Trend zum Preußenbarock Kulturkampf um DDR-Architektur
Immer mehr Gebäude werden in Potsdam im historischen Stil errichtet. Viele Gebäude aus DDR-Zeiten müssen hingegen weichen. Das finden nicht alle gut.
Wenn Barbara Kuster vom Verein "Mitteschön" den Alten Markt Potsdams betritt, ist sie bester Laune: Wie schön der Platz geworden ist, am Fuße der Nikolaikirche mit dem Obelisken in der Mitte, und vor allem dem Stadtschloss. 2013 ist es fertiggestellt worden, nach kurzer Bauzeit und langer Diskussion. Der Landtag ist dort eingezogen, das befriedete die Fronten. Wenigstens werde es nun sinnvoll genutzt, hieß es.
Neben der Nikolaikirche auf dem Alten Markt stand bis 2018 das Gebäude der Potsdamer Fachhochschule, ein Plattenbau aus DDR-Zeiten. Schönheit hat dem Haus keiner unterstellt. Aber es sei ein lebendiger Ort gewesen, für jedermann, ein öffentlicher Ort, lobt Stadtplaner Steffen Pfrogner. Das Gebäude musste am Ende weichen - mehrheitlich beschlossen von den Potsdamer Stadtverordneten. Stattdessen entsteht an der Stelle ein Gebäudekomplex mit Wohnungen und Geschäften hinter einer historisierenden Fassade. Die Fachhochschule zog an den Rand Potsdams auf einen Universitätscampus.
Ein lebendiger Ort, der weichen musste: die Fachhochschule Potsdam auf einem Archivbild von 2016
Trend zum Preußenbarock
Steffen Pfrogner gehört zu denen, die den Trend zum Preußenbarock kritisch sehen. Er hat sich mit Gleichgesinnten im Verein "Potsdamer Mitte neu denken" engagiert. Und den Verlust der Fachhochschule bedauert er sehr, wie er überhaupt findet, dass nach dem Ende der DDR viel zu viel Nachkriegsarchitektur einfach so abgerissen wurde. "Tabula Rasa" so sieht Pfrogner das.
Er zählt eine Reihe von Gebäuden auf, die in Potsdams Innenstadt bereits weichen mussten: das Haus des Reisens, ein Schuhhaus, der Busbahnhof, das Fernmeldeamt - alles weg. Damit sei auch ein Teil von Potsdams Identität verschwunden, findet Pfrogner.
"Abriss stoppen"
Das gilt auch für den Staudenhof, ein Plattenbaukomplex aus dem Jahr 1972, der abgerissen werden soll. Obwohl Wohnungsmangel bestehe, und für die Flüchtlinge, die dort auch gerade wohnen, eine andere Unterkunft gefunden werden müsse, so der Stadtplaner. Er hält das für einen Fehler. Ahnungslose Betrachter sehen vor allem eine heruntergekommene Fassade.
"Retten wir den Staudenhof - Gemeinsam die Bauwende gestalten", steht auf der Website von Anhängern dieses Plattenbaukomplexes. "Die Stadtverordnetenversammlung von Potsdam hat beschlossen, das Gebäude durch eine neue, Barock anmutende Bebauung, den sogenannten Block V zu ersetzen. Das lehnen wir ab", heißt es dort.
Ein Transparent "Abriss stoppen" hängt auch am Gebäude des ehemaligen Rechenzentrums, ebenfalls ein Plattenbau zwischen 1969 und 1971 für den VEB Maschinelles Rechnen errichtet. In den Räumen haben Künstler ihren Platz gefunden und das Haus in einen Kreativtreff verwandelt.
Zukunft ist ungewiss
Dessen Zukunft ist ungewiss. Ein Grund: Es steht auf dem einstigen Areal der Garnisonkirche, deren Turm gerade wieder errichtet wird. Auch dieser Wiederaufbau hat die Stadt gespalten, für die Gegner ist die Garnisonkirche ein Symbol des preußisch-deutschen Militarismus, für die Stiftung für den Wiederaufbau soll hier ein Ort der Versöhnung und Begegnung entstehen.
Über Art und Umfang des Kirchenneubaus gibt es einen Dauerstreit, es kollidieren immer wieder die Vorstellungen, was auf dem Areal weiter geschehen soll. Der Bau eines neuen Kreativzentrums, womöglich auch der Wiederaufbau des alten Kirchenschiffs mit weltlicher Nutzung? Oder bleibt es so wie es ist.
