzt, um die Flüchtlingsbewegung zu begrenzen.
Die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger forderte "mehr Klarheit und Ordnung" in der deutschen Flüchtlingspolitik. "Wer unsere Hilfe braucht, bekommt sie. Dafür muss endlich die Finanzierung sicher geklärt werden", sagte sie der dpa.
Nordrhein-Westfalens Landeschef Hendrik Wüst drang mit Blick auf Montag ebenfalls auf einen Durchbruch zur Eindämmung irregulärer Einwanderung. "Wir müssen das über den Winter hinbekommen", mahnte er in der "Welt am Sonntag". Dazu gehöre eine dauerhafte verlässliche Finanzierungsvereinbarung, die den realen Kosten gerecht werde. "Das, was bisher vom Bund angeboten wird, ist - höflich ausgedrückt - völlig inakzeptabel", kritisierte Wüst. "Das Wichtigste ist, das wir rauskommen aus diesem Gefeilsche." Die Länderseite stehe aber weiter bei der Forderung nach einem Pauschalbetrag von 10.000 Euro pro Flüchtling. "Wir brauchen endlich das vom Bundeskanzler zugesagte atmende System."
Städtetag: Hilfe vom Bund muss verdoppelt werden
Auch der Deutsche Städtetag hält das Angebot des Bundes für unzureichend. Städtetagspräsident Markus Lewe forderte in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, Scholz sollte "deutlich mehr im Gepäck haben als die bisher angekündigten 1,7 Milliarden Euro für eine Pro-Kopf-Pauschale". Der Betrag für die Pauschale müsse "mindestens verdoppelt werden". Das Treffen am Montag werde nur dann ein voller Erfolg, "wenn wir endlich ein atmendes System der Finanzierung bekommen, das sich den Flüchtlingszahlen dynamisch anpasst und bereits für 2024 im Bundeshaushalt abgesichert ist", sagte Lewe.
Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Filiz Polat verlangte "ein klares Signal des Bundeskanzlers zur angemessenen finanziellen Unterstützung der Kommunen mit dem Ziel einer fairen Kostenteilung zwischen Bund und Ländern". Konkrete Lösungen für die Kommunen seien besser als "Scheindebatten über Sozialleistungskürzungen und Sachleistungen" für Asylbewerber, sagte sie der dpa.
Integrationsbeauftragte kritisiert "aufgeheizte Debatte"
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan, kritisierte allgemein die "aufgeheizte Debatte" über Migrationspolitik in Deutschland. "Es schadet dem Zusammenhalt, wenn täglich die Migrationsfrage als Ursache für sämtliche Probleme in unserem Land herangezogen wird", sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
"Was uns jetzt nicht hilft, sind täglich neue aufgeladene Debatten über Scheinlösungen, Obergrenzen für Geflüchtete und Integrationsgrenzen", gab die Integrationsbeauftragte zu bedenken. Es müsse vielmehr wieder mehr darüber geredet werden, "was wir für eine gelungene Integration brauchen", verlangte die SPD-Politikerin.