Konflikte mit grundsätzlichem Charakter
Wenn es in Potsdam um Stadtplanung und architektonische Veränderungen geht, dann haben die Konflikte schnell einen sehr grundsätzlichen Charakter. Die Bauwerke würden stellvertretend für die Auseinandersetzung zwischen links und rechts und der Frage, wem die Stadt gehört, stehen, beschreibt Barbara Kuster vom Verein "Mitteschön" die Atmosphäre.
Sie selbst ist gebürtige Potsdamerin, Künstlerin, Kabarettistin und absolute Befürworterin, dass Potsdam wieder so schön wird, wie es in ihren Augen einmal war. Sie lehnt nicht alle Nachkriegsbauten ab, aber jene die die Sichtachse oder den historischen Grundriss stören.
Finanzkräftige Mitstreiter
Und sie hat prominente und finanzkräftige Mitstreiter, auf die sie sich berufen kann, wie den Milliardär und Mäzen Hasso Plattner, Mitbegründer des Softwareunternehmens SAP. Er hat neben vielem anderen das Museum Barberini gestiftet samt eindrucksvoller Sammlung von Impressionisten.
Das Haus am "Alten Markt" ist ebenfalls ein Wiederaubau eines Palais aus der Zeit Friedrich des Großen. Auch der Fernsehmoderator Günther Jauch, der in Potsdam wohnt, hat vor langer Zeit sein Herz für die Stadt entdeckt. Er hat unter anderem den Wiederaufbau des Fortunaportals am Stadtschloss mit einer großzügigen Spende unterstützt. Jauch hatte sich damals über die Proteste gegen den Wiederaufbau von Potsdams historischer Mitte sehr gewundert.
"Ich kenne nicht so wahnsinnig viele, die wegen der Fachhochschule oder dem Staudenhof nach Potsdam kommen, ich glaube das ist eher begrenzt", meinte er etwas sarkastisch 2017, als die Diskussion besonders hoch kochte. Mit anderen Worten: Gerade wegen der barocken Schönheit kommt der Tourist, die Touristin gern in Brandenburgs Landeshauptstadt.
Dass sich solche finanzstarken Geldgeber für den Wiederaufbau von Gebäuden mit dem Charakter vergangener Zeit fanden, hat den Widerstand mancher wohl noch angestachelt. Bestimmen diejenigen, die Geld haben, nun wie die Stadt aussieht? Womöglich "Wessis" über "Ossis"?
Wird alles eliminiert, was nach DDR aussieht?
Wird alles eliminiert, was nur irgendwie nach DDR aussieht? Puppenstube, Geisterstadt lauteten die wenig schmeichelhafte Beschreibung des alten Marktes. Es sei ein Geschenk, dass Potsdam solche engagierten Mäzene habe, sagen aber auch recht viele.
Die Diskussionen machen vorsichtig: "Potsdamer:innen bauen für Potsdam", steht auf Banderolen an der Baustelle, wo anstelle der Fachhochschule das neue Gebäude mit neu-alter Fassade entsteht, wohl damit keiner denkt, hier hätten nur irgendwelche Privatinvestoren das Sagen. Und die neuen Wohnungen sollen vergleichsweise günstig sein.
Viel bleibt nicht von der DDR-Zeit
Pfrogner muss zugeben, dass diejenigen, die sich für den Erhalt der Nachwendearchitektur eingesetzt haben, bislang den Kürzeren ziehen. Abgesehen vom einstigen "Interhotel", dem jetzigen "Mercure", bleibt nicht mehr viel von den größeren öffentlichen Gebäuden aus der DDR-Zeit.
Das Hotel überragt wie ein überdimensionaler Stachel das historische Ensemble. Auch dafür gab es Abrisspläne zugunsten einer Kunsthalle, ebenfalls initiiert von Plattner, aber die Proteste waren so vehement, dass die Pläne fallen gelassen wurden. Das Hotel blieb stehen.
Potsdam boomt, es zieht viele Menschen in die Stadt vor den Toren Berlins, und diese Gäste, unbelastet aller Diskussionen aus der Vergangenheit, sehen wohl vor allem: eine immer schöner werdende Stadt.